Ausstellung:Der Zauber des Archivarius

Bildhauer Ignaz Huber hat mit ausdrucksstarken Skulpturen eine eigene Handschrift gefunden

Von Robert Stocker, Dachau

Eine in rotes Licht getauchte Bergwand wird von Nebelschwaden umwabert. Neben der großformatigen Fotografie steht ein Wanderer, der in einer Hand einen Spazierstock hält. Die lebensgroße Holzskulptur und das Lichtbild korrespondieren miteinander; der Wanderer hat die Steilwand im Blick, die er vielleicht bald ersteigen will. Oder ist es die geheimnisvolle Szenerie, die ihn fesselt? Der Betrachter soll sich selbst einen Reim darauf machen, es sind verschiedene Deutungen möglich. "Wichtig ist, dass er eine Beziehung zum Werk entwickelt", sagt der junge Holzbildhauer Ignaz Huber. Ihm geht es um die Emotionen, die seine Figuren auslösen, um den Ausdruck und die Gefühle, die seine Werke vermitteln. Das sei bei abstrakten Skulpturen schwieriger. Es gebe nicht so viele Holzbildhauer, die figürlich arbeiten. Huber hat sich vollkommen darauf verlegt. Um den Ausdruck intensiver zu machen, bemalt er seine Figuren auch. Die Gesichter sind lebendig und emotional, die Figuren wirken schräg und geheimnisvoll. Man könnte dies als die Handschrift des jungen Künstlers bezeichnen: eine Fusion aus Bildhauerei und Malerei, die etwas Mystisches an sich hat.

Eine zwielichtige Gestalt

Insofern kommt es nicht von ungefähr, dass Ignaz Huber und seine Freundin Mary Schmidt für ihre Ausstellung in der Kleinen Altstadtgalerie den Titel "Kabinett - Goldener Topf" gewählt haben. Er bezieht sich auf ein mystisches Märchen von E. T. A. Hoffmann, in dem eine Studentin in eine Parallelwelt mit vielen skurrilen Figuren abdriftet. Eine davon ist der verschrobene Alchemist und Zauberer Archivarius Lindhorst, den Huber bildhauerisch umgesetzt hat. Eine zwielichtige Gestalt, die gefährlich sein könnte. Man weiß nicht so recht, ob man ihr trauen kann. "So einem Typen kann man auch im realen Leben begegnen", sagt Huber. Die Figur trägt einen Hut und eine dunkle Sonnenbrille, die Gesichtszüge sind geheimnisvoll, der Mann ist nur sehr schwer zu durchschauen. Was führt er im Schilde? Den Betrachter beschleicht eine Unsicherheit, die ausdrucksstarke Skulptur löst Emotionen aus. Das gilt auch für den großen Gepard aus Pappelholz, in dessen Körper Gitterstäbe eingearbeitet sind - ein Symbol für die Gefangenschaft von Wildtieren, die im Zoo oder im Zirkus gehalten werden. Huber fertigt seine Skulpturen aus zerfurchtem Holz, das viele Risse hat. Er bearbeitet den rohen Stamm mit Schnitzmessern und nicht mit der Kettensäge. Ihm geht es nicht nur um das Handwerkliche, sondern vor allem um den Ausdruck. "Langsam komme ich da hin, wo ich hin will", sagt er.

KABINETT - GOLDENER TOPF

Surreale Welten, schräge Figuren: In der Kleinen Altstadtgalerie korrespondieren Skulpturen mit Fotografien.

(Foto: Niels P. Joergensen)

Alteingessene Künstlerfamilie

Auch die Keramiken und Fotografien seiner Freundin Mary Schmidt bilden absurde Szenarien ab. Sie liebt Motive aus dem Zirkusleben, so wie die Keramikfigur einer Artistin, die dem Betrachter die Zunge rausstreckt. Schmidt wendet sich von den Standards des Alltags ab und gleitet in surreale Welten hinüber. Das versucht sie auch mit ihren Fotografien umzusetzen, die in der Ausstellung geschlossene Strecken bilden. Huber und Schmidt besuchen seit einem Jahr die Bildhauerklasse an der Akademie für Bildende Künste in Nürnberg. Zuvor absolvierte der 26-Jährige die Schnitzschule in Berchtesgaden, in der er drei Jahre lang das Schnitzkunsthandwerk erlernte. Für beide Ausbildungen musste er eine Prüfung ablegen. Eigentlich kommt der junge Mann aus der Malerei - kein Wunder bei seinem familiären Hintergrund. Schließlich stammt er aus einer alteingesessenen Dachauer Künstlerfamilie. Sein Vater ist der Maler Christian Huber, dessen Großvater Richard ein Protagonist der Dachauer Schule war. Angeleitet von seinem Vater Christian griff der Bub schon früh zum Pinsel.

Als er ein Praktikum bei dem Holzschnitzer Hans-Joachim Seitdem machte, dem Lehrmeister seines Kollegen Jürgen Lingl-Rebetez, entdeckte er seine Leidenschaft für die Bildhauerei. Ignaz hat offenbar die künstlerischen Gene in der Familie Huber geerbt. Papa Christian ist darüber nicht unglücklich. Und auch ein bisschen stolz auf seinen Sohn, weil ihn ein Dachauer Kollege lobte: "Sogar Paul Havermann ist von den Skulpturen in der Schau begeistert. Von dem kriegt man nicht so schnell ein Lob."

KABINETT - GOLDENER TOPF

Was geht in dem Mann mit den roten Ohren vor? Bildhauer Ignaz Huber inspiziert eine seiner lebensgroßen Skulpturen.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Die Ausstellung "Kabinett - Goldener Topf" in der Kleinen Altstadtgalerie, Burgfriedenstraße 3, Dachau, ist noch bis 18. Dezember geöffnet. Donnerstag und Freitag von 18 bis 20 Uhr, Sonntag von 14 bis 16 Uhr.

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