Auseinandersetzung mit NS-Verbrechen:Gedenken im Franziskuswerk

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Das Mahnmal an der Kirche im Franziskuswerk zum Gedenken an das Schicksal der ermordeten Behinderten. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Erinnerung an die 500 Opfer der Nazi-"Euthanasie" der damaligen Klosteranstalt

Von Helmut Zeller, Schönbrunn

Bei einer Gedenkstunde und einer feierlichen Kranzniederlegung im Franziskuswerk Schönbrunn ist der Opfer des nationalsozialistischen "Euthanasie"-Mordprogramms gedacht worden. Michaela Streich, Vorstand der Viktoria-von-Butler-Stiftung, sagte: "Einschneidende Ereignisse hinterlassen ihre Spuren auch bei uns nachfolgenden Generationen. Aus der Auseinandersetzung mit dem Verbrechen des Nationalsozialismus können wir heute lernen, dass das Nicht-Erinnern, vielleicht vor Schuld- und Schamgefühlen bewahrt, aber das Verschweigen Schuld nicht tilgt." Auch die Geschichte und Identität des Franziskuswerks sei unauflöslich mit den Ermordungen geistig behinderter Menschen im Nationalsozialismus verbunden.

Zum Holocaust-Gedenktag widmete sich der Bundestag im vergangenen Jahr erstmals den mehr als 200 000 Opfern der "Euthanasie"-Morde der Nationalsozialisten. Im Januar 1940 begann der Massenmord an psychisch Kranken und behinderten Menschen in Gaskammern, Hungerhäusern und sogenannten Kinderfachabteilungen von Heilanstalten. Unter den Opfern waren auch mehr als 500 Bewohner der damaligen Pflegeanstalt der Franziskanerinnen in Schönbrunn. Nur 293 überlebten. "Die Betroffenheit bleibt lebendig mit Hilfe von Orten wie dem Mahnmal, von Gedenktagen und dem aktiven Erinnern an unsere gemeinsame Geschichte, sagte Streich.

Sie, sagte Michaela Streich, sei sich sicher, dass "gerade in Zeiten, in denen wir uns auf das Miteinander von Menschen unterschiedlicher Kulturen, Religionen, Behinderungen und Lebensentwürfen zu verständigen haben, die Gesellschaft, in der wir alle leben wollen, nur dort gedeihen wird, wo die Würde des Einzelnen geachtet und wo Solidarität gelebt wird".

Der Röhrmooser Bürgermeister Dieter Kugler (CSU) sprach von einem wichtigen Signal für alle, die die schrecklichen Geschehnisse nur aus Erzählungen oder Büchern kennen würden. "Wer in der heutigen Zeit gerade erwachsen geworden ist, kann sich gar nicht vorstellen, dass so eine Gewaltherrschaft auch jetzt noch möglich wäre. Doch auch heutzutage zeigt sich, dass sich Menschen von Propaganda beeinflussen lassen. Deshalb sind wir alle verpflichtet uns dafür einzusetzen, dass solche Gräueltaten verhindert werden. Das gilt bei uns, aber auch wo immer es uns möglich ist, für die ganze Welt", betonte Kugler.

Lange Jahre nach Kriegsende wurden die Morde verschwiegen. Der in Schönbrunn tätige TBC-Arzt Hans-Joachim Sewering hat mindestens neun Pfleglinge nach Haar geschickt, vier wurden getötet. Nach dem Krieg machte Sewering - zuerst Mitglied der SS und NSDAP, dann der CSU - eine steile Karriere. 1973 wollte er Präsident des Weltärzteverbandes werden. Vor der Wahl wurde seine Beteiligung an den Verbrechen bekannt. Josef Steininger, Direktor der Kloster-Anstalt, hatte sich als Widerstandskämpfer ausgegeben, der die Anstalt vor den Nazis gerettet habe. Erst 2010 kam die Wahrheit ans Licht: Der spätere Hausprälat des Vatikans, der 1965 starb, hatte seine Schützlinge den Nazis ausgeliefert. Steininger hatte davor schon bei der Zwangssterilisation von geistig Behinderten mitgemacht.

Michaela Streich, Markus Holl, ebenfalls Vorstand der Viktoria-von-Butler-Stiftung, und Bürgermeister Dieter Kugler legten Kränze vor dem Mahnmal in Schönbrunn an der Kirche St. Josef nieder. Das Mahnmal wurde im Jahr 2012 als ein Schritt der Versöhnung und Aufarbeitung der Vergangenheit in Schönbrunn eingeweiht.

© SZ vom 01.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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