Aurel Bereuter beim Leierkasten:Der Jammerlappen

Aurel Bereuter beim Leierkasten: Die stolze Männlichkeit im Niedergang: Aurel Bereuter hält seine urkomischen Tiraden in einem Bademantel von dramatischer Schäbigkeit.

Die stolze Männlichkeit im Niedergang: Aurel Bereuter hält seine urkomischen Tiraden in einem Bademantel von dramatischer Schäbigkeit.

(Foto: Toni Heigl)

Im Programm "Die Psyche der Frau" geht es in Wirklichkeit um die Krisen des modernen Mannes. Aurel Bereuter führt sie schonungslos komisch vor - ohne Rücksicht auf die eigene Person

Von Renate Zauscher, Dachau

Aurel Bereuter gibt es genau genommen zweimal. Einmal den "echten": den gebürtigen Vorarlberger, den Schauspieler, Musiker, und, ja, auch Landwirt, der nach dem Besuch des Max-Reinhardt-Seminars in Wien an diversen, vor allem deutschen Bühnen gearbeitet und in vielen Fernsehproduktionen mitgewirkt hat. Dann aber auch die Bühnenfigur seines Soloprogramms "Die Psyche der Frau - eine Beziehungssafari", der Bereuter listigerweise den eigenen Namen gegeben hat.

Wie viel "echter" Bereuter im "falschen" steckt? Jeder im Publikum des Dachauer Leierkasten durfte sich am Freitag seine eigenen Gedanken zu dieser Frage machen. Als Bühnenfigur jedenfalls ist Bereuter eine Mitleid erregende und gerade deshalb zu Herzen gehende Gestalt: ein schmaler Mensch, sichtlich nicht mehr so ganz jung, mit Fünf-Tage-Bart und bereits gelichtetem Haar, angetan mit einem schäbigen Bademantel und schwarzen Socken, die in alten Birkenstocks stecken.

Traurig ist nicht nur das Äußere des Mannes, traurig schaut es auch in seinem Inneren aus. Er ist verlassen worden von seiner Sonja. Die Sache mit Sonja liegt zwar schon ein gutes Jahrzehnt zurück, aber der Mann, der da in Selbstmitleid zerfließt, ist über den Verlust seiner Partnerin noch immer nicht hinweggekommen. Im Gegenteil: Nachhaltig pflegt er den Schmerz über diesen Verlust und findet auch bei der Mama keinen Trost, die im gemieteten Ferien-Bungalow kein Notbett für ihn aufstellen will.

Zum Drama um Sonja kommt dazu, dass es wohl auch mit der Schauspielerei nicht mehr so richtig klappt: Die einzige Agentur, die jetzt realerweise noch anrufen könnte, ist die Job-Agentur, und das letzte "Vorsprechen" des Schauspielers hat im Handyladen um die Ecke stattgefunden, wo er sich einen Job erhofft.

Zu wenig starker Mann?

Sonja, erfährt das Publikum, hat Aurel verlassen, weil er ihr - ja was eigentlich? Zu wenig starker Mann war? Oder vielleicht auch nicht weich, nicht einfühlsam genug? Zu viel Bergfex und zu wenig an buddhistischen Lehren interessiert? Sicherlich aber auch, weil er ihr nicht "schwarz" genug war, obgleich Bereuter mittlerweile afrikanische Gene in sich entdeckt hat. Sonja wollte lieber einen "echten" Schwarzen und ist einem kongolesischen Zahnarzt aus der Flüchtlingsunterkunft in Ingolstadt in die Weiten Afrikas gefolgt. "Ihr Frauen", wirft Aurel seiner Sonja und ihren Geschlechtsgenossinnen vor, "ihr habt uns kaputt gemacht mit eurer brachialen Anspruchshaltung."

Die Beschäftigung mit dem, was Aurel Bereuter für die "Psyche der Frau" hält, erlaubt ihm, in die unterschiedlichsten Rollen zu schlüpfen. Er gibt den beruflich und beziehungsmäßig Gescheiterten, der so gern den Faust oder zumindest den Hamlet geben wollte, so glaubhaft-komisch wie im zweiten Teil des Abends den anbiedernden Afrika-Touristen im Plastik-Baströckchen oder, mit schwarzer Wuschelperücke und Sonnenbrille, die Karikatur eines schwarzen Rockstars.

Sonja gerät im Rückblick zum Zerrbild einer Frau, die vor allem eines wollte: reden, über sich und ihre Beziehung. Genauso politisch unkorrekt, ohne Rücksicht auf Befindlichkeiten derer, die schon im "Negerkuss" einen Affront sehen, wird auch das Bild des "Schwarzen" gezeichnet.

Aurel Bereuter treibt die Dinge lustvoll auf die Spitze, steigert sich in groteske Szenen, spielt mit verschiedensten Identitäten und den Bildern, die der Mensch über seine Mitmenschen hat - und wirkt bei alledem immer wieder ergreifend echt.

So echt wie sein Österreichisch-Sein, sein heimatlicher Dialekt, dem auch die vielen Engagements an deutschen Bühnen nichts anhaben konnten, oder der Diskurs, der sich immer wieder ganz spontan mit dem souverän mitspielenden Publikum in der Dachauer Friedenskirche entwickelt. Bleibt die Frage, warum Bereuter trotz aller skurrilen Komik seiner Geschichten auf der Bühne so überzeugend, so unverstellt wirkt? Wahrscheinlich, weil hinter der Maske des Theaterspiels eben doch eine ganze Menge vom "echten" Aurel Bereuter steckt.

Seine Sonja hat Aurel einmal vorgeworfen, er hätte "vergessen, wo die Theaterrollen aufhören und er selber anfängt". Aber auch das Gegenteil ist wahr: Die Maske ist durchlässig und hinter ihr, durch sie hindurch, scheint so viel eigenes, erlebtes Leben durch, dass sich dem niemand im Publikum des Leierkasten entziehen kann.

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