Aufregung:Schöner Wohnen im Zentrum

Der Altomünsterer Bürgermeister Anton Kerle wird in seiner Gemeinde wegen des Ziels kritisiert, das Niemandsland um die Ortsmitte herum attraktiv entwickeln zu wollen. Dabei liegt er nach Expertenmeinung damit genau richtig

Von Wolfgang Eitler, Altomünster

Dem Altomünsterer Bürgermeister Anton Kerle (CSU) wird in der eigenen Gemeinde vorgeworfen, seine Kommunalpolitik auf einen Baustopp in den zahlreichen Ortschaften zu Gunsten des Zentrums von Altomünster auszurichten. Auf der Jahresversammlung der Freien Wähler war er mit dem Satz zitiert worden, nur noch "Neubauten im Hauptort" zulassen zu wollen. Deswegen kritisierte ihn beispielsweise der frühere Gemeinderat Johann Lampl aus Pipinsried: "Ganz abgesehen davon kann sich ein Arbeiterbub aus Pipinsried ein Grundstück in Altomünster gar nicht leisten."

Wie Anton Kerle im Gespräch mit der SZ ausführt, erfasst die Aufregung das von ihm öffentlich skizzierte Entwicklungsproblem der gesamten Gemeinde nur unzureichend. Denn Altomünster muss sich seiner Ansicht nach auf eine Diskussion vorbereiten, die ihren Ausgangspunkt in dem Leitbild des Landkreises Dachau zum Thema "Dorf und Metropole" genommen hat. Alle 17 Kommunen haben vor drei Jahren beschlossen, den ländlichen Raum dadurch zu bewahren, dass die Siedlungsschwerpunkte sich auf die Zentren entlang der beiden S-Bahnen beschränken. Jetzt geht es nach Kerles Ansicht darum, den Anspruch zu realisieren.

Dabei sieht er auf den Hauptort Altomünster zwei zentrale Probleme zukommen. Das erste ist der Flächenverbrauch. Er liegt nach Berechnungen des Lehrstuhls für Raumplanung und Stadtentwicklung an der Technischen Universität München auf der Grundlage der offiziellen Statistiken bei ungefähr 800 Quadratmetern pro Person. Zum Vergleich: 100 sind es in der Großen Kreisstadt Dachau. Bürgermeister Kerle kann die Daten zwar nicht bestätigen, verweist aber auf die großen Baugrundstücke, die in den vergangenen Jahrzehnten in Altomünster ausgewiesen wurden. "Wer da unter 1000 Quadratmetern lag, galt als Kleinhäusler."

altomünster leerstand

Die Bundesstraße 2 könnte durch den Tunnel entlastet werden.

(Foto: SZ-Grafik; Quelle: TU München, Lehrstuhl für Nachhaltige Entwicklung von Stadt und Land, 2017)

Kerles großes Anliegen ist die so genannte Nachverdichtung im Hauptort. Damit ist gemeint, dass bestehende Gebäude innerhalb eines Ortes, die leer stehen oder nicht ausreichend genutzt werden, überdacht und auch überplant werden. Außerdem gibt es eine Vielzahl von freien Grundstücken in Zentrumsnähe. Er nennt ausdrücklich eines an der Halmsrieder Straße. Und er weiß von verwaisten Gebäuden, die er öffentlich nicht benennen will, die sich aber wunderbar für einen noch erschwinglichen Wohnungsbau eignen würden. "Aber die Eigentumsverhältnisse sind oft ungeklärt."

Dieses Leerstandsproblem teilt Kerle mit anderen Gemeinden. Mit Erdweg beispielsweise, wo sich Kommunalpolitiker und Bürger öffentlich darüber aufregen, dass ein Großgrundbesitzer seine Immobilien im Ortszentrum verwahrlosen lässt. In Schwabhausen, einem anderen Beispiel, sind nach Angaben der dortigen Rathausverwaltung 150 Grundstücke innerorts noch nicht bebaut. Da ließen sich locker 400 bis 500 Menschen angenehm unterbringen, was einem größeren Baugebiet in der Randlage entsprechen würde. Unlängst hatte der Röhrmooser SPD-Gemeinderat Gerhard Schmidbauer auf einer Versammlung seiner Partei zu einem Spaziergang durch die Gemeinde eingeladen. "Ich kann den Leerstand aufzeigen." Die offizielle Zahl des Landratsamt dazu lautet: Im ganzen Landkreis stehen mindestens 1800 Wohnungen leer. Wenn es also gelänge, diese Immobilien neu zu gestalten, könnten an die 5000 Menschen im Landkreis ein neues Heim finden. Prognosen des Landesamts für Statistik sagen für den Landkreis ein Wachstum von 149 400 Einwohner auf 175 100 bis 2035 voraus.

Genau darum ging es dem Altomünsterer Bürgermeister Kerle, als er auf einer Bürgerversammlung Ende Januar davon sprach, den Hauptort in den Mittelpunkt der Siedlungspolitik seiner Kommune zu rücken. "Das bedeutet nicht, dass wir keine neuen Baugebiete ausweisen", sagt Kerle. Aber er und seine Mandatsträger im Gemeinderat müssten sich die Frage stellen, ob und wann es sinnvoll ist, ein neues zu genehmigen. Denn die Erfahrung habe gezeigt, dass Bauträger die Häuser nicht an Einheimische verkauften, weil sie denen zu teuer sind. Zwar sei es möglich, einige Grundstücke für Einheimische vorzubehalten, aber es stelle sich schon die Frage, ob es nicht besser wäre - auch in Pipinsried, um bei diesem Beispiel zu bleiben -, die innerörtliche Entwicklung voranzutreiben. Mit anderen Worten: Neue Baugebiete zu schaffen, bloß um ein paar Einheimische zu bedienen, ist nicht der richtige Weg. Vor allem stellt Bürgermeister Kerle einen neuen Trend bei den jungen Leuten "weg vom Doppelhaus mit Garten" fest. Sie zögen attraktive, innerörtliche Wohnformen vor.

Aufregung: Anton Kerle (CSU), Bürgermeister in Altomünster.

Anton Kerle (CSU), Bürgermeister in Altomünster.

(Foto: Toni Heigl)

Kerles Beobachtung passt zu den Erkenntnissen von Mark Michaeli, der an der Technischen Universität München den Lehrstuhl für Nachhaltige Entwicklung für Stadt und Land leitet. In einer seiner Studien über den ländlichen Raum in Bayern heißt es, dass "es an mietbarem Wohnraum für Singles und junge Paare fehlt". Gleiches gelte "für ältere Menschen, abseits von Eigenheimen und Pflegeeinrichtungen wirtschaftlich orientierter Betreiber". Michaelis Untersuchungen haben gezeigt, dass sich um die Ortszentren nicht nur in Bayern teils verwahrlost wirkende Gebäudekomplexe gelegt haben. Sie bestehen aus Leerständen oder aus ehemals landwirtschaftlich genutzten Hallen. Michaelis Idee lautet: "Wir müssen diese Ringe attraktiv gestalten."

Der Städteplaner hat für Altomünster eruiert, wie sich ein Niemandsland um den Ortskern gelegt hat. Deshalb sieht er auch an diesem Beispiel seine These bestätigt, dass gerade die Gemeinden im ländlichen Raum mit einer Diskussion darüber beginnen müssen, wie sie ihre "ortsmittenahen Bereiche" qualitativ hochwertig entwickeln können. Sein Lehrstuhl bietet dazu seit 2011 das "Entwurfslabor", das gemeinsam mit der Politik und der Bevölkerung Ideen für die Zukunft zu finden und auszuformulieren versucht. Ein herausragendes Beispiel dafür ist das niederbayerische Wallersdorf, das mit der Ansiedlung von BMW ganz neue Herausforderungen bewältigen musste. Die Kommunen würden sich zu stark mit dem Mengenproblem befassen und der Frage, wie sie den Siedlungsdruck bewältigen können, sagt Michaeli. Die Antwort darauf gab das Leitbild "Dorf und Metropole" mit der Konzentration auf die Zentren an den S-Bahnen. "Die Qualitative steht noch aus. Die müssen die Kommunen geben", sagt Bürgermeister Anton Kerle. "Da sind wir noch ganz am Anfang."

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