Auf Einsatzfahrt mit dem BRK:In Alarmbereitschaft

Marie Praß Cuenca ist die einzige Frau und gleichzeitig auch die Jüngste im Führungskreis des Rettungsdienstes des BRK-Kreisverbandes Dachau. Als stellvertretende Wachleiterin versorgt die 22-Jährige Verletzte, schreibt Dienstpläne und koordiniert den Fahrzeugeinsatz

Von Stephanie Noll

Dachau - Es ist 14.20 Uhr, ein durchdringender Alarmton erfüllt die Fahrzeughalle der Rettungswache in Gröbenried bei Dachau. Das ist das Signal, der erste Einsatz der Schicht beginnt. Von jetzt an haben die Rettungskräfte zwei Minuten Ausrückzeit, dann geht es mit Blaulicht und Martinshorn zum Einsatzort.

Im Rettungswagen sitzen der Rettungssanitäter Leonardo Hauk und die Rettungsassistentin Marie Praß Cuenca. Sie ist mit 22 Jahren die einzige Frau und gleichzeitig die Jüngste in der Führungsriege des Rettungsdienstes des Bayerischen Roten Kreuzes (BRK) im Kreisverband Dachau. Dazu zählen die Wachleiter und ihre Stellvertreter an den drei Standorten in Gröbenried/Dachau, Odelzhausen und Markt Indersdorf. Seit 1. Dezember hat Praß Cuenca hauptamtlich die Position als stellvertretende Wachleiterin inne, vorher absolvierte sie bereits ihre Ausbildung als Rettungsassistentin in Dachau und hat mittlerweile zahlreiche Einsätze erlebt.

Zum ersten Einsatz müssen die BRKler diesmal nach Dachau Ost. Eine ältere Dame kann nicht mehr alleine aufstehen. Der Hausnotrufdienst hat die Rettungskräfte alarmiert, jetzt müssen sie auf den Schlüsseldienst warten, der den hinterlegten Ersatzschlüssel vom Rotkreuzplatz an den Einsatzort bringt. Die Frau ist glücklicherweise ansprechbar, es ist nicht notwendig, die Tür gewaltsam zu öffnen. Die Wartezeit kommt einem trotzdem relativ lang vor. Bevor der Schlüsseldienst schließlich eintrifft, haben die hilfsbereiten Nachbarn einen anderen Ersatzschlüssel zur Hand, sodass die Wohnungstür geöffnet werden kann. Die Frau klagt über starke Schmerzen im unteren Rückenbereich. "Wahrscheinlich handelt es sich um einen eingeklemmten Nerv", vermutet Praß Cuenca nach eingehender Untersuchung der Patientin. Da die Schmerzen relativ heftig zu sein scheinen und nicht an Ort und Stelle behoben werden können, fällt schnell die Entscheidung, dass ein Transport in die Notaufnahme des Dachauer Krankenhauses nötig ist. Mit einem sogenannten Raupenstuhl tragen die beiden Rettungskräfte vorsichtig die Patientin das Treppenhaus hinunter.

Auf Einsatzfahrt mit dem BRK: Als Rettungsassistenz sitzt Marie Praß Cuenca immer auf dem Beifahrersitz.

Als Rettungsassistenz sitzt Marie Praß Cuenca immer auf dem Beifahrersitz.

(Foto: Toni Heigl)

Im Rettungswagen fragt Praß Cuenca die Frau unter anderem wie alt sie ist, welche Medikamente sie einnimmt und wie genau die Schmerzen entstanden sind. Dadurch kann sie einerseits dem Krankenhaus vorab die notwendigen Informationen liefern, andererseits dient es der Absicherung. Jeder Fall wird so dokumentiert.

Herzinfarkte und Schlaganfälle gehören zu den häufigsten Fällen, zu denen der BRK-Rettungsdienst Dachau ausrücken muss, meist bei älteren Patienten. Insgesamt ist die Anzahl der Einsätze in den letztes drei Jahren massiv angestiegen, erklärt Dennis Behrendt von der Kreisgeschäftsstelle. Jedes Jahr jeweils um zehn Prozent. Auch die Fehleinsätze haben zugenommen. So erlebt es Marie Praß Cuenca bei ihrer täglichen Arbeit: "Es stimmt schon, dass die 112 inzwischen schneller gewählt wird als früher." Das möchte sie jedoch nicht verurteilen, im Zweifel sei es ihr lieber, wenn die Leute anrufen.

Ein größeres Problem sieht sie in der zunehmenden Gewalt gegenüber Rettungskräften: "Das passiert nicht unbedingt nur in alkoholisiertem Zustand, sondern auch einfach aus Unmut." An Silvester seien Böller unter die Rettungswägen geworfen worden. Auch bei Einsätzen werden die Helfer bedroht. Eine bedenkliche Entwicklung.

Auch der zweite Patient an diesem Tag ist jedoch einfach nur froh, die BRK-Leute zu sehen. Es handelt sich um einen Arbeitsunfall, ein Mann mittleren Alters hat sich beim Flexen am Finger verletzt. Ein Splitter ist abgesprungen, der den Schnitt verursacht hat. Der Vorfall ist eine Sache für die Berufsgenossenschaft, er muss daher entweder im Krankenhaus oder von einem Durchgangsarzt aufgenommen werden. Der Patient entscheidet sich dafür, mit dem Rettungswagen in die Notaufnahme Dachau gefahren zu werden.

Auf Einsatzfahrt mit dem BRK: Wenn der Alarm schrillt, ist Eile geboten. Zwei Minuten haben Marie Praß Cuenca und ihre Kollegen beim BRK-Rettungsdienst Zeit, um mit den Fahrzeugen auszurücken.

Wenn der Alarm schrillt, ist Eile geboten. Zwei Minuten haben Marie Praß Cuenca und ihre Kollegen beim BRK-Rettungsdienst Zeit, um mit den Fahrzeugen auszurücken.

(Foto: Toni Heigl)

Nachdem Praß Cuenca und Hauk den Mann im Krankenhaus abgeliefert haben, bleibt etwas Zeit zum Durchatmen. Wenn gerade kein Einsatz ansteht, geht es locker zu, ein paar Scherze sind immer drin. "Das hilft auch, um mit dem, was man erlebt, besser umgehen zu können", sagt Praß Cuenca. Leonardo Hauk lobt das sehr gute kollegiale Klima bei der Rettungswache Dachau. Das sei nicht selbstverständlich, da hätte er auch schon anderes erlebt. Beide fühlen sich wohl bei ihrer Arbeit, die Belastung sei in Ordnung, auch wenn Hauk zugibt, dass vier Nachtschichten hintereinander schon mal hart seien. Insgesamt 80 Menschen arbeiten beim BRK-Rettungsdienst des Kreisverbandes Dachau. Sie sind an 365 Tagen im Jahr 24 Stunden am Tag im Einsatz. Die Einsatzzeiten sind in drei Acht-Stunden-Schichten aufgeteilt: Von sechs bis 14 Uhr, 14 bis 22 Uhr und 22 bis 6 Uhr.

Nachdem die ersten beiden Einsätze des Tages verhältnismäßig harmlos waren, sieht es beim nächsten Fall für Hauk und Praß Cuenca etwas anders aus. "Vitale Bedrohung" heißt es diesmal von der Integrierten Leitstelle in Fürstenfeldbruck, bei der alle Anrufe zusammenlaufen. Wenn Lebensgefahr beim Patienten besteht, wird automatisch auch der Notarzt informiert. Ein Kind im Grundschulalter hat starke Krämpfe, die Mutter hatte den Rettungsdienst alarmiert.

Auf Einsatzfahrt mit dem BRK: "Dabei sein, wenn's drauf ankommt!". Dieser Slogan, einige Symbole und ein Porträt des Begründers des Internationalen Roten Kreuzes, Henry Dunant, schmücken den Maibaum vor der Rettungswache in Gröbenried.

"Dabei sein, wenn's drauf ankommt!". Dieser Slogan, einige Symbole und ein Porträt des Begründers des Internationalen Roten Kreuzes, Henry Dunant, schmücken den Maibaum vor der Rettungswache in Gröbenried.

(Foto: Toni Heigl)

Wenn Kinder die Notfall-Patienten sind, ist das eine besondere Situation, die auch den Rettungskräften nahegeht. Praß Cuenca berichtet, dass sie es erst am Vortag mit einem Fall zu tun gehabt habe, bei dem sich ein Kind mit einer Tasse Kaffee an Arm, Brust, Hals und Gesicht verbrüht hatte. Das sei ein Einsatz gewesen, der ihr wohl noch etwas im Gedächtnis bleiben werde. Bei dem Kind mit den Krampfanfällen äußert der Notarzt den Verdacht auf Meningitis, also Hirnhautentzündung. Es besteht eine hohe Ansteckungsgefahr, Mundschutz ist Pflicht und nur die Leute, deren Anwesenheit zwingend notwendig ist, befinden sich im Zimmer. Das sind in diesem Fall der Notarzt und die Rettungsassistentin, die anderen warten draußen. Nach der Erstuntersuchung steht fest, dass das Kind zur Behandlung in ein Krankenhaus in München gebracht wird.

In solchen Fällen gelten besonders strenge Hygienevorschriften. Alle Geräte und Gegenstände im Umfeld des Patienten müssen intensiv und gründlich desinfiziert werden. Auch die beteiligten Rettungskräfte müssen ihre Hände besonders gründlich reinigen. Marie Praß Cuenca achtet darauf, dass solche Vorgaben eingehalten werden. Das geht auch, ohne dabei zu sehr auf Hierarchien zu pochen, denn obwohl sie im Dezember zur stellvertretenden Wachleiterin befördert wurde, steht der Teamgedanke für sie an erster Stelle.

"Wir verbringen viel Zeit zusammen, müssen gemeinsam anspruchsvolle Einsätze meistern oder uns in Gefahrensituationen begeben. Das verbindet", sagt sie. Ob sie trotzdem das Gefühl hat, seit ihrer Beförderung anders behandelt zu werden? "Am Anfang hatte ich schon etwas das Gefühl, dass genau beobachtet wird, was ich mache. Aber im Prinzip ist es nur so, dass einige Nebenaufgaben wie etwa die Koordination von Dienstplänen und Fahrzeugen dazugekommen sind. Ich bin jetzt in einer Position, um etwas zu verändern, das finde ich cool."

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