Arbeitsverbot für Flüchtlinge:"Es ist eine Katastrophe"

Mit Frust und Verzweiflung reagieren die betroffenen Flüchtlinge auf den Erlass eines Arbeitsverbots, in den Helferkreisen im Landkreis herrschen Wut und Entsetzen. Die Ehrenamtlichen sehen ihre Arbeit vom Staat torpediert. In der Kritik steht auch das Landratsamt

Von Benjamin Emonts, Dachau

Mit Mohamed F. hat Peter Barth an diesem Vormittag nicht gerechnet, er sieht den Flüchtling aus dem Senegal zum ersten Mal. Der 30-Jährige sitzt in seinem Büro gemeinsam mit drei weiteren Asylbewerbern. Bis Mohamed F. zu Wort kommt, blickt er apathisch ins Leere. Dann sagt er in einwandfreiem Deutsch: "Ich kann nicht mehr richtig schlafen. Ich habe keine Hoffnung mehr in Deutschland." Doch einfach so aufzugeben, kommt für Mohamed nicht in Frage. "Wir haben eine Petition geschrieben", sagt er zu Barth. "Können Sie sie bitte für uns korrigieren?" Barth, der sich im Asylhelferkreis Hebertshausen engagiert, sagt sofort zu. Das Arbeitsverbot, das die bayerische Staatsregierung gegen Asylbewerber aus Senegal, Ghana und einigen Balkanstaaten verhängt hat, findet auch er nicht richtig. Das tut keiner der ehrenamtlichen Asylhelfer im Landkreis.

Insofern kann sich Mohamed F. sicher sein, dass die etwa 250 Bürger, die sich im Landkreis ehrenamtlich für Flüchtlinge engagieren, seine Petition unterzeichnen werden. Seit mehr als zwei Jahren unternehmen die Helferkreise alles Erdenkliche, um die vorwiegend afrikanischen Asylbewerber zu integrieren: Sie bringen ihnen Deutsch bei, erledigen Einkäufe und Behördengänge, vermitteln Arbeitsplätze. Und nun sollen all die Mühen und Tausende von Arbeitsstunden vergebens gewesen sein - zunichte gemacht, durch einen einzigen politischen Handstreich.

Arbeitsverbot für Flüchtlinge: In der Änderungsschneiderei von Natalia Dinges sollte der Senegalese Abdu Lahat Seck Ende Mai eine Arbeit bekommen.

In der Änderungsschneiderei von Natalia Dinges sollte der Senegalese Abdu Lahat Seck Ende Mai eine Arbeit bekommen.

(Foto: Toni Heigl)

Die Anweisung des bayerischen Staatsministers vom 31. März besagt, dass Flüchtlingen aus "sicheren Herkunftsländern" künftig keine Arbeitserlaubnis mehr erteilt werden darf. Es ist eine Maßnahme, mit der Bayern insbesondere dem Flüchtlingszustrom aus den Balkanstaaten entgegenwirken will. Im Landkreis Dachau sind mehr als 60 Asylbewerber unmittelbar von dem neuen Erlass betroffen. Bestehende Arbeitsgenehmigungen, die ihnen erteilt wurden, werden nicht verlängert. Selbst Ausbildungsplätze, die sie bereits in der Tasche haben, dürfen sie nicht mehr antreten. Und Asylbewerber, welche die Berufsschulen besuchen, können lediglich das laufende Schuljahr beenden.

Die Reaktionen der Helferkreise auf den bayerischen Alleingang sind allerorts negativ: Sie reichen von Wut über Depression bis hin zu Hilf- und Fassungslosigkeit. "Wie soll ich einem Flüchtling aus dem Senegal erklären, dass er nicht mehr arbeiten darf, während ein Nigerianer jeden Morgen zur Arbeit geht?", fragt Monika Sedlatschek. Erst kürzlich konnte die dritte Bürgermeisterin der Gemeinde Erdweg den Betreiber des örtlichen Wirtshauses davon überzeugen, sechs der Afrikaner mit Küchen- und Putzarbeiten bei sich zu beschäftigen. "Doch jetzt dürfen diese Personen nicht mehr arbeiten", beklagt sie. "Es ist eine Katastrophe."

Verlorene Hoffnung

Mohamed F., 30, Flüchtling aus dem Senegal, ist seit eineinhalb Jahren in Deutschland. Als er erfuhr, dass über die senegalesischen Asylbewerber ein Arbeitsverbot verhängt wurde, übergab er folgenden Brief an den Asylhelferkreis Gröbenried:

Wir sind Senegalesen in Deutschland, einige von uns seit mehr als vier Jahren, die meisten seit durchschnittlich zwei Jahren. Anfangs taten wir uns schwer, da wir kein Deutsch sprachen und weder die Kultur noch die Menschen hier kannten. Deutschland blieb für uns Senegalesen ein fernes Land, rätselhaft und auf sich selbst bezogen, ein Land, vor dem man Angst hatte und dem man fern bleiben wollte. War es doch während des Krieges das faschistische Land, das den Krieg mit seinen Millionen von Toten verschuldet hatte. Deutschland hatte bei uns den Ruf, dass man dort nicht das Recht hatte zu leben, wenn man nicht weißer Hautfarbe war.

Aber in unserem Land war das Risiko zu hoch, unsere Sicherheit als Bürger und als Menschen nicht mehr gewährleistet. So haben wir das Wagnis einer Flucht auf uns genommen, Todesgefahren wie das Verdursten in den Wüsten und Ertrinken im Mittelmeer in Kauf genommen. Bei der Ankunft in Dachau waren wir überwältigt von dem warmherzigen Empfang, den uns der Bergkirchener Bürgermeister Simon Landmann, die Caritas und die freiwilligen Helfer bereitet haben. Sie alle kümmerten sich um unsere Integration, indem sie uns erste Deutschkurse im Haus, dann Aufbaukurse in der Berufsschule und in den Beruflichen Fortbildungszentren der Bayerischen Wirtschaft (bfz) organisierten. Als wir nach neun Monaten Wartezeit Arbeitserlaubnis erhielten, vermittelten sie einigen von uns Arbeitsstellen. Die Sprachkurse und die Arbeit haben uns neue Perspektiven eröffnet und unser Vertrauen in die Zukunft gestärkt.

Eine Anweisung aus dem Bayerischen Innenministerium vom 31. März bestimmt nun, dass Asylbewerber aus "sicheren Drittländern" - wozu Senegal gezählt wird - ab sofort keine Arbeitserlaubnis mehr erhalten. Unsere Hoffnung ist mit einem Schlag zunichte gemacht.

Viele Helferkreise wie der in Erdweg haben mittlerweile wütende Protestbriefe versandt - an das Staatsministerium, das Landratsamt und einzelne Landtagsabgeordnete. Die Helferkreise sehen sich von der Staatsregierung im Stich gelassen. "Unsere jahrelange, unermüdliche Arbeit wird durch das Beschäftigungsverbot konterkariert", sagt Peter Barth. Der 67-Jährige hat dem bayerischen Innenminister Joachim Herrmann eine seitenlange Liste zukommen lassen, in denen er die Einzelschicksale der betroffenen Asylbewerber beschreibt. "Wenn Sie ein individuelles Interesse an einer Beschäftigung von Asylbewerbern aufgeben", so schreibt er an den Minister, "dann könnten Helferkreise die Lust am Helfen verlieren. Wir bitten Sie: Nehmen Sie diese Maßnahme zurück." Auf eine Antwort wartet Barth bis heute. Emmo Frey vom Helferkreis Gröbenried mutmaßt: "Vielleicht ist unserer Regierung die große Hilfsbereitschaft im ganzen Land nicht geheuer."

Gleichzeitig üben die Helferkreise Kritik an der Informationspolitik des Dachauer Landratsamts. "Die betroffenen Asylbewerber wurden von der Behörde nicht einmal über das Arbeitsverbot informiert", beklagt Peter Barth. So blieb das Überbringen der schlechten Nachricht letztlich an den Ehrenamtlichen aus den Asylhelferkreisen hängen.

Von amtlicher Seite erfahren die Flüchtlinge erst dann vom Beschäftigungsverbot, wenn die Ausländerbehörde des Landratsamts ihren Antrag auf Arbeitserlaubnis schriftlich beantwortet hat. Dass dem Großteil der Flüchtlinge die Abschiebung droht und sie bald schon zur Tatenlosigkeit verdammt sein werden, stelle für die Asylhelfer "natürlich eine hohe menschliche und emotionale Belastung dar, die sich generell aber nicht vermeiden lässt", hat Landrat Stefan Löwl (CSU) inzwischen auf einen Protestbrief des Schwabhausener Helferkreises geantwortet. Aber: "Auch Ihnen in den Asylhelferkreisen sollte bewusst sein, dass ein Großteil der Flüchtlinge und Asylbewerber nicht dauerhaft bei uns bleiben kann und wird."

Der Flüchtling Mohamed F. stellt klar: "Wir wollen nicht zu Hause bleiben und einfach nur Essensgeld kassieren. Wir wollen arbeiten." Dafür will er gemeinsam mit den Asylhelferkreisen kämpfen. Peter Barth spielt mittlerweile mit dem Gedanken, bayernweit Asylbewerber und ihre Helfer für einen Marsch nach München zu mobilisieren.

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