S-Bahn:Lokführer dringend gesucht!

S-Bahn: Dachau Landkreis S-Bahn Reportage S 2 nach Altomünster mit Zugführer David Bieler Foto: Heigl

Dachau Landkreis S-Bahn Reportage S 2 nach Altomünster mit Zugführer David Bieler Foto: Heigl

(Foto: Toni Heigl)
  • Die Bahn hat Probleme, Lokführer für die Münchner S-Bahnen zu finden.
  • Derzeit werden 114 neue S-Bahn-Führer gesucht, weitere Stellen für Quereinsteiger und Azubis sind unbesetzt.
  • Um Interessenten zu locken, lässt sich die Bahn einige "Zuckerl" einfallen.

Von Robert Stocker, Dachau

Eigentlich ist alles ganz übersichtlich. Links und rechts vom Fahrersitz leuchten zwei Displays auf, die Daten zum Fahrplan und zur Strecke und Informationen über die Technik des Zuges anzeigen. Unterhalb des rechten Bildschirms ist ein Tableau mit Druckknöpfen installiert, etwa für die automatische Türöffnung oder die Notsprechanlage. Das zentrale Instrument für den Lokführer ist aber ein Hebel. Wenn man ihn vorschiebt, fährt die S-Bahn los, wird er hinter die Null-Position zurückgesetzt, bremst der Zug.

Hört sich einfach an, ist es aber beileibe nicht. Der Triebwagenführer braucht Gefühl und Erfahrung dafür, wann er das Tempo drosseln muss, wann er die Bremsung einleiten muss, damit der Zug nicht ruckartig in den Bahnhof rumpelt. Weil die Geschwindigkeit manuell geregelt wird, muss er auch auf den Tacho achten. Auch das Wetter spielt eine Rolle. Wenn im Herbst nasses Laub auf der Strecke liegt, bildet sich auf den Gleisen ein Schmierfilm. Dann ist der Bremsweg der S-Bahn länger. "Wir müssen immer hellwach sein", sagt David Bieler. "Und schnell auf Störungen reagieren."

Der 32-Jährige ist regelmäßig auf der Strecke der S 2 unterwegs, auch auf dem Nebenast nach Altomünster. Seit 13 Jahren ist er jetzt Lokführer bei der Münchner S-Bahn. Zudem bildet Bieler angehende Kollegen am Fahrsimulator aus. Mit dem Gerät werden auch Fahrten unter Bedingungen simuliert, wie sie bei schlechtem Wetter herrschen. Lokführer müssen für alle Situationen gewappnet sein. Sie sind derzeit bei der Münchner S-Bahn dringend gesucht.

Viele haben aus Altersgründen ihren Dienst quittiert, Lokführer aus den neuen Bundesländern haben einen Job in der alten Heimat gefunden. Der neue Tarifvertrag sieht einen Abbau von Überstunden vor, gleichzeitig fallen mehr Fahrten an, weil der S-Bahn-Verkehr verdichtet wurde. Die Bahn warb in den vergangenen Wochen mit einer großen Kampagne um neue Kräfte. 114 neue S-Bahn-Lokführer werden gesucht, 90 Stellen für Quereinsteiger, 24 für junge Leute, die im Herbst 2017 eine dreijährige Ausbildung zum Lokführer starten.

Ein psychologischer Eignungstest ist Pflicht

Lokführer galt früher als Traumberuf. Jeder zweite Bub träumte einmal davon, als Erwachsener einen Zug zu steuern. Der Reiz, Herr über eine Lokomotive zu sein, hat offenbar deutlich nachgelassen. Junge Leute ziehen einen Arbeitsplatz am Computer dem Führerstand einer Lokomotive vor. Die Bahn muss deshalb um Nachwuchs werben. Die Kampagne sprach nicht nur Schulabgänger an, sondern vor allem Quereinsteiger, die schon eine abgeschlossene Berufsausbildung haben. Sie absolvieren eine sogenannte Funktionsausbildung zum Triebfahrzeugführer, die maximal zehn Monate dauert. Außerdem müssen sie einen psychologischen Eignungstest machen - denn Lokführer stehen immer unter Strom und müssen belastbar sein. Sie tragen auch eine hohe Verantwortung. In einem vollbesetzten Vollzug der S-Bahn sitzen immerhin 800 Fahrgäste. Und häufig hat der Lokführer direkten Kontakt mit den Kunden.

Im Großraum München herrscht nahezu Vollbeschäftigung. Da ist es nicht so einfach, Menschen mit anderen Jobs zur Bahn zu locken. Das Unternehmen bietet Interessenten einige Zuckerl an. Die Bahn vermittelt ihnen Plätze für die Kinderbetreuung. Das Angebot ist besonders für Alleinerziehende interessant. "Wir wollen den Anteil von Frauen bei den Lokführern steigern", erklärt Bahnsprecher Bernd Hohnerkamp. "Wir kaufen Plätze in den Betreuungseinrichtungen ein." Beim Schichtplan werde auch Rücksicht auf die Mütter genommen. Außerdem hilft die Bahn bei der Wohnungssuche und fördert individuelle Gesundheitsmaßnahmen.

Lokführer arbeiten im Schichtdienst, bis zu elf Stunden am Stück

Mit der Funktionsausbildung erwerben die Teilnehmer einen international anerkannten Lokführerschein. Sie vermittelt fachliche Grundlagen zum Bahnbetrieb, Betriebsregeln und Kenntnisse zum Rangieren von Zügen. Außerdem werden die Teilnehmer unterrichtet, wie sie Stress bewältigen und Konflikte vermeiden können. Lokführer brauchen ein technisches Grundverständnis. Sie müssen aber auch mit physischen und mentalen Belastungen umgehen können. Sie werden in einem Schichtdienst eingesetzt, manchmal tagsüber, manchmal nachts, der bis zu elf Stunden dauern kann. "Wir müssen Stunden lang fit im Kopf sein", so Bieler. Die S-Bahn fährt auch an Sonn- und Feiertagen. Der Job nimmt keine Rücksicht darauf, ob der Lokführer und Vater Geburtstag hat. Das wirkt sich auch auf das Leben seiner Familie aus.

David Bieler ist mit der Strecke der S 2 bestens vertraut. Auch den Nebenast von Dachau nach Altomünster kennt er aus dem ff. Er weiß genau, an welchen Stellen er die Geschwindigkeit reduzieren muss, weil der Zug gleich einen unbeschrankten Bahnübergang passiert. Darauf weisen auch Tafeln mit einem "D" an der Strecke hin. Bieler löst einen Pfeifton aus, der andere Verkehrsteilnehmer vor der herannahenden S-Bahn warnt. Wenn er über einen sogenannten Rautenkontakt an den Gleisen fährt, leuchtet einige Meter weiter ein Signal auf. Es zeigt dem Lokführer an, dass sich die Schranken am nächsten Bahnübergang schließen. Alle 30 Sekunden muss er mit dem Fuß auf ein Pedal im Führerstand drücken.

Dadurch registriert der Fahrdienstleiter, dass der Lokführer Herr seiner Sinne ist. Bieler ist mit diesen Regeln bestens vertraut, ebenso mit der Strecke, auf der er "jeden Schotterstein" kennt. Er liebt es, mit der S 2 nach Altomünster zu fahren. "Landschaftlich ist es sehr schön", sagt Bieler. Von dem Ort selbst hat er noch nicht viel gesehen. Dafür ist die Wendezeit der Züge zu kurz, die in der Hauptverkehrszeit 13 Minuten beträgt. Manchmal fährt er nachts mit dem letzten Zug zur Endhaltestelle. Dann stellt er die S-Bahn auf einem Nebengleis ab und übernachtet in einem Betriebsgebäude. Bevor er ins Bett geht, muss er die S-Bahn für den Einsatz am Morgen des nächsten Tages checken. Da bleiben nur noch wenige Stunden Schlaf. Die Nacht kann ziemlich kurz für einen Lokführer sein.

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