Amtsgericht:Student baut Marihuana-Plantage im Garten der Eltern an

Hanfpflanzen

Auf "riesige Hanfbäume" hingewiesen hat ein Spaziergänger die Polizei Dachau per Mail.

(Foto: Abir Sultan/dpa)
  • Ein Student baut auf dem elterlichen Grundstück Marihuana in großem Stil an.
  • Ein Spaziergänger macht die Polizei auf die "riesigen Hanfbäume" aufmerksam.
  • Jetzt muss sich die gesamte Familie vor dem Dachauer Schöffengericht verantworten.

Aus dem Gericht von Benjamin Emonts

Die Geschichte vor dem Dachauer Amtsgericht klingt wie aus einem klischeehaften Kifferstreifen. Auf der einen Seite wäre da der Polizist, der einem anonymen Hinweis folgt und sich auf eigene Faust in die Wildnis begibt. Im Ledergewand und mit einem Feldstecher bewaffnet, erblickt er an einem Hang die stattliche Marihuana-Plantage inmitten der ländlichen Idylle. Dann plötzlich Stimmen. Zwischen den mannshohen Pflanzen stechen die Köpfe junger Männer heraus. Als sie sich entfernen, macht sich der Polizist auf die Verfolgung. Auf einem Anwesen legt er einem der jungen Männer Handschellen an und holt Verstärkung. Eine filmreife Aktion, wie gesagt.

Doch so unterhaltsam sie klingen mag - für den jungen Mann und seine Eltern wurde die Sache ziemlich bald ziemlich ernst. Alle drei mussten sich am Mittwoch vor dem Dachauer Schöffengericht verantworten, der Sohn wegen vorsätzlichen unerlaubten Handels mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, seine Eltern wegen der Beihilfe zum Handeltreiben. Sie sollen den Anbau im Jahr 2015 angeblich unterstützt und bei der Pflege geholfen haben. Denn die Marihuana-Plantage aus acht großen, buschigen Pflanzen befand sich in Wirklichkeit nicht irgendwo in der Prärie, sondern auf dem beträchtlichen Anwesen, auf dem die Eltern des jungen Mannes leben.

Die Schilderungen über den 2,5 Hektar großen Garten klingen geradezu romantisch. Alte verwunschene Holzhütten, wild wachsende Wiesen, Blumenbeete, Brennnesselfelder, ein angrenzender Wald. Auf einem Südhang, der von der Sonne geflutet wird, schließlich die Marihuana-Pflanzen, die sich offensichtlich sehr wohl fühlten. Der Hang liegt an einer vom restlichen Anwesen abgewandten Geländekante, was für die weitere Verhandlung noch eine Rolle spielen sollte. Die acht Pflanzen hatte der 29-jährige Angeklagte als Vorsichtsmaßnahme gegen Schädlinge mit Maschendraht umzäunt. Es laufen natürlich auch Rehe durch den Garten, so erzählte der Angeklagte.

Zu seinem Verhängnis wurde, dass die Plantage einem Spaziergänger aufgefallen war, der die Polizei per Mail auf "riesige Hanfbäume" hinwies. In der Dachauer Dienststelle hielt man das für eher unwahrscheinlich, wie der Polizist vor Gericht einräumte. Trotzdem schickte man den Mann auf eine kleine Erkundungstour, die dann überraschend in Verfolgungsszenen endete. Die Beamten stellten die blühenden, aber noch etwas unreifen Pflanzen sicher und gaben die Ermittlungen wegen der erheblichen Menge an die Kriminalpolizei Fürstenfeldbruck weiter.

Der Sachbearbeiter berichtete anschaulich, dass er die Pflanzen "getrocknet und gepflückt" habe. Auf der Waage landeten schließlich 4,5 Kilogramm "grünes Material", wovon der Großteil Blätter waren, die einen deutlich geringeren Anteil am Cannabis-Wirkstoff Tetrahydrocannabinol (THC) als die Blütenstände vorweisen. Die Gesamtmenge an reinem Wirkstoff betrug 107 Gramm, das 14,5-fache einer nicht geringen Menge. Bereits bei sieben Gramm reinem THC liegt ein Verbrechenstatbestand vor.

"Botanisch bin ich gut bewandert"

Für den 29-Jährigen, der ein Kind hat und bald sein Studium beendet, ging es folglich darum, mit einer Bewährungsstrafe davonzukommen. Sein forscher Verteidiger hatte ihm geraten, sich zu den Vorwürfen nicht zu äußern. Die Beweise hielt der Verteidiger für nicht verwertbar. Der Polizist habe einen "Kapitalfehler" begangen, indem er das Anwesen ohne richterlichen Beschluss erkundet habe, sagte der Anwalt. Er wollte ein "Beweisverwertungsverbot" geltend machen. Amtsrichter Lukas Neubeck und der Vertreter der Staatsanwaltschaft hatten dafür jedoch nur ein süffisantes Lächeln übrig.

Der Polizist habe zunächst nicht erkennen können, sich auf einem Privatgrundstück zu befinden und anschließend habe sich Gefahr in Verzug ergeben. Neubeck machte dem Angeklagten klar: "Es wäre an der Zeit, sich zu äußern." Das tat der 29-Jährige nach einer kurzen Unterbrechung dann auch. Er gestand, die Pflanzen angebaut zu haben, "aber ohne Kenntnis meiner Eltern".

"Botanisch bin ich gut bewandert", sagte die Mutter. "Aber meine Pflanzen habe ich auf der Terrasse." Beide Elternteile bestritten, von der Plantage gewusst zu haben. Sie wiesen auf die Unübersichtlichkeit des Grundstücks hin, den Südhang wollen sie monatelang nicht betreten haben. Das Schöffengericht hielt die Angaben für plausibel und sprach die Eltern frei. Ihr Sohn aber wurde wegen des unerlaubten Besitzes in nicht geringer Menge mit einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt. Sein Glück war, dass die Qualität des Grases "äußerst schlecht" war, so betonte der Staatsanwalt. Ein Handeltreiben konnte dem jungen Mann nicht nachgewiesen werden.

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