Amtsgericht Dachau:Versöhnliche Umarmung

Der Unfall endete für die Radfahrerin tödlich. Die Autofahrerin macht sich deswegen noch immer Vorwürfe, doch der Prozess gegen sie findet ein seltenes und ungewöhnliches Ende.

Matthias Pöls

Die 32-jährige Angeklagte hat das letzte Wort vor der Urteilsverkündung. Mit rotem Gesicht, verquollenen Augen und tränenerstickter Stimme dreht sie sich zum Ehemann des Unfallopfers um: "Ich möchte mich entschuldigen. Ich weiß, dass das nicht verzeihbar ist, aber es tut mir sehr leid." Der Witwer umarmt sie nach der Verhandlung. Mit diesen ungewöhnlichen und seltenen Gesten der Versöhnung endete ein Prozess vor dem Amtsgericht.

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(Foto: dpa)

Der Schock liegt bereits zwei Jahre zurück, doch für die angeklagte Autofahrerin vergeht kein Tag, an dem sie nicht an den 10. März 2010 denken muss. Bei einem Verkehrsunfall schnitt die alkoholisierte Frau beim Linksabbiegen in der Petershausener Bahnhofsstraße die Kurve und rammte mit ihrem PKW eine entgegenkommende Radfahrerin. Die 65-Jährige erlag ein paar Monate später den Folgen ihrer schweren Verletzungen.

Vor dem Dachauer Amtsgericht musste sich die 32-jährige Fahrerin am Montag wegen fahrlässiger Tötung verantworten. Richterin Petra Nolte verurteilte sie zu einer Geldstrafe von 2700 Euro und entzog ihr den Führerschein für weitere drei Monate. Die Angeklagte hatte schon nach dem Unfall vor knapp zwei Jahren den Führerschein abgegeben. Damit bewegt sich das Urteil am untersten Rand der Strafmöglichkeiten. "Es ist alles ganz unglücklich gelaufen", sagte Richterin Nolte. Bei gleicher Geschwindigkeit hätte bei so einem Sturz auch nichts passieren können.

Gegen 21 Uhr fuhr die 32-Jährige am Tag des Unfalls mit ihrem Wagen von der Arbeit nach Hause. Vorher hatte sie "mit einer Kollegin ein schnelles Bier getrunken", so die Angeklagte. Von der Marbacher Straße bog sie mit etwa Tempo 20 links in die Bahnhofsstraße ab. "Dann gab es einen Knall." An viel mehr erinnert sich die PKW-Fahrerin nicht mehr. "Es ging alles so schnell." Nach der Einschätzung eines Sachverständigen hatte die Frau beim Abbiegen mit ihrem Auto die Kurve geschnitten. Die entgegenkommende Radfahrerin prallte zentral auf den Wagen auf, flog über die Motorhaube und stürzte auf die Straße. Die 65-jährige Radfahrerin hatte keinen Helm getragen und erlitt schwere Kopfverletzungen.

Sie wollte vermutlich aus der Bahnhofstraße nach links in die Marbacher Straße fahren. Durch die A-Säule des Wagens sei der Fahrerin die Sicht versperrt gewesen. Bei ungünstigen Bedingungen könne diese versperrte Sicht einen Zeitraum von drei bis vier Sekunden überdauern. "Durch die A-Säule können manchmal ganze LKW verschwinden."

Andererseits, so erklärte der Gutachter: "Wenn sie die Kurve nicht schneidet, kommt es nicht zur Kollision." Dann wäre die Sicht nicht eingeschränkt gewesen. Damals gab es auf der Fahrbahn in der Bahnhofstraße noch keine Markierung, die richtige Spur sei aber erkennbar gewesen. Doch die Untersuchung des Gutachters ergab auch, dass von 20 Autos etwa fünf diese Kurve ebenfalls schneiden, da der Straßentrichter zur Marbacher Straße verhältnismäßig weitläufig ist.

Der Staatsanwalt forderte für die Angeklagte eine Freiheitsstrafe von neun Monaten auf Bewährung, weil diese fahrlässig gehandelt habe. Der Unfall "ist vermeidbar" gewesen. Dass die Frau getrunken hatte und 0,72 Promille Alkohol im Blut hatte, habe ebenfalls einen Teil dazu beigetragen.

Der Verteidiger hingegen sieht eine Geldstrafe "ausnahmsweise" als ausreichend an. "Die Geschwindigkeit war niedrig, alles beleuchtet." Der ganze Unfall sei die schreckliche Folge dieses Fehlverhaltens gewesen. Seine Mandantin leidet immer noch darunter.

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