Amtsgericht Dachau:Reflexe wie bei Bruce Lee

Blutiger Streit asiatischer Gastronomen mit Volksfestbesuchern endet mit Freispruch des Angeklagten.

Von Gregor Schiegl

Es war schon nach Mitternacht, als die Gruppe im August 2012 nach dem Dachauer Volksfest durch die Altstadt zog. "Wir waren sechs Leute und haben die ganze Straßenseite gebraucht", berichtet eine 26-Jährige, sehr lustig sei es gewesen. Vor einem Thai-Restaurant startete ein Auto, es kam aber nicht durch den Pulk. Was danach genau geschah, ist unklar. Nur so viel:

Es kam zu einer blutigen Auseinandersetzung mit einem Messer, einem Fleischerbeil und einem 70 Kilogramm schweren Schirmständer. Ein 39-jähriger Indersdorfer erlitt dabei tiefe Schnittwunden. Eine war so tief, dass sie im Dachauer Krankenhaus genäht werden musste. Bei der Verhandlung am Dachauer Amtsgericht trat der Indersdorfer gegen den mutmaßlichen Messerstecher, einen 49-jährigen Asiaten, als Nebenkläger auf.

Es gibt zwei Lesarten der Geschichte. Die erste, von der zunächst auch die Staatsanwaltschaft ausging, handelt von einem asiatischen Trio, das schwer bewaffnet über einen Betrunkenen herfällt. Eine Thailänderin, die Inhaberin des Lokals, habe ein großes Fleischmesser aus ihrer Küche geholt und gegen den Indersdorfer geführt. "Ich hatte wirklich Todesangst, dass sie ihn abstechen", schildert die 26-jährige Begleiterin. Auch der Angeklagte bewaffnete sich in der Küche - mit einem Fleischerbeil, Klingenlänge 19 Zentimeter. Damit fuchtelte er vor den Volksfestbesuchern herum. "Es war wie in einem asiatischen Film", sagt die junge Frau.

Das Messeropfer schildert, dass ihn zuvor etwas seitlich an den Rippen getroffen habe, und das mit so einer Wucht, dass es ihn von den Füßen gerissen habe. Dass es ein Schirmständer war, habe er nur von anderen gehört. Die 26-jährige Zeugin behauptete, dass es der Angeklagte war, der den Schirmständer gegen sein Opfer schleuderte. Laut Anklage wog der Betonsockel 70 Kilo. Das Opfer machte selbst kaum Angaben. Zum einen war der Mann mit knapp zweieinhalb Promille stark betrunken, zum anderen hatte es gegen ihn selbst ein Verfahren wegen Beleidigung gegeben, das erst kürzlich eingestellt worden war - allerdings nur vorläufig, weshalb ihm sein Anwalt Zurückhaltung anriet.

Und nun die andere Version der Geschichte, in der der Beleidigungsvorwurf noch eine wichtige Rolle spielt. Davon berichten zwei Anwohnerinnen, eine Mutter und ihre 17-jährige Tochter. Sie verfolgten einen Teil der lautstarken Auseinandersetzung vom Fenster im ersten Stock aus. Nach den Schilderungen der Mutter war der Nebenkläger keineswegs nur Opfer. Er habe die Inhaberin des Thai-Lokals sehr aggressiv angegangen, habe sie mit ausländerfeindlichen Tiraden beschimpft und immer wieder versucht, sie zu treten. Die Zeugin erzählt, wie sie vom Fenster aus heruntergerufen habe: "Herrschaftszeiten, haltet's den zurück. Der ist ja betrunken." Die Stimmung sei sehr aggressiv gewesen.

Der Angeklagte berichtet, wie er die Leute zunächst versucht habe, mit dem Schirmständer zu vertreiben, was aber wenig Eindruck gemacht habe. Jemand habe ihn geschubst, da sei er mit dem schweren Gegenstand gestolpert und auf jemanden gefallen. Er wisse nicht, auf wen. In Panik sei er weggelaufen. Dann aber habe er sich zur Rückkehr entschlossen und aus der Küche des Lokals ein Beil geholt. Damit habe er die Volksfestbesucher vertreiben wollen. Tatsächlich spricht alles dafür, dass es die Lokalinhaberin war, die den 39-Jährigen mit einem Messer verletzt hat, und nicht der Angeklagte. Nach der Tat stellte die Polizei ihr Messer in einem Blumentopf steckend sicher - samt DNA-Spuren eines Mannes. Die Frau ist mit ihrem Lebensgefährten nach Thailand zurückgekehrt und ließ durch ihren Anwalt wissen, dass sie sich nur verteidigt habe.

Die Nachbarin bestätigte diese Version: "Sie hatten Angst und waren froh, als es endlich vorbei war." "Der Mann" - sie meinte den Angeklagten - "hat das Messer aus Verzweiflung geholt." Der Staatsanwalt fand diese Darstellung plausibel. Plausibler jedenfalls als dass drei Asiaten nach Feierabend sich ohne ersichtlichen Grund mit einer Gruppe Betrunkener anlegt, die ihnen zahlenmäßig und körperlich überlegen sind. Er plädierte auf Freispruch. Dem schloss sich Richter Lukas Neubeck an. Der Anwalt der Nebenklage hatte vergeblich eine einjährige Bewährungsstrafe für den Angeklagten gefordert, sowie 1000 Euro Schmerzensgeld für seinen verletzten Mandanten.

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