Amtsgericht Dachau:Intime Fotos und üble Verleumdung

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Um ihre Affäre geheim zu halten, setzt eine 19-Jährige ihren Liebhaber des Verdachts des sexuellen Missbrauchs aus. Aus Angst, wie sie sagt.

Gregor Schiegl

Die 18-Jährige war geschockt, als ihr Freund sie mit den Fotos konfrontierte. Es waren intime Aufnahmen - von ihr. Ein Indersdorfer hatte sie gemacht und ihrem Freund über das Internet zugespielt. Die Auszubildende hatte keine Erklärung, wie die Bilder entstanden waren. Einmal, da sei sie in der Wohnung dieses Mannes gewesen, der doppelt so alt war wie sie. Er habe ihr etwas zu trinken verabreicht. Das einzige, woran sie sich dann noch habe erinnern können, sei ein leichtes Schwindelgefühl gewesen. Das gab sie auf Drängen ihrer Mutter und ihres Freundes auch bei der Polizei zu Protokoll.

Am Montag wurde der Fall vor dem Dachauer Amtsgericht verhandelt - mit der mittlerweile 19-jährigen Auszubildenden auf der Anklagebank. Der Vorwurf: falsche Verdächtigung. Zwar hatte der um einiges ältere Indersdorfer tatsächlich Geschlechtsverkehr mit ihr - von sexuellem Missbrauch kann allerdings keine Rede sein. Die beiden hatten eine heimliche Affäre, die die junge Frau wohl auch lieber weiter geheim gehalten hätte. Richter Lars Hohlstein sprach von einem "ganz besonders unangenehmen Fall von Inanspruchnahme staatlicher Rechtsverfolgung". Die massiven Vorwürfe hatten nämliche umfangreiche Ermittlungen gegen den Indersdorfer ausgelöst. Sein persönliches Umfeld wurde durchleuchtet, Bekannte und Nachbarn ausführlich befragt, die Akten füllen zwei volle Ordner. Allerdings fanden die Beamten schnell eine Reihe von Hinweisen darauf, dass die Vorwürfe haltlos waren. So ist das angeblich betäubte Opfer auf den Fotos putzmunter zu sehen. "Diese Geschichte war von Anfang an zum Scheitern verurteilt", meinte der Richter.

Die junge Frau hatte doch darauf gesetzt: Sie habe sich das ausgedacht, um keinen Ärger mit ihrem Freund zu bekommen. "Ich hatte Angst, schlicht und ergreifend." Aber es habe ja keine echten Beweise für einen Übergriff gegeben, deswegen sei sie davon ausgegangen, dass die Ermittlungen gegen den Beschuldigten wieder eingestellt würden. "Sie sind der Beweis: Sie sind die Zeugin", hielt ihr der Staatsanwalt vor. Bei sexuellem Missbrauch stehe fast immer Aussage gegen Aussage. Dennoch würden auch unter solchen Konstellationen viele Angeklagte verurteilt. "Das dient auch dem Schutz der Frauen."

Was eine falsche Verdächtigung dieser Art auslösen kann, zeigt ein Fall, der sich vor einigen Jahren in Franken zugetragen hat. Dort wurde ein 51-Jähriger zu einer fünfjährigen Gefängnisstrafe verurteilt, weil ihn eine 13-Jährige beschuldigt hatte, er habe sie vergewaltigt. Später - da hatte er schon mehr als dreieinhalb Jahre im Gefängnis gesessen - stellte sich heraus, dass das Mädchen gelogen hatte. Selbst für den von der Justiz für unschuldig befundenen Indersdorfer werden die Vorwürfe im sozialen Leben nicht ohne Folgen bleiben, meint der Staatsanwalt: "Es bleibt was hängen, das kann ich Ihnen garantieren. Es gibt immer ein paar Leute, die sagen: Irgendwas wird schon drangewesen sein." Der Verteidiger nahm seine Mandantin in Schutz, sie habe ja gar keine konkreten Vorwürfe erhoben, sondern "immer alles im Nebulösen belassen".

Strafmildernd wirkte sich die schwierige Kindheit der Angeklagten aus: Der Jugendgerichtshilfe zufolge ist der Vater Alkoholiker, vor der Scheidung kam es immer wieder zu gewalttätigen Übergriffen, manchmal sperrte er die Kinder ein. "Ich halte es für möglich, dass Sie wegen dieser Traumatisierung nicht imstande waren, ihrem Freund die Wahrheit zu sagen", sagte Richter Lars Hohlstein. Er verurteilte die 19-Jährige nach Jugendstrafrecht zu 80 Stunden Sozialarbeit und fünf Beratungsgesprächen.

© SZ vom 14.07.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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