Amtsgericht Dachau:Internet-Streit eskaliert

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"Ich wusste eigentlich gar nicht, worum es geht": Vier junge Männer stellen einen 15-Jährigen zur Rede, der einen Mitschüler auf "Facebook" bedroht haben soll - dann fliegen die Fäuste. Jetzt müssen sich die Männer wegen gefährlicher Körperverletzung vor dem Amtsgericht Dachau verantworten.

Petra Schafflik

Millionen Menschen nutzen soziale Netzwerke im Internet, um miteinander in Kontakt zu bleiben, sich zu verabreden und Nachrichten auszutauschen. Doch Nutzer dieser virtuellen Treffpunkte sehen sich gelegentlich auch mit verbalen Angriffen und Beleidigungen konfrontiert. Nicht immer bleiben derartige Konflikte im Netz, gelegentlich lösen sie auch handfeste Straftaten in der realen Welt aus. Das zeigt ein Fall, über den nun vor dem Amtsgericht Dachau verhandelt wurde: Vier junge Männer mussten sich wegen gefährlicher Körperverletzung verantworten, weil sie einen Internet-Streit mit den Fäusten ausgetragen haben.

Welchen Sinn die persönliche Konfrontation haben sollte, das wissen die vier Angeklagten im Alter von 17 und 20 Jahren nicht mehr so recht. Auslöser war offenbar, dass einer der drei 17-jährigen Jugendlichen über die Internetplattform "Facebook" von einem 15-jährigen ehemaligen Schulkameraden beschimpft und bedroht worden ist. Der ehemalige Mitschüler habe angekündigt, "er will mein Haus anzünden, mich umbringen", berichtet der junge Mann dem Gericht. Auch rechtsradikale Fotos wollen die Angeklagten, die alle aus Familien mit ausländischen Wurzeln stammen, auf dem Online-Profil des Mitschülers entdeckt haben.

Eigentlich, erklärt der 20-jährige und älteste der vier Angeklagten in sachlich-nüchternem Ton, "hätten wir die Bilder ausdrucken und damit zur Polizei gehen sollen". Doch diese Einsicht kommt für die vier jungen Männer zu spät. Denn an einem Dezemberabend vorigen Jahres entschlossen sie sich spontan, so berichten sie es zumindest übereinstimmend dem Gericht, zu dem aggressiven Internet-Schreiber "hinzufahren und mit ihm zu reden". Vor der Haustür des 15-Jährigen eskalierte der Konflikt. "Ich hab ihm ein paar Fäuste gegeben", räumt einer der 17-Jährigen ohne Umschweife ein. Dabei war er selbst in den Internet-Konflikt gar nicht involviert, Adressat der Drohungen und Anwürfe im Internet war nicht er selbst, sondern sein gleichaltriger Freund. "Ich wusste eigentlich gar nicht, worum es geht."

Der Geschädigte, der von der Attacke eine Gehirnerschütterung davontrug, will sogar von mehreren Angreifern geschlagen worden sein. Auch will er fünf Täter wahrgenommen haben. Dass nur einer der Angeklagten die Schläge zugibt, wundert ihn nicht. "Ich würde es auch nicht zugeben", erklärt er treuherzig. Eine rechtsradikale Gesinnung, die nach Aussage seiner ehemaligen Schulkameraden den Online-Konflikt geschürt hat, streitet er vehement ab.

Die vier Angeklagten wurden nach Jugendstrafrecht wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer einheitlichen Strafe von jeweils sechs Tagen Sozialdienst oder wahlweise einer Geldleistung an den Verein Brücke von 480 Euro verurteilt. Mit dieser relativ milden Strafe kommen sie davon, weil alle bisher eine weiße Weste haben, in geordneten Verhältnissen leben und eine Ausbildung absolvieren. Auch die Staatsanwaltschaft plädiert ausdrücklich dafür, in diesem Fall abzuweichen von der Maxime: "Wer schlägt, der sitzt."

Bestraft werden aber alle, auch wenn nur einer zugeschlagen hat. Denn alle vier waren gemeinsam am Tatort, "keiner hat sich distanziert", erklärt die Richterin. Die individuell unterschiedliche Tatbeteiligung bleibe daher letztlich unerheblich. Zum Schluss gibt sie den jungen Männern noch den Rat, künftig bei Beleidigungen oder gar Drohungen im Internet die Polizei einzuschalten, statt die Sache selbst in die Hand zu nehmen.

© SZ vom 21.09.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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