Amtsgericht Dachau:Brutales Ende einer Gaudi

Nach dem Faschingsumzug in Weichs versetzt er seinem Opfer einen Schlag und einen Tritt gegen den Kopf. Das Opfer erlitt einen Schädelbasisbruch. Jetzt verurteilt das Jugendgericht den 18-Jährigen zu Dauerarrest.

Daniela Gorgs

Ursula Walder zögert. Und das ist sehr ungewöhnlich. Normalerweise weiß die Sozialpädagogin der Jugendgerichtshilfe ganz genau, wie die jungen Angeklagten zu bestrafen sind. Sie kennt "ihre Jungs" und schlägt zur Ahndung von Straftaten passgenau mögliche Erziehungsmaßregeln vor: etwa pädagogische Seminare für junge Delinquenten, die ihre Gewaltausbrüche in den Griff bekommen müssen. Oder dann den Dauerarrest für unbelehrbare Wiederholungstäter.

Prozess zu Telekom-Spitzelaffäre

Ein 18-Jähriger gerät in kriminelle Kreise und wird selbst straffällig.

(Foto: dpa)

Doch bei dem jüngsten Prozess an diesem Montag vor dem Jugendgericht Dachau zögert Ursula Walder. Die Sozialpädagogin zuckt die Schultern. Als erzieherische Maßnahme schlägt sie Alkoholberatungen vor und eventuell einen Freizeitarrest. Ihr Dilemma: "Zur Normverdeutlichung brauchen wir in diesem Fall keinen Arrest", erklärt sie. "Hätten die Jugendlichen keinen Alkohol getrunken, wäre es nicht zu der Schlägerei gekommen." Ihrer Einschätzung nach müsse man nicht befürchten, dass die beiden Angeklagten noch einmal zuschlagen. Doch wenn sie sich die Folgen für das Opfer ansieht, "dann ist das natürlich schon arrestwürdig".

Zwei 18-Jährige sitzen auf der Anklagebank. Ihnen wird gefährliche Körperverletzung durch gemeinsames Handeln vorgeworfen. Nach dem Faschingsumzug in Weichs sollen sie andere Jugendliche mit Fäusten geschlagen haben. Einer der beiden, der Blonde, soll seinem Opfer, das bereits am Boden lag, einen Fußtritt gegen den Kopf versetzt haben. Wegen dieser Brutalität sollte der Täter ursprünglich wegen versuchten Totschlags angeklagt werden, wie Vorsitzende Richterin Petra Nolte erwähnt. Doch im Verlauf der Ermittlungen habe die Staatsanwaltschaft davon abgesehen.

Wie es zu dem Vorfall am Faschingsdienstag im März diesen Jahres gekommen war, konnte das Jugendgericht nicht mehr klären. Die beiden Angeklagten saßen am Straßenrand und warteten darauf, von der Mutter des einen abgeholt zu werden. Angeblich sollen sie von drei Jugendlichen, die auf dem Weg zur S-Bahn in Vierkirchen an ihnen vorbeigingen, mit Steinen beschmissen worden sein. Die drei Jugendlichen, die als Zeugen aussagen, bestätigen dies jedoch nicht. Es sollen Beleidigungen zwischen den Jugendlichen gefallen, es soll geschubst worden sein. Der dunkelhaarige Angeklagte sagt, er sei von den Vorbeiziehenden geschlagen worden, woraufhin er sich gewehrt habe, ebenfalls mit Fäusten. Es sei zu einer Rangelei gekommen, in die sich schließlich der blonde Freund eingemischt habe. Und der versetzte einem der drei Widersacher, einem 17-Jährigen, zunächst einen Faustschlag ans Kinn. Als das Opfer am Boden lag, trat er ihm mit dem Fuß an den Kopf.

Der blonde, junge Mann erzählt den Vorfall protokollartig mit monotoner Stimme. Dann entschuldigt er sich aufrichtig für seinen Aussetzer. "Ich wollte nicht, dass es soweit kommt."

Beide Angeklagte hatten etwa 1,4 Promille Alkohol im Blut. Bier getrunken hatte auch das Opfer. Der 17-Jährige räumt ein, es sei "blöd" gewesen, zu den beiden hinzugehen. Das denkt auch der zweite Zeuge. "Es war dämlich, das ,regeln' zu wollen." Der Leidtragende dieser Schlägerei war das Opfer: Der 17-Jährige erlitt einen Schädelbasisbruch, eine schwere Gehirnerschütterung und eine Verletzung am Kinn, die genäht werden musste. Ein Notarzt, der zufällig an den Jugendlichen vorbeigefahren war, hatte den Fußtritt gegen den Kopf des Opfers gesehen, gehupt - und die Schlägerei damit beendet.

Die Staatsanwaltschaft fordert vier Wochen Dauerarrest für beide Angeklagte. Der Verteidiger des Blonden hält eine Alkoholtherapie und ein Arbeitswochenende für ausreichend. Sein Mandant, der vor zwei Jahren unfallbedingt ebenfalls einen Schädelbasisbruch erlitten hatte, leide immer noch unter den Folgen. In Kombination mit Alkohol wisse er nicht, was er tue.

Richterin Nolte verurteilt beide Angeklagte wegen gefährlicher Körperverletzung und schickt sie zur Alkoholberatung. Für den Dunkelhaarigen setzt sie ein Wochenende Freizeitarrest fest, der Blonde erhält eine Woche Dauerarrest. Ein Fußtritt auf einem am Boden liegenden - da komme man vom Dauerarrest nicht weg. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

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