Amstgericht Dachau:Eine Frau flippt aus

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Das Gericht verurteilt eine 23-Jährige zu Bewährungsstrafe, die ihren Mann mit Gewalt daran hindern wollte, sie zu verlassen.

Daniela Gorgs

- Wenn häusliche Gewalt zum Gegenstand einer Gerichtsverhandlung wird, sitzt meist ein Mann auf der Anklagebank. Die Frau, das Opfer, verweigert aus Angst vor weiteren Schlägen die Aussage, und der Angeklagte muss trotz aller gegen ihn sprechenden Indizien mangels handfester Beweise vom Vorwurf der Körperverletzung freigesprochen werden.

Ganz anders der Fall, der kürzlich vor dem Amtsgericht Dachau verhandelt wurde. Auf der Anklagebank: eine 23-jährige Frau. Sie muss sich wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit versuchter Nötigung verantworten. Die Staatsanwältin hält ihr vor, ihren Ehemann in einer zunächst verbalen Auseinandersetzung mit der flachen Hand auf den Rücken geschlagen und mit Pfefferspray ins Gesicht besprüht zu haben. Auf diese Weise habe die 23-Jährige zu verhindern versucht, dass ihr Mann die gemeinsame Wohnung verlässt.

Die angeklagte Frau hört sich die Vorwürfe an - und schweigt. Die Hände in die Taschen ihres Parkas gesteckt, sucht sie sich einen Punkt an der gegenüberliegenden Wand und starrt den ganzen Prozess lang dorthin. Keines Blickes würdigt sie ihren Mann, der nicht von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch macht und auf dem Zeugenstuhl Platz nimmt. Der 30-Jährige klärt mit seinem ersten Satz sogleich den Grund für den Vorfall: "Sie war wieder mal untreu", sagt er mit Blick auf die Ehefrau. Es sei nicht das erste Mal gewesen, dass sie ihn betrogen habe. Die Konsequenz: Der Ehemann wollte ausziehen.

Was der 30-Jährige dann berichtet, bestätigt die Anklageschrift: Als er seine Sachen packte, flippte die Frau total aus. Packte die Sachen, die er in eine Tasche gesteckt hatte, wieder aus und schmiss sie durch die Wohnung. Die Frau trommelte auf seinen Rücken, schrie und tobte. Dann griff sie zum letzten Mittel und sprühte ihm das Pfefferspray ins Gesicht. Der 30-Jährige drehte sich weg, doch traf ihn der Nebel. Er hatte kurzzeitig Atemnot, seine Augen brannten. "Die Attacke war mir eine Nummer zu krass", sagt er vor Gericht. Er flüchtete aus der Wohnung, rief die Polizei. Mit den Streifenbeamten kehrte der Mann zurück, packte nun in Ruhe seine Sachen und zog aus. Am Ende seiner Aussage räumt er ein, dass er oft mit seiner Frau gestritten habe und selbst auch "kein Unschuldslamm" gewesen sei. Einmal habe er ihr eine Ohrfeige gegeben, was ihm heute noch leid tue.

Eine Polizistin, die den Fall bearbeitet, bringt die Vorfälle in eine zeitliche Reihenfolge. Danach stritt sich das Ehepaar sieben Monate lang. Mehrmals in dieser Zeit rief die 23-Jährige die Polizei. Der Mann soll sie unter anderem geohrfeigt, am Hals gepackt und geschubst haben. Einmal soll sie gegen einen Tisch geflogen und sich die Knöchel geprellt haben. Die Polizistin erklärt, warum die Frau nicht aussagen wollte: "Sie sieht sich als die Geschädigte."

In diesem Fall ist die Staatsanwältin anderer Ansicht. Den Angriff mit dem Pfefferspray und den Versuch, den Ehemann am Auszug zu hindern, wertet sie als vorsätzliche gefährliche Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung und fordert eine zehnmonatige Freiheitsstrafe, die zur Bewährung ausgesetzt werden könne. Vorsitzender Richter Lars Hohlstein spricht von einem minderschweren Fall und verurteilt die 23-Jährige zu einer fünfmonatigen Bewährungsstrafe. Es sei einem glücklichen Zufall geschuldet, dass sich der Noch-Ehemann rechtzeitig weggedreht habe. Pfefferspray sei ein gefährliches Werkzeug. Neben den Gerichtskosten muss die junge Frau zudem 800 Euro an das Franziskuswerk zahlen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

© SZ vom 06.12.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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