Europäischer Musikworkshop:Zurück ins Spielerische

Warum Dozenten und Teilnehmer den Europäischen Musikworkshop in Altomünster so sehr schätzen.

Von Dorothea Friedrich, Altomünster

Kraftvolle Töne wehen aus dem Sitzungssaal des Rathauses von Altomünster. Dort diskutieren indes keine Gemeinderäte, sondern Pianist Markus Kreul und Klarinettist Maximilian Breinich üben für das Meisterkonzert des Europäischen Musikworkshops am kommenden Mittwoch im Dachauer Schloss. Doch warum ausgerechnet im Rathaussaal? Die Antwort: Noch bis zum Samstag, 5. April, haben die 42 Teilnehmer sämtliche Räume im Ort belegt, in die ein Flügel, ein Dozent und deren Schüler passen.

Altomünster ist nun schon zum zehnten Mal eine Woche lang musikalischer Mittelpunkt des Landkreises. Von Anfang an dabei ist der 25-jährige Maximilian Breinich. Er ist zugleich so etwas wie ein Aushängeschild des Musikworkshops. Das würde der Student an der Musikhochschule Stuttgart zwar energisch zurückweisen. Wie aber diese musikalische Reihe sein Leben beeinflusst hat, erzählt er gerne - und lauscht dabei anscheinend einer inneren Musik, denn seine Finger gleiten über die Klappen seines Instruments.

Wegweisender Kurs

"Ich habe Klarinette im Musikverein gelernt, aber ich hatte keine Berührungspunkte mit klassischer Musik", erzählt der Altomünsterer. "Schon der erste Kurs war für mich sehr wegweisend". So sehr, dass er zunächst in Lübeck bei der weltberühmten Klarinettistin Sabine Meyer sein Instrument studierte und nun in Stuttgart sein Studium fortsetzt. Seine ganze Liebe gehört der Kammermusik. "Ein Solokonzert mit großem Orchester ist schön und gut. Aber Kammermusik ist eine ganz intime Form des Musizierens. Ein Orchester ist eben ein Stück weit anonymer, ist wie ein geschlossener Block hinter einem."

Europäischer Musikworkshop

Janis Roos an der Violine gemeinsam mit Lehrer Markus Kreul, Initiator des Europäischen Musikworkshops, Jakob Aumiller am Klavier und Jonas Mercadal.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Und doch richten sich seine Zukunftspläne ein Stück weit auf diesen menschlichen Klangkörper aus: "Meine Pläne sind dreigeteilt. Ich will unterrichten, Kammermusik machen und hätte gerne eine halbe Orchesterstelle", sagt Breinich. Und gibt gleich noch eine Kostprobe seines pädagogischen Könnens, indem er ein wenig in die Geheimnisse der Bassklarinette einweiht: "Sie war Mozarts Lieblingsinstrument", sagt er - und spielt mal eben ein Stückchen aus dessen Klarinettenkonzert. Womit er zugleich zeigt, dass die Italiener diesem äußerlich so schwerfällig wirkenden Instrument den richtigen Namen gegeben haben: Glicibarifono (Süß-Tieftöner). Heute nennen sie Clarone. Was doch gleich viel eleganter klingt als Bassklarinette.

Doch längst nicht alle Teilnehmer wollen Berufsmusiker werden. Sie kommen oft Jahr für Jahr, weil es ihnen Spaß macht, mit renommierten Dozenten zu arbeiten, weil sie Freunde gefunden haben und nicht zuletzt, weil sie unter Gleichgesinnten sind. Bianca Albert zum Beispiel humpelt fröhlich auf Krücken durch die Grund- und Mittelschule. Wegen einer schweren Operation kann sie zwar nicht am Unterricht teilnehmen. Das ist für die 16-Jährige aus Iffeldorf aber noch lange kein Grund, zu Hause zu bleiben. Sie hatte Markus Kreul einmal in einem Konzert gehört, erzählt sie. "Dann habe ich ihn gegoogelt, gesehen, dass es den Musikworkshop gibt und bin jetzt zum fünften Mal hier. Ich komme nach Altomünster und fühle mich sofort heimisch und wohl".

Kreul, Initiator und Organisator von Anfang an, hat eine ähnliche Erklärung für Erfolg und Beliebtheit des Musikworkshops: "Es ist eigentlich erstaunlich, dass es ihn schon zehn Jahre gibt. Der Musikworkshop hat sich gut gemacht." Aber was treibt Kreul an? "Das gemeinsame Musizieren, das fast kindlich Spielerische an der Musik. Musik ist und bleibt Spielen." Das zeigt sich auch bei den auf Leistung gedrillten Kindern, die hierher kommen. Kreul: "Sie öffnen sich und genießen es, dass man unter sich ist. Wir sind so eine Art Campus."

Auf diesem Campus unterrichten Größen der Musikwelt wie Klarinettist Harald Harrer, Geiger Ingolf Turban, Cellist Guido Schiefen, Flötist Raphael Gärtig sowie die Pianisten Linda Dietl und Markus Kreul. Mit Spannung erwartet wird am Samstag aber jemand, der nicht zur Klassikszene zählt: Improvisationskünstler Phil Mullen. "Da freue ich mich richtig drauf", sagt eine junge Frau in der Schulmensa. Wo es übrigens nicht anders zugeht als in jeder Mensa: Zwischen Riesenportionen von Schnitzeln mit Kartoffelsalat ist das Smartphone ständig in Aktion, werden die neuesten Ballerspiele diskutiert und laute Begrüßungszeremonien zelebriert.

Locker und trotzdem lehrreich

Hier begegnet man auch den Schwestern Mathilde und Myriam Navarri. Sie haben beim Wettbewerb "Jugend musiziert" als Sonderpreis die Teilnahme am Workshop gewonnen. Wie selbstverständlich improvisiert Myriam auf dem Flügel mit zwei sie begleitenden jungen Geigern. Die sind sehr erstaunt, dass man sie ob ihrer Disziplin bewundert, weil sie daheim jeden Tag üben. "Das machen wir gerne", versichern sie. "Aber hier ist es lockerer - und man lernt trotzdem viel."

Wie das gehen kann, zeigt ein Besuch in der Gesangsklasse von Dominik Wortig. Der Tenor und Professor am Leopold-Mozart-Zentrum für Musik der Universität Augsburg erklärt Anna Baumgartner, Frieda Dumann und Rainer Oberauer, was er unter "gesunder Naivität" bei der Interpretation von Louis Spohrs Wiegenlied versteht. "Das ist ein Klarinettenlied mit Gesangsbegleitung", sagt er und singt zart-zärtlich dieses zu Herzen gehende Volkslied. Zwischendurch erklärt er die feinen Unterschiede zwischen echtem und relativem Piano. "Ich singe volle Lotte und behaupte, ich singe relatives Piano, nur weil ich lieber Forte singe." Typisch Musikworkshop eben.

Kammerkonzert Dienstag, 29. März, 19.30 Uhr, Historischer Keller am Hechthof, Altomünster; Meisterkonzert Mittwoch, 30. März, 19.30 Uhr, Schloss Dachau; Kammerkonzert Freitag, 1. April, 19.30 Uhr, Historischer Keller; Abschluss Samstag, 2. April, 19.30 Uhr Evangelisches Gemeindezentrum.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: