Altomünster:Verliebt in die Bockerlbahn

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Die Bahn kann Menschen nicht nur ärgern, sondern auch verzaubern - zumindest wenn sie als historische Dampflok herangeschnauft kommt. Die Feier zum hundertjährigen Bestehen der Linie Dachau - Altomünster zog am Wochenende mehr als 10 000 Besucher an.

Von László Dobos

Die Zeit schien still zu stehen, als die alte Dampflok durch das Dachauer Hinterland stampfte. (Foto: joergensen.com)

Wenn die Gäste alles aufessen, dann ist das wohl das beste Kompliment, das ein Koch bekommen kann. Den tausenden Gästen, die am Wochenende in Altomünster den 100. Geburtstag der Bockerlbahn zwischen Dachau und Altomünster feierten, hat es auch geschmeckt: am Sonntag ging einigen Ständen das Essen aus. 3000 Besucher, schätzt Claudia Geisweid, Leiterin des Festausschusses, seien allein am eher trüben und kalten Samstag gekommen. Unter blauem, blanken Himmel feierten am Sonntag mindestens dreimal so viele Menschen das Bestehen der Lokalbahnlinie.

Insgesamt 51 Vereine und Kulturgruppen gestalteten das Fest mit. Ihre mit Zweigen, Maiskolben, Strohballen und Holz dekorierten Stände verströmten einen urig-rustikalen Charme. Offene Feuer und kleine Öfen setzten der Kälte am Samstag Gemütlichkeit entgegen. Man habe kein kommerziell orientiertes Fest machen wollen, sagt Geisweid. Die Vereine in die Feierlichkeiten einzubeziehen, sei ihr daher sehr wichtig gewesen.

Die Hauptattraktionen waren die beiden Dampflokomotiven, die zwischen Dachau und Altomünster pendelten. Es waren Loks der Baureihe 41 vom Ende der dreißiger Jahre und 52, gebaut in den vierziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Mit mehr als 20 Metern Länge waren sie deutlich größer als die Loks, die einst auf der Bockerlbahn verkehrten. Die schnaufenden und zischenden Riesen waren das begehrteste Fotomotiv des Tages. Die Geräusche und die Wärme, die aus den Kesseln strahlte, ließen den Eindruck entstehen, die pechschwarze Stahlkonstruktion mit den tiefroten Rädern sei ein Lebewesen, das sich gerade sehr angestrengt hätte. Für viele Passagiere war es eine Zeitreise zurück in ihre Kindheit oder Jugend.

Christa Kolodziej reiste mit ihrem Mann Wilfred mit der Dampflok aus Dachau an. Das Bockerl kennt sie aus Kindheitstagen: "Ich bin mit dem Zug täglich von Dachau nach Indersdorf zur Schule gefahren. Die Abteile waren ganz ähnlich. Auch wenn man damals auf Holzbänken und nicht auf Kunstlederpolsterung saß." Einige Bahnbegeisterte ärgerten sich allerdings, dass sie die Tickets im Vorverkauf nur in Altomünster und Markt Indersdorf abholen konnten; sie hätten sich einen Verkauf in Dachau gewünscht. Wie Claudia Geisweid erklärte, hätte eine zusätzliche Abholstelle jedoch die finanziellen und personellen Grenzen des ehrenamtlichen Organisationsteams überschritten. Die Bahnen fuhren 28 mal, 300 Tickets wurden verkauft, davon 85 Prozent schon vor dem Fest. Die teils langen Verspätungen, die wegen der ungewohnten Rangierarbeiten entstanden, nahm das Publikum gelassen hin. Für Bahnbegeisterte war die Modellbahnausstellung im Kapplersaal Pflicht. 21 Aussteller aus Deutschland und Österreich füllten den Saal mit ihren Zügen der Spur Z.

Historisches präsentierten auch die Vereine. Der Schützenverein Pipinsgilde aus Pipinsried führte das Jahrhunderte alte Seiler-Handwerk vor. "Dieses Handwerk beherrscht fast niemand mehr", sagte Josef Ott von der Pipinsgilde. "Als wir in den siebziger Jahren damit anfingen, mussten wir es selbst er neu erlernen." Die Vorführung faszinierte junge und alte Besucher gleichermaßen. Während die einen längst Vergessenes wieder entdeckten, lernten die anderen gänzlich Unbekanntes kennen.

Rhythmische, dumpfe Schläge, weithin hörbar, kündeten davon, dass die Kiemertshofer Drischldrescher zeigten, wie man im Takt Korn drischt. Die Illusion vergangener Zeit machten die vielen Kostümträger in Zylinder oder mit Pickelhaube und Damen in langen, historischen Kleidern aus Kaiserzeiten perfekt.

Tosender Applaus und viel Gelächter drangen jederzeit aus dem Kulturzelt. Es hatte Platz für 300 Zuschauer und war bereits am Samstag stets mindestens zur Hälfte gefüllt. Am Sonntag dann blieb kaum ein Platz leer. Die Theatergruppe Altomünster führte Ludwig Thomas Stück "Erste Klasse" mit prächtigen Kostümen auf. Die Wollomooser Laienspieler präsentierten ein eigenes Stück. Sie inszenierten eine Gerichtsverhandlung am königlich bayerischen Amtsgericht und klärten damit die Frage, wie es wirklich zur Indersdorfer Schleife kam und was sie mit einem Hühnerstall in Arnbach zu tun hat. So etwas kann einem eigentlich nur im Zug einfallen: "Die entscheidenden Ideen kamen mir, als ich im Frühjahr täglich mit dem Bummerl zu einer Fortbildung fuhr", erzählte Anton Allesch, der zusammen mit Josef Treffler das Stück schrieb.

Veranstalter und Besucher zeigten sich gleichermaßen begeistert von der Organisation. Wolfgang Henkel von der Theatergruppe Altomünster rechnet der Gemeinde hoch an, dass sie der Gruppe ihre Selbständigkeit zugesteht. Josef Treffler und Anton Allesch führen den Erfolg des Festes auf die starke Jugendarbeit und auf das Einbeziehen der Zugezogenen zurück. Die Besucher Eileen Bernardi aus den USA und der Italiener Lorenzo Fernandez wollten am Samstag eigentlich nur mit ihrem kleinen Sohn in Dachau Kürbisse kaufen. Dann aber ließen sie sich spontan zu einer Dampflokfahrt nach Altomünster verführen. Fernandez begeisterte sich für die Dachauer Tracht und Bernardi fasste zusammen: "Es war eines der coolsten Dinge, die wir in Bayern gesehen haben."

© SZ vom 14.10.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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