Altomünster:Die Idee vom Gesamtkunstwerk

Von Renate Zauscher, Altomünster

Musikalisch betrachtet, präsentierten sich Idee und Ausführung des Altomünsterer Kulturprojekts zur Geschichte und Aktualität der Heiligen Birgitta sehr eindruckvoll. Drei Sängerinnen - die musikalische Leiterin von Gemma, Karin Strinnhom Lagergren (Sopran), Aino Lund Lavoipierre (ebenfalls Sopran) und Lena Palm (Alt) - füllten den Kirchenraum mit ihren großartig kraftvollen, schönen Stimmen. Das Publikum lauschte in konzentrierter Stille den meditativen Wechselgesängen, die heute nur höchst selten in dieser Form zur Aufführung gelangen. Das auf gregorianische Choräle mittelalterlicher, vor allem skandinavischer Quellen spezialisierte Vokalensemble Gemma aus Schweden trug liturgische Gesänge des Birgittenordens vor. Dazu gehören polyfone Prozessionsgesänge und Messgesänge, insbesondere Teile des "Cantus Sororum", der von der Ordensgründerin, der heiligen Birgitta von Schweden (1303 bis 1373), niedergeschrieben wurde.

Das Konzert war Teil eines Symposiums, zu dem Wissenschaftler verschiedenster Disziplinen aus mehreren europäischen Ländern und den USA am Ort eines der letzten Birgittenklöster in Deutschland zusammengekommen waren: Musikologen ebenso wie Kunsthistoriker, Bauhistoriker, Spezialisten für 3-D-Visualierungen oder der Nestor der geschichtlichen Erforschung des Birgittenordens, Tore Nyberg aus Dänemark. Geleitet wurde die von der Societas Birgitta Europa (SBE) betreute Tagung von den an der Arizona State University tätigen Musikhistorikern Corine Schleif und Volker Schier.

Die Wissenschaftler, die zuerst Klöster in Norddeutschland besucht hatten und dann in Altomünster zusammenkamen, arbeiten an einem ehrgeizigen Projekt: Sie wollen mit den Mitteln etablierter Geisteswissenschaften in Kombination mit modernster Technik kirchliche Rituale des Spätmittelalters in verschiedenen Medien erlebbar machen

Rein Kunstgeschichtlich betrachtet, präsentiert sich die spätmittelalterliche Birgitten-Kirche in Altomünster mit ihrem von der Ordensgründerin sehr detailliert vorgeschriebenen Raumkonzept als "ideales multisensorisches Untersuchungsobjekt" für die Projektidee der Societas. Die Kirche verkörpert aus Sicht der Wissenschaftler die "Gesamtidee" aus Architektur, Ritualen, Gesängen, Gebeten, Predigten und "intendierten Wahrnehmungsstrukturen". Zwar wurde die heutige Klosterkirche in Altomünster bekanntlich erst im 18. Jahrhundert von Johann Michael Fischer errichtet und erinnert in keiner Weise mehr an einen mittelalterlichen Bau. Das von der heiligen Birgitta vorgeschriebene Raumkonzept mit getrennten Frauen-, Männer-, Gemeinde- und Prozessionsbereichen wurde aber umgesetzt.

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