Altomünster:Bewegende Erinnerungen

Lesezeit: 3 min

Die Vernissage zur Retrospektive "Farbakkorde" für Ulf Maier im Museumsforum. Der Maler ist vergangenes Jahr gestorben

Von Dorothea Friedrich, Altomünster

Riesenandrang im Museumsforum Altomünster. Das ist nicht alle Tage der Fall. Doch "Farbakkorde", die erste Retrospektive mit Werken des Malers Ulf Maier zieht Menschen weit über die Region hinaus an. Wohl mehr als einhundert drängen sich in den beiden Museumsräumen, darunter die drei Bürgermeister der Marktgemeinde Anton Kerle, Josef "Fips" Wiedmann und Anton Graf, Altbürgermeister Konrad Wagner sowie etliche Gemeinde- und Kreisräte. Sie alle hören der Musik von Pianistin Eva Kausch und Saxofonist Florian Ewald zu. Das Duo begleitet mit einem einfühlsam ausgewählten Programm impressionistischer Musik die sehr persönlich gehaltenen Ansprachen der Ausstellungsmacher.

Das sind der Historiker Wilhelm Liebhart, Vorsitzender des Museums- und Heimatvereins Altomünster, sowie der Erziehungswissenschaftler und langjährige Vorsitzende des örtlichen Kulturförderkreises, Ulrich Schneider. Die Musik erweist sich als kongeniale Einstimmung auf Maiers Farbharmonien. Etliche Vernissagen-Besucher folgen nach dem offiziellen Teil der Empfehlung von Ingeborg Maier-Buhs, der Ehefrau des 2016 verstorbenen Künstlers, und "lesen" die oft in dunklen Farbnuancen gehaltenen Werke wie ein Buch "von links oben, Zeile für Zeile, nach rechts unten". Auf einen Stuhl setzen, sich Zeit nehmen, wie Bussi Buhs - so will die Objektkünstlerin am liebsten genannt werden - in ihrer Werkeinführung vorgeschlagen hat, ist allerdings angesichts der Menschenmenge unmöglich.

Fast 30 Jahre haben Maier und seine Frau im Altomünsterer Ortsteil Hohenzell in einem fast verwunschen scheinenden Atelierhaus gelebt und gearbeitet. Sie seien "zwei Typen, die sich mit Schönheit beschäftigen und sich mehr oder minder im Verschwinden üben" gewesen, beschreibt Bussi Buhs die Lebensphilosophie des Paars. Aus diesem äußeren Refugium heraus hat sich der Maler aber mitgeteilt - in zahllosen handschriftlichen Notizen und in seinen Arbeiten.

Erst präzise Linienmosaike auf Spezialpapier zeichnen, dann die Aquarallfarben auftragen, Farbsynphonien orchestrieren. So arbeitete Ulf Maier, der im vergangenen Jahr gestorben ist. (Foto: Niels P. Joergensen)

Mit seiner Art der Kommunikation hat er unzählige Menschen erreicht. Darunter sind auch die Ausstellungsmacher, wie Schneider sichtlich bewegt berichtete: Sie hatten Ulf Maier im April vergangenen Jahres kennengelernt. Er habe, seinerzeit schon von der Krankheit gezeichnet, in seinem Krankenstuhl gesessen, "lächelnd, die Augen geschlossen und mit seinen Händen die Akkorde seiner Farben dirigiert". Schneider weiter: "Ich konnte die Augen nicht von ihm lassen, weil mich die Präsenz dieses Mannes so gefordert hat". Maier habe "die Klänge die hinter den Farben stehen, in den Vordergrund gerückt". Mit welchem enormen Arbeitsaufwand und mit welcher "höllischen Konzentration" dieser Schaffensprozess verbunden war, erzählte seine Frau.

Maier zeichnete auf Spezialpapier ein akkurates Liniennetz. Das war der einfache Teil der Übung. Nun füllte der die Felder mit Aquarellfarben. Und zwar dergestalt, dass nach der Maiers eigener Definition "keine Farbe für sich alleine steht, sondern durch ihre Nachbarschaft in ihrer Wertigkeit bestimmt wird". Auf diese Weise schrieb der Maler eine Art Partitur - und forderte von sich selbst "keinen falschen Ton zu setzen". Waren alle Felder mit Farben gefüllt, wurde das Bild abgespritzt - im Sommer mit dem Gartenschlauch, im Winter in der Badewanne. Es folgten weitere Farbauftragungen, bis die Farben "einen Schmelz wie Samt" hatten.

Dass Maiers Bilder im Lauf der Jahre immer dunkler, aber keineswegs düster wurden, hatte aber noch einen weiteren Grund: Als der Maler keine Kraft mehr hatte, Neues zu beginnen - immerhin investierte er bis zu einem Jahr in ein einzelnes Werk - be- und überarbeitete er ältere Bilder, "mit denen er nicht ganz zufrieden war und unterwarf sie seinem üblichen Procedere", wie Bussi Buhs sagt. Das Ergebnis: "Sie wurden dunkler und dunkler, vergleichbar dem natürlichen Vorgang, wenn am Abend die Dämmerung und die Nacht hereinbrechen" - oder sich nach landläufiger Meinung die Nacht des Vergessens im Geist eines Menschen einnistet.

Bussi Buhs sagt über sich und ihren Ehemann Ulf Maier bei der Vernissage, dass sie zwei "Typen" gewesen seien, "die sich mit Schönheit beschäftigen und sich mehr oder minder im Verschwinden üben". (Foto: Niels P. Joergensen)

Umso intensiver scheinen nun im Museumsforum Ulf Maiers Farbakkorde zu leuchten - trotz teilweise abgedunkelter Fenster, die dem ansonsten so lichten Dachgeschoss einen etwas melancholischen Anstrich geben. Der verflüchtigt sich allerdings schnell beim Durchblättern des von Liebhart und Schneider erstellten Ausstellungskatalogs.

"Für den Maler sind die Farben nicht etwas Ästhetisches, sondern etwas Heiliges - die unmittelbaren Abkömmlinge des Lichts. Man stelle sich nur die Welt, die Erde den ganzen Schöpfungsstrom ohne Farbe vor". Das stammt nicht aus einer Rede zur Ausstellungseröffnung, sondern von Ulf Maier - und steht im Katalog neben der Reproduktion eines Bildes, in dem das Rot aufscheint wie verglimmendes Feuer - kraftvoll auch noch im Verlöschen. Und damit vielleicht symptomatisch für einen Maler, der bis zuletzt die Akkorde seiner Farben dirigiert hat.

"Farbakkorde". Ausstellung mit Werken Ulf Maiers. Noch bis zum 23. April im Museumsforum Altomünster. Geöffnet: Mittwoch bis Samstag von 13 bis 16 Uhr, Sonntag von 13 bis 17 Uhr. Am kommenden Sonntag, 26. Februar gibt es um 14 Uhr eine Sonderführung mit Bussi Buhs.

© SZ vom 24.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: