Alkohol und andere Drogen in Massen konsumiert:Lebensgefährlicher Angriff mit dem Käsemesser

Ein Karlsfelder muss sich vor dem Landgericht verantworten, weil er auf seine Ex-Freundin losgegangen ist

Von Benjamin Emonts, München/Karlsfeld

Der Angeklagte schmunzelt, wenn er von seiner Vergangenheit erzählt. 1986 kam er über ein staatliches Programm aus dem sozialistischen Kuba in die ehemalige DDR. Er arbeitete in einer Baumwollfirma in Sachsen und verliebte sich in seine Chefin. Beide heirateten und gingen mit der gemeinsamen Tochter für zwei Jahre nach Kuba. "Es war die schönste Zeit meines Lebens", sagt der 55-Jährige. Von seinem Glück ist heute aber nichts mehr übrig. Von seiner Frau ist er schon lange geschieden, zu seiner Tochter hat er keinen Kontakt mehr. Stattdessen sitzt er seit 13 Monaten in der JVA Stadelheim in U-Haft und muss sich seit Freitag vor dem Landgericht München II wegen versuchten Totschlags verantworten.

Er soll versucht haben, seine bislang letzte Partnerin mit einem Messer zu töten. Der Vorfall ereignete sich am 6. April 2016 in Karlsfeld. Laut Anklageschrift kommt der Angeklagte gegen 18.25 Uhr zu seiner Ex-Freundin, um einige Kleidungsstücke abzuholen. Als der Mann dazu in den Keller geht, folgt ihm die Frau, damit er nichts von ihren Sachen mitnimmt. Bereits auf dem Weg droht der Mann: "Du wirst sehen, irgendwann bringe ich dich um." Schließlich kommt er mit einem Käsemesser aus dem Kellerabteil und fuchtelt wild damit herum. Der Frau fügt er eine waagrechte, sechs Zentimeter lange und einen halben Zentimeter tiefe Schnittwunde in der Nähe der Halsschlagader zu. Am Boden liegend, verteidigt sich die Frau und wird am Kinn, Schlüsselbein, Oberarm und an der Hand verletzt. Trotzdem gelingt es ihr, dem Mann das Messer zu entwenden. Er lässt von ihr ab.

"Der Angeschuldigte nahm billigend in Kauf, dass er mit der Schnittbewegung die Halsschlagader hätte öffnen können, was - wie er wusste - ein Verbluten binnen weniger Minuten zur Folge gehabt hätte", wirft ihm der Vertreter der Staatsanwaltschaft München II vor. Doch der Angeklagte kommt am ersten Prozesstag kaum dazu, sich zu den Vorwürfen zu äußern. Er sagt nur: "Es tut mir furchtbar leid, was da passiert ist." Und dass einige Punkte aus der Anklageschrift nicht der Wahrheit entsprechen würden.

Dann befragt der Vorsitzende Richter Thomas Bott den Angeklagten ganze vier Stunden zu dessen Lebensgeschichte und Drogenkarriere. Der Angeklagte hat offenbar ein schweres Alkoholproblem und wurde trotz mehrerer stationärer Therapien - eine davon dauerte zwei Jahre - immer wieder rückfällig. Zwischenzeitlich dealte er mit Haschisch und rauchte nach eigenen Angaben täglich zehn bis zwölf Joints, was im Gerichtssaal ungläubiges Kopfschütteln auslöste. Wegen Handel mit Betäubungsmitteln und Diebstahl saß er 18 Monate im Gefängnis. Nachdem sich seine letzte Partnerin von ihm getrennt hatte, lebte er auf der Straße oder schlief bei einer Bekannten. Der Alkohol bestimmte seinen Alltag. Im Gefängnis ist er nun gezwungen, abstinent zu leben. Der 55-Jährige sagt: "Ich kann arbeiten und ich fühle mich stark. Aber ich weiß, wenn die Therapie zu Ende ist, geht wieder alles von vorne los." Am kommenden Dienstag will sein Verteidiger nun eine Erklärung für ihn abgeben, und das Gericht befragt unter anderem das Opfer und Polizeibeamte. Ein Urteil wird am Freitag, 2. Juni, erwartet.

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