Älterwerden:Isolation und Vereinsamung aufbrechen

Gerontopsychiatrische Abteilung

Lotsen im Hilfenetz für Senioren: Angela Leimgruber (von links), Alice Lenhart-Schlenker, Kira Rabl und Madleine Hardtke.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Senioren, die ihren Partner verloren haben oder andere seelische Belastungen haben, finden oft nur schwer wieder Anschluss. Ihnen bietet die gerontopsychiatrische Fachstelle der Caritas Dachau seit 15 Jahren eine fachkundige Anlaufstelle

Von Petra Schafflik, Dachau

"Hier bin ich ein anderer Mensch geworden", erzählt Maria Schuster (Namen der Betroffenen geändert). Schon seit zwei Jahren kommt die 79-Jährige regelmäßig ins Caritaszentrum zu Treffen für seelisch belastete Senioren. "Wir haben uns in der Gruppe gut kennen gelernt, alle sind wirklich nett, immer gibt es viel zu erzählen, einfach toll." Maria Schuster freut sich über die herzliche Atmosphäre und das harmonische Miteinander. Aber sie erinnert sich noch gut an ihre anfänglichen Bedenken. Eine Gesprächsgruppe mit fremden Leuten - sollte sie sich das wirklich trauen? "Man musste mich ein bisschen schubsen, jetzt bin ich froh."

Unterstützung suchen, Angebote annehmen - das ist für ältere Menschen mit psychischen Erkrankungen oder in seelischen Krisen nicht so einfach. Deshalb begleitet das vierköpfige Team der gerontopsychiatrischen Fachstelle der Caritas Dachau diese Senioren mit einem speziellen Angebot. Die Anlaufstelle, die in diesen Tagen ihr 15-jähriges Bestehen feiert, bietet Gespräche, Beratung, Aktivitäten und vermittelt weiter an geeignete Unterstützungsangebote. "Wir sind Lotsen im Hilfenetz", sagt Leiterin Kira Rabl.

Gegründet wurde die auf seelisch belastete Senioren ausgerichtete Fachstelle, weil ein passgenaues Hilfeangebot für psychisch kranke, ältere Menschen im Landkreis fehlte. So ein altersgerechtes Angebot sei sinnvoll, sagt Leiterin Kira Rabl. Weil Senioren mit seelischen Belastungen ganz andere Themen beschäftigten als jüngere Betroffene, die noch im Berufsleben stehen. Bereits der Übergang in den Ruhestand kann eine psychische Krise auslösen, auch Erkrankungen, Pflegebedürftigkeit oder der Tod des Partners sind im Alter für viele Menschen Auslöser einer seelischen Krise. Wo der geregelte Arbeitsalltag plötzlich wegfällt, fehlen Sicherheit und Struktur. Einsamkeit, psychische Erkrankungen wie Depressionen oder Ängste und demenzielle Störungen belasten die Älteren. Vielfach versuchten Senioren, dann mit ihren Problemen möglichst lange alleine zurecht zu kommen. "Die Betroffenen möchten niemandem zur Last fallen." Gleichzeitig ziehen sie sich oft aus ihrem sozialen Umfeld mehr und mehr zurück. Vielfach stellen Ärzte oder Angehörige dann den Kontakt her zur Fachstelle der Caritas.

Dort steht ein vierköpfiges Team als Ansprechpartner bereit, etwa 100 bis 140 Betroffene nutzen dieses Angebot jedes Jahr. Im Vordergrund steht immer die Frage: "Wie ist der individuelle Bedarf?" Die Fachfrauen der Caritas bieten Beratung und Begleitung in persönlichen Gesprächen, suchen Betroffene auch zu Hause auf, helfen bei der Suche nach Ärzten und Therapeuten. "Denn es ist nicht immer einfach, geeignete Anlaufstellen zu finden. Es gib zu wenige spezialisierte Therapeuten." Mit der Unterstützung von Ehrenamtlichen organisiert die Fachstelle auch Gruppenangebote im Caritas-Zentrum. "Unser Ziel ist, die Isolation und Vereinsamung aufzubrechen." Als feste Fixpunkte im Wochenablauf sollen die Treffen helfen, den Tagesablauf wieder stärker zu strukturieren. Die Gruppen sollen Gelegenheit bieten, "Kontakte zu knüpfen in der Gesellschaft mit Gleichgesinnten."

Wichtiger Baustein ist die Unterstützung der Ehrenamtlichen, die jeden Teilnehmer persönlich begrüßen, während des Treffens begleiten und individuell betreuen. Peter Maurer ist so ein Helfer, der sich jede Woche um einen Treff kümmert, Ansprechpartner und Begleiter ist. "Nach dem Berufsleben wollte ich einfach mal für andere etwas tun", sagt der 78-Jährige.

Ein paar gemeinsame Stunden mit Singen, Gedächtnistraining oder Gymnastik, mit Gesprächen bei einer Tasse Kaffee und einem Stück Kuchen - nichts Besonderes möchte man meinen. Für die seelisch belasteten Teilnehmer sind diese Treffen Sternstunden ihrer Woche. "Es ist einfach wunderbar, dass man mal reden kann", sagt Anna Huber. Körperliche Beschwerden und nervliche Belastungen machen der 82-Jährigen zu schaffen. Umso schöner, hier auf Gleichgesinnte zu treffen, die sich interessieren für ihre Lebensgeschichte und Verständnis haben, wenn sie mal bedrückt ist.

Auch Sophie Wallner kommt aus dem Landkreis eigens nach Dachau, weil sie beim Caritas-Treffen erzählen und plaudern kann. "Es hilft viel, mit jemandem zu reden", sagt die 74-Jährige, der zu Hause nur ihre Katze zuhört. Die große Bedeutung der Treffen bringt Anna Huber auf den Punkt: "Wenn ein Termin ausfällt, ist da ein richtiges Loch, in das man fällt."

Allerdings ist der Bedarf für diese spezialisierten Angebote groß, derzeit gibt es nur drei Gruppen für den gesamten Landkreis. Weshalb die gerontopsychiatrische Fachstelle anstrebt, die Betroffenen besser in das soziale Umfeld ihres Wohnorts einzubinden. "Wichtig wäre eine stärkere Öffnung bestehender Gruppen für neue Teilnehmer." Tatsächlich stehen Angebote wie die Seniorenclubs der Pfarrgemeinden neuen Besuchern in der Regel offen. Doch für Ältere mit psychischen Belastungen ist die Hürde zu hoch, spontan und ohne bekannte Kontaktperson dort teilzunehmen. Umso wichtiger sind die Treffen im Caritas-Zentrum, wo auch die Unterstützung durch weitere ehrenamtliche Helfer sehr willkommen wäre, wie Leiterin Rabl betont. Weil Gemeinschaft und Geselligkeit so wichtig sind, hat sich das Team der Gerontopsychiatrischen Fachstelle zum Jubiläum etwas Besonderes ausgedacht: Statt der üblichen Feierstunde machen sich Senioren, ehrenamtliche Helfer und Team auf zu einem Tagesausflug. "Es geht an den Ammersee, das wird herrlich", freut sich Maria Schuster.

Wer als Senior über 60 Jahren selbst an seelischen Belastungen oder psychischen Erkrankungen leidet, wer als Angehöriger Unterstützung benötigt oder ehrenamtlich bei den Gruppentreffen helfen möchte, erreicht die Gerontopsychiatrische Fachstelle unter 08131/289-1400.

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