CSU-Stadtverband:Wenn der Parteifreund plötzlich Nachbar sein soll

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Im Bundestags-Wahlkreis München-West/Mitte wird Stephan Pilsinger für die CSU antreten, als Nachfolger von Hans-Peter Uhl. (Foto: Hess, privat; Collage: SZ)
  • Der Delegierte Michael Daniel soll für den Kandidaten Stephan Pilsinger kurz vor der Wahl in den passenden Bezirk umgezogen sein.
  • Zwischen Münchner CSU und der Jungen Union tritt ein Generationenkonflikt zutage.

Von Dominik Hutter, München

Viele im Saal ahnten wohl schon, dass irgendetwas im Busch war, als plötzlich Helmut Pfundstein ans Mikrofon trat. Es bestehe Anlass zu größter Wachsamkeit, warnte das einstige CSU-Schwergewicht. Nicht, dass noch die Wahl angefochten werden könne. Pfundstein, Stadtdirektor außer Dienst und früherer Zampano der CSU-Rathausfraktion, legte eine offizielle Auskunft aus dem Melderegister der Stadt vor.

Der Delegierte Michael Daniel, so ist dem Papier zu entnehmen, hatte am 7. Juli 2016 seinen Wohnsitz in der Maxvorstadt. Also außerhalb des Bundeswahlkreises München-West/Mitte, für den die CSU an diesem Montagabend ihren Kandidaten nominieren wollte. Daniel, der dem Lager des am Ende siegreichen Kandidaten Stephan Pilsinger zugerechnet wird, wäre demnach nicht stimmberechtigt.

Das klingt beunruhigend vertraut in einer Partei, in der bereits im März 2015 Unregelmäßigkeiten bei den Delegiertenwahlen in den Orts- und Kreisverbänden beklagt wurden. Damals kursierte der Verdacht, junge Parteikarrieristen wollten mit gezielten Tricksereien beim Wohnsitz Mehrheiten zu ihren Gunsten drehen - nicht zuletzt mit Blick auf das Bundestagsmandat von Hans-Peter Uhl, der bei der Wahl 2017 nicht mehr antritt.

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Um eben diese Position ging es am Montagabend bei der Versammlung in der neuen CSU-Landesleitung, Pilsinger ist der aktuelle Stadtchef der Jungen Union (JU). Haben also skrupellose Putschisten ihr Ziel erreicht?

Die solcherart Beschuldigten schäumten vor Wut angesichts dieser Vorwürfe - zumal Pfundstein keinen Hehl daraus machte, dass er sich eine ganz andere Uhl-Nachfolge wünscht: die 31 Jahre alte Julia Obermeier nämlich, die bei der Wahl 2013 über die Liste in den Bundestag gekommen war und später von Mühldorf nach München umzog. Weil sie gute Arbeit in Berlin geleistet habe und weil es höchste Zeit sei, eine Frau zu nominieren, sagte Pfundstein.

Michael Daniel, der JU-Kreisvorsitzende im Münchner Westen, wies Pfundsteins Anschuldigung empört und unter Vorlage seines Personalausweises zurück. Ein "grobes Foulspiel" sei das; der frühere Stadtrat könne gerne einmal auf einen Kaffee in seinem Untermenzinger Domizil vorbeikommen. "Vielen Dank, dass Sie uns bis auf die Knochen blamiert haben", rief Daniel bitter in die Runde, die sich mit dieser Erklärung zufriedengab und nicht weiter insistierte.

Es geht ums Prinzip, nicht ums Wahlergebnis

Auch CSU-Bezirksgeschäftsführer Frank Gübner sah keinen Grund, an der Legitimation der Delegierten zu zweifeln. Daniel müsse lediglich zum Zeitpunkt seiner Wahl als Delegierter sowie erneut bei der Kandidatenwahl seinen Hauptwohnsitz im Bundeswahlkreis haben. Das sei der Fall gewesen - da spiele es keine Rolle, ob er zwischendurch noch woanders logierte. Nach Auskunft Daniels ist die Maxvorstädter Adresse die seines Bruders.

Für das Wahlergebnis war Daniels Stimme letztlich irrelevant, dazu war der Vorsprung Pilsingers zu groß. Der 29-jährige Arzt hatte mit 101 Unterstützern fast doppelt so viele Delegierte auf seiner Seite wie Obermeier (53 Stimmen); der in einer Außenseiterrolle angetretene Christian Binder kam auf sechs.

Pilsinger, der nach seinem Sieg eine jubelnde Schar von JU-lern um sich hatte, zeigte sich denn auch erfreut, dass die Wahl so deutlich ausgegangen war. Die Attacke Pfundsteins sei wohl eher eine "persönliche Aktion" gewesen. "Ich glaube nicht, dass meine Mitbewerber das wollten." Es sei nichts vorgefallen, was gegen die Statuten verstoße.

Pfundstein will die Sache nun auf sich beruhen lassen, auch wenn ein ungutes Gefühl bleibe. Offenkundig habe sich Daniel kurz vor der Kandidatenkür noch umgemeldet. Für den früheren Stadtrat beginnt das Dilemma aber schon viel früher: bei der Wahl der Delegierten in den CSU-Ortsverbänden, deren Rechtmäßigkeit dringend geprüft gehöre. Schon damals habe es Zweifel gegeben, dass die Wählenden alle juristischen Voraussetzungen erfüllten.

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In der Münchner CSU wird nun die Frage laut, was hinter all dem steckt. "Unglaublich, wir lernen einfach nicht dazu", sagte ein Stadtrat am Dienstag. Ein Vorstandsmitglied wertete die Adressschiebereien als "kriminelle Energie"; die CSU-Spitze verhalte sich "analog zum System Hohlmeier".

Manche Christsoziale führen Pfundsteins Auftritt allerdings auf seine Rivalität zu Bürgermeister Josef Schmid zurück, der sich für Pilsinger positioniert hatte. Regelrecht "aggressiv" sei der Rathaus-Senior aufgetreten, kritisiert ein einflussreicher Christsozialer. Allerdings ist auch die unterlegene Abgeordnete Obermeier auf Unregelmäßigkeiten gestoßen. Mehrere per Post verschickte Schreiben an Delegierte, in denen die gebürtige Münchnerin für ihre Kandidatur warb, seien mit dem Vermerk "unbekannt verzogen" wieder zurückgekommen, berichtet sie.

Ersatzdelegierte, bei denen es Zweifel an ihrer Wahlberechtigung gebe, seien plötzlich von den Listen verschwunden gewesen. Ohne weitere Folgen, eine Nachwahl habe es nicht gegeben. Obermeier will nun auf der CSU-Liste für den Bundestag kandidieren - wohl wissend, dass das gute CSU-Ergebnis von 2013, das ihr das Bundestagsmandat bescherte, nicht leicht zu wiederholen ist.

"Wem es zu gut geht, der fängt gerne das Streiten an."

Angesichts der parteiinternen Querelen rückte am Montag fast in den Hintergrund, dass die Versammlung das Ende einer langen politischen Karriere einleitete: der von Hans-Peter Uhl, einst Münchner Kreisverwaltungsreferent und inzwischen seit 18 Jahren im Berliner Parlament. Uhl sieht schwere Zeiten auf die Politik zukommen. "Uns geht es zu gut", mahnte er an die Adresse der jungen Generation - und wem es zu gut gehe, der fange gerne das Streiten an.

Mit Blick auf den Brexit warnte der langjährige Innenpolitiker vor Tendenzen, Mandatsträger müssten sich in komplexen Lagen beim Volk rückversichern, "am besten noch, ohne dass man selber eine Meinung hat". Das klingt wie eine Kritik an Ministerpräsident Horst Seehofer, der Volksbefragungen befürwortet - und so war es offenkundig auch gemeint.

Die CSU kürte am Montag noch einen weiteren Bundestagskandidaten - für den Münchner Osten. Dort tritt erneut Wolfgang Stefinger an. Der 31-Jährige hatte keinen Gegenkandidaten.

© SZ vom 13.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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