München ist ein Dorf, sagen die Münchner. Stimmt nicht, es ist viel schlimmer. In jedem Dorf haben die Supermärkte länger geöffnet - vorausgesetzt das Dorf liegt außerhalb Bayerns. Nach der Arbeit noch in Ruhe einkaufen, bis 22 Uhr, das ist selbst auf dem platten Land kein Problem. Etwa in Baden-Württemberg, Brandenburg, Hamburg, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt . . . kurzum: In allen Bundesländern, mit Ausnahme des Saarlandes, sind die Öffnungszeiten liberaler als in Bayern. Nur hier hetzt jeder, der nicht mit einem geregelten Feierabend gesegnet ist, noch kurz vor knapp durch die Supermarktregale.
Und es werden immer mehr: Wissenschaftler sprechen von Flexibilisierungstendenzen auf dem Arbeitsmarkt. Übersetzt heißt das: Die Zeiten fransen aus. Wenn viel zu tun ist, erwarten Unternehmen Arbeit auch nach 19 Uhr. Einkaufen ist dann nicht drin, weil in Bayern noch immer das Ladenschlussgesetz von 2003 gilt. Damals gab es noch keine Cloud, keine Smartphones, und Skype war gerade erst erfunden.
Die Arbeitswelt hat sich verändert, aber die Supermärkte sperren weiter um 20 Uhr zu. Die CSU sperrt sich beharrlich gegen eine Liberalisierung. Ihr fiel im Jahr 2012 die besondere Pointe ein, selbst den Lebensmittelverkauf an Tankstellen - für viele der Notnagel - einzuschränken. Die Regelung wurde glücklicherweise schnell wieder gekippt. Der Ladenschluss um 20 Uhr aber blieb. Dabei schaffen längere Öffnungszeiten sogar Arbeitsplätze, sagen Unternehmer, sagen Wissenschaftler. Der strenge Ladenschluss hingegen sorgt für prekäre Beschäftigungsverhältnisse: Siehe die Heerscharen von Lieferboten, die abends durch Münchens Straßen radeln.
