Contra Frühlingsfest:Rummel ohne Reiz

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Nur ein fader Abklatsch? Der kleinen Wiesn-Kopie fehlt diese seltsam mitreißende Massen-Dynamik des Oktoberfests. (Foto: Catherina Hess)

Billigdirndl, schlechtes Essen und Vorstadt-Teenies auf der Balz: Das Frühlingsfest ist eine schlechte Kopie der Wiesn - eine Provinzdult halt.

Ein Kommentar von Andreas Schubert

Noch 156 Tage bis zum Oktoberfest. Dann bekommt die Theresienwiese wieder das, was sie verdient: Sie wird von Millionen Füßen getreten, sie wird mit kracherten Sounds beschallt, sie ist für zwei Wochen der Nabel der Welt, mit allen positiven und negativen Begleiterscheinungen. Viele Münchner flüchten während dieser Tage ganz weit weg. Auf andere, die hierbleiben, übt die Wiesn eine eigenartige Anziehungskraft aus, der sie sich nur schwer entziehen können. Das macht alleine ihre umwerfende Dimension, die unüberschaubaren Menschenmassen, der kollektive Rausch und die seltsame Verzückung, die selbst die dämlichsten Lieder beim in Tracht verkleideten Feiervolk auslösen.

Dumm nur, wenn Provinzdulten diese einzigartige und nicht nachzuahmende Stimmung auf Teufel komm raus kopieren wollen, wenn auch auf kleinen Volksfesten munter drauflos gedirndlt und auf den Bänken getanzt wird. Aber so richtig mag der Funke auf solchen Festen nicht überspringen. Den kleinen Wiesn-Kopien fehlt diese seltsam mitreißende Massen-Dynamik. Und so bleiben sie nur fader Abklatsch.

Dabei könnten kleine Volksfeste so anders sein als der Münchner Riesenrummel: uriger, gemütlicher, ganz ohne Tracht und anderweitige volkstümliche Verkleidung. Mit einer anständigen Musik statt Partyband-Sound und mit vernünftigen Bier- und Speisepreisen. Aber nein, die Besucher dieser Feste denken sich: Lasst uns schon mal Wiesn üben. Oh mei!

Warum das Frühlingsfest eher Provinzdult ist

Auch das Münchner Frühlingsfest ist so eine Provinzdult mitten in der Großstadt. Es ist eine Wiesn-Kopie, auf der selbst das Hippodrom nicht mal das echte ist, das bis 2013 noch auf der Wiesn stand, sondern eine kleinere Version. Freunde des gerne als "Mini-Wiesn" titulierten Ringelpiezes loben die Gemütlichkeit, die dort herrscht. Nur, dass diese Gemütlichkeit halt keine wirkliche ist. Auch hier wird fleißig herumgepöbelt und herausgekübelt, was der Magen so hergibt. Zu Letzterem trägt auch das Essen bei, das es an vielen Ständen hauptsächlich zu kaufen gibt: fette Würstl, zähe Nackensteaks, Süßes, das einem die Speiseröhre zupappt.

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Wie angenehm ist es dagegen zum Beispiel auf dem an selbiger Stelle stattfindenden Winter-Tollwood. Dort gibt es viele wirklich ausgefallene und gute Sachen zu kaufen, das alles in Bio-Qualität. Dort wird alternative Kunst und Kultur gelebt und - das Beste: Das Tollwood-Festival ist ein Original, das kein größeres Event nachzuäffen versucht. Und Billig-Dirndl sieht man dort zum Glück (nicht nur wegen der Kälte) auch nicht.

Wie schön ist es auch jedesmal wieder auf der Auer Dult, die gleich dreimal im Jahr am Mariahilfplatz stattfindet - die nächste beginnt am 25. April. Die ist ein echtes Münchner Original mit teils kuriosen Verkaufsstanderln, ohne großen Lärm und ohne durchgeknallte Vorstadt-Teenies auf der Balz.

Was bessere Alternativen zum Bierzeltbesuch wären

Aber das Frühlingsfest? Es bleibt natürlich jedem selber überlassen, ob er es nun mag oder nicht. Wenn es nicht seine Anhänger hätte, fände es nicht zum 51. Mal statt. Okay, wenn man will, findet man schon auch gute Seiten: die Nähe zum Biergarten am Bavariapark zum Beispiel, zu dem man nur über die Straße gehen muss, oder auch zum Augustiner-Keller an der Arnulfstraße, der auch nur ein paar Minuten zu Fuß entfernt liegt. Der Flohmarkt am ersten Samstag ist ebenfalls ganz reizvoll in seiner Vielfalt und Multikulturalität. Hier gibt es so gut wie alles zu kaufen, und es lässt sich ein ganzer Tag dort verbringen, ohne dass eine Sekunde lang Langeweile aufkommt. Auch das Oldtimertreffen am Tag danach bietet so einiges fürs Auge. Aber es hilft nix: Das Frühlingsfest bleibt trotz dieser Zusatzattraktionen, was es ist: ein Rummel ohne Reiz.

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Von Thomas Schmidt

Da warten wir lieber auf das Oktoberfest und stürzen uns dort in die Menge. Sollte uns das Getümmel dann doch zu viel werden, flüchten wir auf die Oide Wiesn oder zum Beispiel ins Ammerzelt, wo es zum guten Essen auch gute (Wirtshaus-)Musik dazugibt. Das Original ist halt immer noch am besten.

© SZ vom 16.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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