Cöllner im Paragraph:Gegen das Heimweh der Rheinländer

Auf extravagante Speisen muss der Gast im "Cöllner im Paragraph" verzichten. Stattdessen bekommt er Sauerbraten und Kölsch serviert.

Karl-Heinz Peffekoven

Ein Kölsch, die Herren? Ja, gern.

Cöllner im Paragraph: "Mehr Kölsch? Ja, watt denkst du?": Köln ist überall - auch in Schwabing.

"Mehr Kölsch? Ja, watt denkst du?": Köln ist überall - auch in Schwabing.

(Foto: Foto: Stephan Rumpf)

Die Herren sitzen im CÖLLNER IM PARAGRAPH unter kölnisch rotweißen Girlanden, aus dem Lautsprecher dröhnt: "Unn upp dä Höjel, do hüllt dä Schakall". Das bedeutet: "Und auf dem Hügel, da heult der Schakal", rheinischen Jecken bekannt aus dem Indianerlied der Mundartkombo Blääck Fööss, deren Weisen tatsächlich nicht selten an das Geheul der Schakale erinnern.

Nochn Kölsch, Jungs? Wie, schon alle? Ja dann.

Hier - im Norden Schwabings! - ist alles rheinisch, nur die Bedienung nicht so ganz. Die Damen sind viel zu freundlich und viel zu hübsch, "liev unn läcke Mädsche", wie der Rheinländer sagt. Im Brauhaus zu Köln und Düsseldorf freilich regiert der "Köbes", der knurrige Regent des Ausschanks. Sagt man: Nein danke, stellt er Bier hin. Bestellt man ein Wasser, bringt er Bier: "Do iss Wassä drin."

Hier habt Ihr noch ein Kölsch. Wie? Oh, danke.

Das rheinische Bier ist ein Zwergbier: 0,2 Liter. Es wird unentwegt nachgeschenkt, große Tischrunden aus dem "Kranz", in den 12 Gläser passen. Den Herren gegenüber sitzt ein Pärchen, dessen kommunikative Basis begrenzt zu sein scheint. Das mag daran liegen, dass sie infolge eines kulturellen Missverständnisses einen großen Kranz bestellt haben und zu zweit leeren. Es läuft das Lied vom Sauna-Jupp: "Mit dem Piccolösche in dä Hand, rolle isch misch upp dä Sonnebank...".

Noch ein Kölsch? Jo nä, also... Bittesehr.

Das Cöllner i. P. liegt in einem sehr hässlichen Wohnblock, auch darin der typischen Kölner Väddels- (Stadtviertel-)Kneipe nicht unähnlich. Vor der Tür schwanken bunte Lampen im kalten Winterwind, innen dröhnt unablässig rheinische Musik von impertinentem Frohsinn, per Internet von einem kölschen Sender eingespielt. Man kann es nur hassen. Oder nur lieben. Peffekoven, vom Rhein her stammend, liebt es, vor allem nach dem vierten...

Noch ein Kölsch? Klar, Mädsche, tu uns noch Biersche.

Es gibt hier übrigens am heutigen Rosenmontag eine Karnevalsparty mit rheinischem DJ, Beginn 11 Uhr 11. Und wer sie verpasst - macht nichts. Hier ist eigentlich immer Karneval. Die Stimmung im Coellner ist vergnügt, laut, grandios, das Publikum gemischt aus heimwehkranken Rheinländern, Nachbarn und mutigen Szenegängern. Am Tresen spricht jedem mit jedem, gemäß dem Klassiker der Bläck Fööss: "Trink doch eene mit, stell Disch niddesu aan..."

Mehr Kölsch? Ja, watt denkst Du?

Zu essen gibt es alle rheinische Klassiker (viele sind's ja nicht) von Reibekuchen und Sauerbraten über Halve Hahn (Vorsicht! Kein halbes Hähnchen, sondern Käsesemmel mit Zwiebel und Salzstange) bis zu Himmel unn Ääd (gebratener Blut- und Leberwurst mit Apfelkompott und Kartoffelbrei).

Nur das Solei, das in den Vorratskammern rheinischer Gasthäuser den allgemeinen Niedergang des Soleitums überlebt hat, leider nicht. Die Küche ist auch ohne Solei schlicht, sehr schlicht.

Gegen das Heimweh der Rheinländer

Nach dem achten Kölsch fällt Peffekoven in seine Muttersprache zurück. Seine kulinarische Analyse in stark gekürzter Form:

Das Cölner im Paragraph auf maps.sueddeutsche.de

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"Dä Harry hättene Kölsche Teller unn säät: Dä Mischung ist korrek, äwe dä Material nisch. Isch saach: Hürens, Jong. Dä Toffeläschloot, dä schmäck niemie janz jong, datt weckt tief im minge Hääz Erinnerunge. Säät dä aal Clemi: Nä, isset dann möschlich? Datt Du Disch noch jetzt an watt erinnere kanns?

Unn isch: Also, datt war suu. Damals hann isch mitt dä Jongens inne Weejeh anne Ausfallstrooß inn Bonner Norden jewohnt, na watt hees jewohnt, jehaust habtä doo, hätt ming Mutte jesaat, schlimm jehaust. Äwä joot. Direkt neben uns, do wor ä Tankställ, unn bei dä Tankställ enne Imbiss, bei Olga. Unn da hätt dä Fricka, dä Worsch, da Toffeläschlot jeschmäck wie im Cöllner im Paragraf. Äwä datt Bier wor jut."

Für Münchner und andere weit rechts des Rheins wohnende Minderheiten kurz zusammengefasst: Die Mischung des Kölschen Tellers stimmte, die Qualität nicht. Der Kartoffelsalat schmeckte nicht mehr ganz frisch, was in Peffekoven verklärte Erinnerungen an einen Imbiss seiner wilden Jugendzeit im Bonner Norden weckte. (Vollständige Übersetzung unter www.sueddeutsche.de)

Nochn Kölsch, die Herren? Sische datt.

Nein, wegen des Essens kommt man nicht her. Die Leberwurst hat bei Himmel un Ääd gefehlt, die Frikadelle war quasi geschmacklos, der Kartoffelsalat leider nicht, er kitzelte die Zunge; der Sauerbraten war nicht sauer; der Brotzeitteller bestand nach Peffekovens Dafürhalten aus einfachstem Material, das Steak war ordentlich und gut durchgebraten, die Bratkartoffeln waren dafür matschig und salzlos.

Aber Peffekoven und seine Freunde haben dem Koch noch nach jedem Besuch verziehen. Es ist einfach zu schön hier, und schließlich ist Karnevalszeit. "Kumm mer jön nach Kölle und singe alaaf", dröhnt die Box. Müssen wir gar nicht. Kumm, mer jonn ins Cöllner und singe Alaaf!

COELLNER IM PARAGRAPH, Winzererstraße 49a. Telefon 30667671. www.coellnerimparagraph.de. Geöffnet Montag bis Freitag 8 bis 24 Uhr, am Wochenende 10 bis 24 Uhr.

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