Circus Roncalli: "All you need is laugh":Herdenauftrieb mit Blondinen

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Roncalli gastiert in München: mit atemberaubender Akrobatik und viel Humor. Und zur Gala gibt Uli Hoeneß den sterbenden Schwan. Ein Zirkusbesuch mit allerlei Prominenz, der fünfjährigen Tochter und erhellenden Dialogen.

Lars Langenau

Roncalli ist da. Nach drei Jahren gastiert der etwas andere Zirkus wieder in München. Diesmal an einem eher ungewöhnlichen Platz: an der Hansastraße. Eine Straße, die etwas weiter hinten - also weiter weg vom Westpark - für ein anderes Gewerbe berühmt-berüchtigt ist.

Bei einem Zirkusprogramm mit dem Titel All you need is laugh dürfen natürlich auch die Muntermacher der Manege nicht fehlen: Hier trainiert Clown David Larible die Lachmuskeln der Münchner Roncalli-Besucher. (Foto: dpa)

Trotzdem gilt das Westend als aufstrebendes Viertel. Wenn auch schon seit Jahrzehnten. Zirkusgründer Bernhard Paul nimmt das in seiner Begrüßung zur Premierenfeier mit Humor: "In München sind wir sind jedes Mal an einem anderen Platz. Weil immer dort, wo wir waren, wird ein neues Haus gebaut." Paul schließt seine kurze Eröffnung mit den Worten: "Lassen sie den Kummer draußen, freuen sie sich mit uns."

"So lang aufbleiben: Super."

Wir waren da, bei der Premiere am Freitagabend. Mit Blitzlichtgewitter und so. Mit vielen Schauspielern, Society-Menschen, Sängern, Entertainern, Moderatoren, Gastronomen, einer Drag Queen und weiteren, auffallend vielen, sehr blonden Frauen mittleren Alters. Das ist schon eine Art Herdenauftrieb falscher Blondinen, den wir hier erleben.

Und mit Paul Breitner, Ottfried Fischer, Regisseur Helmut Dietl, Schauspielerin Grit Boettcher, Ex-Sportlerin Magdalena Brzeska, Nina Ruge, Alice und Ellen Kessler, Nasen-Chirurg Werner Mang, Margot Werner, Slalomsieger Markus Wasmeier - und mit FC-Bayern-Präsident Uli Hoeneß. Doch zu dem später.

Louisa war auch dabei. Louisa ist noch kein etablierter Teil der Münchener Schickeria, das ist aber nur eine Frage der Zeit, denn sie ist ein aufstrebender Comedian. Bald wird sie sechs Jahre alt und freut sich seit einer Woche auf den Abend. "So lang aufbleiben: Super."

Und sie hat ein Gespür für die Prominenz. Als sich die Fotografen auch im Zelt noch um die besten Bilder balgen, sagt sie zu ihrem Vater: "Schau mal, die ist auch berühmt, die hat was Weißes in den Haaren." Hä? "Ja, die hat Konfetti auf den Kopf bekommen am Eingang." Süße Logik, denn wir sind an der Seite reingegangen. Ergo nicht prominent.

Vielleicht wird Louisa aber auch kein It-Girl, sondern Polizeihauptkommissarin, weil sie ein untrügliches detektivisches Gespür hat: "Die da mit den blonden Haaren ist auch berühmt", sagt Louisa inbrünstig und wir stellen sie auf die Probe: "Ja, und wie heißt die?", fragen wir naiv. "Na, Blondine".

Der Mann fürs Lächeln

Vor drei Jahren gastierte Roncalli hier zum letzten Mal. Auch damals waren wir mit Louisa da. Da war sie zweieinhalb Jahre alt und wir hatten Angst, dass sie vor Aufregung einen Herzinfarkt erleiden könnte. Nun ("Ich werde bald sechs!") ist sie cooler, abgeklärter, aber durchaus nicht weniger begeisterungswillig.

Für ein Programm mit dem nun hier in München Schluss sein wird: All you need is laugh, angelehnt an den berühmten Beatles-Song All you need ist love. Oder wie Zirkusdirektor Paul sagt: "Jeder Tag, an dem Du nicht lächelst, ist ein verlorener Tag." Für das Lächeln ist bei Roncalli vor allem ein Mann zuständig: der mit dem "Goldenen Clown" ausgezeichnete Italiener David Larible als "dummer August".

Für das Staunen hat Zirkusdirektor Bernhard Paul eine ganze Combo. Nach dem einleitenden, melancholischen Sägenspiel des Weißclowns Gensi beginnt es mit dem lebenden Barbapapa Viktor, der mit einem riesigen Luftballon allerhand Schabernack anstellt, dessen Nachahmung wir Louisa sogleich verbieten. Viktor verschwindet in dem Ballon vollständig und taucht dann irgendwie, irgendwo wieder auf.

Es schließen sich die reizende Luftakrobatin Shirley Larible und Karl Trunk mit seiner Ponydressur-Nummer an, die im Anschluss der Show von Louisa zum besten Akt gewählt wurde. Schließlich drehen sich hier die Pferdchen im Kreis, schaukeln - und eins legt sich gar ins Bett, wohin die Tochter eigentlich schon seit langem gehört.

Der Jongleur Dustin Huesca wird eher ohne Emotionen hingenommen: Weil Bälle werfen und jonglieren nun mal zum Zirkus dazugehört.

Echte Begeisterung - diesmal beim Vater - kommt dann wieder bei den lasziven Bewegungen und Verrenkungen des Trio Bellisimo auf. Die Grazien aus der Ukraine kreieren menschliche Skulpturen, bewegen sich einfach wunderbar schön. Doch das Kind bekommt ein wenig Mitleid und fragt: "Papa, tut das weh? Aber die weinen ja gar nicht."

Plötzlich kommt ein wenig Furcht auf, selbst in die Manege steigen zu müssen: "Was machen wir, wenn der Clown mich holt?" Wir ducken uns weg. Clown Larible nimmt sich ein anderes Opfer. Glück gehabt.

Aber die Fernsteuerung, mit der der Mann die Band und das Licht steuern kann, die hätte sie auch gerne: "Da könnte ich dann mal meine Schwester ausstellen."

"Wie machen die das bloß?"

Richtig los geht es erst nach der Pause, da folgt ein akrobatisches Meisterstück dem nächsten und nicht nur Louisa kommt aus dem Stauen kaum noch heraus. Aber bei seinem eigenen Kind kann man wenigstens hin und wieder noch die Kinnlade hochklappen, wenn etwa "die schnellste Modenschau der Welt" des Duos Minasov die Augen zu täuschen vermag. "Wie machen die das bloß", fragt sich Louisa - und wir wissen auch keine Antwort. Oder wenn Gummimann Andrey Romanovsky zu den abenteuerlichsten Verbiegungen in der Lage ist.

Vater und Tochter sind gleichermaßen begeistert vom Moskauer Duo Bobrov und ihrer freischwebenden Variation des ewigen Themas der ewigen Liebe, der Nummer der "luftigen Leidenschaft" - Luftakrobatik auf höchstem Niveau, die eine Love Story voller Melancholie und Dramatik erzählt. "Papa, sind die verliebt?", fragt da das Kind eher Bestätigung heischend als wirklich fragend. Eingebettet sind die Nummern in Tanzeinlagen ("Papa, was tragen die Frauen da? Unterhosen?") und vielen Beatles-Songs von Let it be bis zu St. Peppers.

Auf höchste Aufmerksamkeit stößt Burl mit seiner verspielten und begeistert gefeierten Seifenblasennummer ("Papa, das kann ich auch") und das Duo Vik & Fabrini, bei dem die Brasilianer ein hoffnungsloses Intermezzo zwischen Mensch und Maschine zeigen. Louisa ist lange überzeugt, dass es sich bei dem Gegenspieler des Zauberers um einen Roboter handelt. So täuschend echt robotermäßig sind seine Bewegungen.

Wenn da nicht die Glatze wäre

Eher skeptisch betrachtet wird hingegen der kraftvolle Bulgare Encho Keryazov, der Gewinner einer der höchsten Auszeichnungen der Zirkuswelt und Ex-Landesmeister der Sportakrobatik. Der Mann ohne ein Gramm Fett am beeindruckenden Körper zeigt so spektakuläre, aber auch elegante Körperkunst, dass es das Kind eher verstört, diesen Mann zu sehen, wenn sich der Vater schon mit Mühen aus dem Sofa quält. "Papa", fragt sie, "findest Du auch, dass der tolle Muckis hat? Aber die Glatze von dem, die stört mich."

In der komischen Oper von Clown Larible hat dann Hoeneß seinen großen Auftritt als sterbender Schwan bzw. als sterbender Ritter. Nach all dem Zoff in den vergangenen Tagen um seine Auseinandersetzung mit Trainer Louis van Gaal ein gefundenes Fressen für die Fotografen. Wir sehen schon die Bilder des Boulevards und die Schlagzeile: "Zirkus FC Bayern".

Hoeneß, inzwischen mit einem gewaltigen Bauch gesegnet, stellt sich ein wenig dumm an in der Manege als Ritter - und würde wohl im echten Leben vom Platz gestellt werden. Zumindest von Louisa: "Das ist aber kein schönes Spiel, wenn die am Ende alle Sterben."

Dabei hat sie vom Zoff bei Bayern München in den vergangenen Tagen gar nichts mitbekommen. Sie ist St. Pauli Fan. Aber Zirkus, das ist toll: "Papa, wann gehen wir da wieder hin?"

Roncalli gastiert noch bis zum 11. Dezember in der Hansastraße . Karten von 19 bis 59 Euro. Informationen und Karten: 0 18 05-22 45 22 oder unter www.roncalli.de

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