Chvrches in München:Mal lauter drehen als zuhause

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Das schottische Trio Chvrches bespielt in München das randvolle Muffatwerk. (Foto: Pressebild)

Im Internet sind Chvrches schnell groß geworden: Der Sound des gehypten Schotten-Trios ist eingängig, und das liegt vor allem am Gesang von Lauren Mayberry. Bei ihrem ersten großen Auftritt in München muss sie jedoch erst Tritt fassen.

Von Franziska Schwarz

Die Achtziger waren gerne auch mal schrill und breitbeinig, man denke an türkisfarbenen Lidschatten und diese Schulterpolster. Lauren Mayberry ist beides nicht, weder schrill noch breitbeinig. Ihre Band Chvrches erhält seit jeher das recht ausgeleierte Label "Achtziger-Synthiepop", unter das auch gewagte Akrobatik am Mikrofonständer oder hautenge moonwashed Jeans fallen würden. Mayberry allerdings hält sich - wie die meiste Zeit des Abends - am Mikrofonständer fest, als sie nach dem zweiten Track erklärt: "Das ist unser erster großer Gig in München."

Das schottische Trio Chvrches bespielt an diesem Abend das randvolle Muffatwerk. Im Internet sind Chvrches 2011 sehr schnell sehr groß geworden, als sie mit "Lies" und "The Mother We Share" wirklich eingängigen Pop posteten: Synthesizer, Bässe und eine zarte Stimme - inzwischen sind sie auf großen Live-Bühnen verlangt und in ihrem Zusammenhang fallen gerne Achtziger-Größen wie Kate Bush, die Cocteau Twins oder Cindy Lauper, einige ihrer musikalischen Vorbilder.

Doch "Mädchen-wollen-vor-allem-Spaß"-Cindy Lauper schneidet gerne Grimassen - bei Mayberry erkennt man von dieser Attitüde an diesem Abend nicht viel. Bei den ersten Tracks klingt ihre Stimme noch etwas schief, sie verfehlt manche Note, dann fasst sie Tritt.

Tourerfahrung hat die Band inzwischen ja genug. Zahlreiche Festivals haben sie seit ihrer Gründung bespielt, bis sie sogar Vorband von Depeche Mode wurden. Dem Musikmagazin Out Of Order teilte Mayberry längst mit: "Man erkennt genau, wenn eine Band keine Lust auf Live-Auftritte mehr hat - wir versuchen das zu vermeiden."

Für Zeilen wie "With teeth we've come this far/I'll take this thing by the throat and walk away", die ihr auf Melodien angelegtes Songwriting unterwandern, wird Mayberry oft gelobt - aber auf der Bühne muss sich auch etwas tun. Vor dem Neon-Dreieck und im lila oder blauen Kunstnebel geht die 26-Jährige ein bisschen unter, selbst wenn sie leise Witze macht. Wie etwa über die Qualität der Drumsticks made in Germany, aber dabei vorrauseilend hinzufügt: "Ich darf das sagen, weil man Vater für eine deutsche Firma arbeitet."

Das Publikum wippt zufrieden mit

Als Bandkollege Martin Doherty, meist zuständig für die Synthesizer, für einen Track das Mikro in die Hand nimmt, kommt Leben in die Halle. Er macht, anders als Mayberry, auch mal einen Satz nach vorne oder reißt die Arme in die Luft - und das Publikum tut es ihm direkt nach.

Die Mitglieder von Chvrches könnten auch ganz andere Dinge machen: Doherty hat schon in einer Reihe von schottischen Kult-Bands gespielt. Sein Uni-Freund Iain Cook hat Architektur studiert, bevor er anfing, für TV-Anzeigen und fürs Kinderfernsehen zu komponieren. Mayberry hat eine Abschluss in Jura und eine Journalismus-Ausbildung, ihr Schwerpunkt sind Feminist studies, sie schrieb einige Jahre für Publikationen wie Big Issue oder den Independent. Als ihr die Anzüglichkeiten auf dem bandeigenen Facebook-Profil zu viel wurden, wehrte sie sich mit einem Essay im Guardian.

Bei eingängigen Melodien wie ihren Hits "The Mother We Share" oder "Recover" wippt das Publikum zufrieden mit. Die Smartphone-Kameras sind die ganze Zeit in der Luft. "Extrem niedlich ist sie schon", sagt die Konzertbegleitung. Sie reckt den Hals genauso wie die anderen zahlreich erschienenen Männer. Mayberry ist für ihre Selbstironie bekannt, zu einem MTV-Reporter sagte sie einmal sogar, sie sei ein "scumbag non-musician".

Das stimmt natürlich nicht. Chvrches haben schon Kollegen wie Prince, Bauhaus, die Arctic Monkeys, Lorde oder East 17 gecovert. Über ihre Begeisterung für Whitney Houston spricht Mayberry viel, wegen "It's Not Right But It's Okay", der Comeback-Single der Diva, begann sie einen Streit in der High School. Später interpretierte Mayberry den R'n'B-Track mit ihrer Band selbst - schade, dass heute keine der Coverversionen der Band drankommt.

Vor knapp zwei Jahren gaben Chvrches ihren ersten Gig, in kleiner Runde in der Kunstakademie in ihrer Heimatstadt Glasgow. Damals entschied sich auch, dass sie sich mit "v" schreiben, weil man das besser googeln kann als nur "Kirche". Die drei Musiker legen viel Wert auf engen Fan-Kontakt auf den Social-Media-Kanälen - doch eine große Konzerthalle ist nochmal etwas anderes. Als die Show nach gut einer Stunde endet, tritt das Publikum den geordneten Rückzug an. Mayberrys Gesang hat das Ganze zwar getragen, aber etwas breitbeiniger hätte sie wohl auftreten dürfen.

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