Christian Ude über Stadtwerke:"In krassen Fällen Löhne senken"

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Die Münchner Stadtwerke sind in die Kritik geraten, weil sie Leiharbeiter als Busfahrer beschäftigen und eine Billiglohn-Tochter für neue Fahrer gründen wollen. Oberbürgermeister Christian Ude äußert dafür nun teilweise Verständnis.

D. Hutter und S. Lode

Die Stadtwerke sind in die Kritik geraten, weil sie Leiharbeiter als Busfahrer beschäftigen und eine Billiglohn-Tochter für neue Fahrer gründen wollen. Oberbürgermeister Christian Ude erläutert, warum er zwar über die SWM-Führung verärgert ist, für ihre Pläne aber dennoch Verständnis hat.

Der Nahverkehr stellt Ude vor ein Dilemma: Entweder schreibt die MVG schwarze Zahlen, oder ihre Linien werden ausgeschrieben. (Foto: Robert Haas)

SZ: Können Sie sich am 1. Mai noch auf das Gewerkschaftspodium stellen und glaubwürdig gleichen Lohn für gleiche Arbeit fordern?

Christian Ude: Selbstverständlich, ich sage heute nichts anderes als bei den 17 bisherigen Mai-Kundgebungen meiner Amtszeit. Ich habe immer wieder darauf hingewiesen, dass wir ein großes Problem lösen müssen, nämlich die krassen Unterschiede im Lohnkostenniveau zwischen öffentlichen und privaten Arbeitgebern. Wir haben diese Situation am Flughafen, bei Entsorgungsunternehmen und im Nahverkehr.

SZ: Kern des Problems sind doch nicht die Lohnunterschiede, sondern die Kosten der Verkehrsbetriebe insgesamt.

Ude: Wir dürfen Aufträge nur ohne Ausschreibung erteilen, wenn die Verkehrsbetriebe ohne Defizite arbeiten. Wir sind gezwungen, die Betriebskosten selbst zu erwirtschaften, wenn wir die Arbeitsplätze dauerhaft sichern wollen. Das gelingt immer weniger, wenn die Kostenbelastung immer größer wird. Auf diese ökonomische Realität habe ich die Gewerkschaften immer hingewiesen.

SZ: Wäre es nicht fairer, die Last auf mehrere Schultern zu verteilen? Mit der Tochter trifft es nur die neuen Fahrer.

Ude: Es geht nicht nur um die Fahrer, sondern darum, dass wir gezwungen sind, die Wirtschaftlichkeit des Unternehmens zu steigern. Das ist ausdrücklicher Wille des europäischen Gesetzgebers. Allerdings haben wir der Belegschaft vor einigen Jahren vertraglich Bestandsschutz zugesichert. So kommt es zu unterschiedlichen Bedingungen zwischen bestehenden und neuen Arbeitsverhältnissen. Wer das kritisiert, müsste die Gewerkschaften bitten, keine solchen Vereinbarungen mehr zu treffen.

SZ: Man kann also sagen, die ältere Generation darf ihre Besitzstandswahrung auf Kosten der jüngeren betreiben.

Ude: Das ist bei jeder Bestandsschutzsicherung so.

SZ: Kritisieren Sie diese Politik der Gewerkschaften?

Ude: Eine Gewerkschaft muss darüber nachdenken, wie sie die Interessen zwischen jahrzehntelangen Mitgliedern und möglichen Neumitgliedern austariert. Man sollte es mit dem Bestandsschutz nie übertreiben, wenn das bei Neueinstellungen zu eklatanten Verschlechterungen führt. Die Gewerkschaften sind in einer fürchterlich schwierigen Situation, wenn sie einer Stammbelegschaft erzählen sollen, dass das heutige Lohnniveau nicht mehr wettbewerbsfähig ist. Aber das entbindet den Arbeitgeber nicht von seiner Pflicht, für eine dauerhafte Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens zu sorgen. Sonst fahren wir den öffentlichen Sektor an die Wand.

SZ: Wenn Sie sich jetzt für die Gründung einer Billiglohn-Tochter aussprechen, werden Sie aber wortbrüchig. Als die Stadtwerke zur GmbH wurden, haben Sie gesagt, mit Ihnen werde es solche Ausgründungen nicht geben.

Ude: Ich habe mich noch gar nicht für die Gründung ausgesprochen, weil ich erst die Zahlen auf dem Tisch haben will. Ich habe nur ausdrücklich die Tür zu einer solchen Neugründung offen gelassen und anerkannt, dass es dafür gute Gründe gibt. Aber wir haben noch keine präzisen Vorstellungen, welches Lohnniveau diese neue Gesellschaft - wenn sie überhaupt gegründet wird - vereinbaren soll. Unsere Garantie, dass die bestehende Belegschaft nicht Opfer einer Ausgründung wird, halten wir ein. Das war aber keine Aussage für neue Beschäftigungsverhältnisse in aller Zukunft.

SZ: Aber haben Sie als SPD-Politiker kein Problem damit, sich hinzustellen und niedrigere Löhne zu fordern? Darauf läuft es doch hinaus.

Ude: Ich will gleichen Lohn für gleiche Arbeit, bei öffentlichen wie bei privaten Unternehmen. Ich habe immer von einer Annäherung gesprochen, die nicht auf einen Schlag realisierbar ist. Aber schrittweise. Durch Anhebung des privaten Tarifs, aber auch durch Verlangsamung des Lohnanstiegs bei den öffentlichen Unternehmen und in besonders krassen Fällen durch Absenkungen.

SZ: Die Annäherung ist aber bisher nach unten immer erfolgreicher. Sie können ja gar keinen Einfluss auf die privaten Tarife nehmen.

Ude: Das kann eine städtische Stelle in der Tat nicht, aber ich kann immer wieder betonen, dass es zu einer Annäherung kommen muss. Und den größeren Nachholbedarf haben die Privatunternehmen. Der Gewerkschaft fällt es nur furchtbar schwer, bei den Privaten vernünftige Tarifverträge durchzusetzen.

SZ: Sind die Verkehrsbetriebe nur der Anfang? Müssen sich auch andere städtische Unternehmen mit privater Konkurrenz auf Billiglohn-Töchter einstellen?

Ude: Bei der Abfallwirtschaft sehe ich eine gefestigte Marktposition, bei der Sparkasse zahlen wir mehr Prämien als private Banken. Die Debatte bei den Kliniken halte ich für abgeschlossen, weil Küchen- und Reinigungspersonal nicht die großen Kostenbeträge sind. Beim Verkehr gehören die Lohnkosten zu den größten Kostenfaktoren insgesamt. Ich bin in jedem Einzelfall für die Prüfung von Alternativen, mit denen die Wirtschaftlichkeit auch hergestellt werden kann. Deswegen bin ich der SWM-Geschäftsführung ernsthaft böse, dass sie dieses Thema wie eine Lawine losgetreten hat, ohne dass eine sorgfältige Prüfung, was tatsächlich geschehen muss, überhaupt stattgefunden hat.

SZ: Wenn Sie zu dem Ergebnis kommen, dass eine SWM-Tochter die richtige Lösung ist, können Sie das mit der SPD überhaupt durchsetzen? Ihr Parteichef Ulrich Pfaffmann sagt, er werde keine Tochter mittragen, die die Arbeitnehmer schlechter stellt.

Ude: Das halte ich für eine sehr vollmundige Erklärung, die man in der Praxis möglicherweise nicht durchhalten kann. Jeder, der hier ein eiliges Wort auf den Markt wirft, soll prüfen, welche Weiterungen seine Aussage haben kann. Ich halte es für unerfreulich, dass ein Teil des Kostenwettbewerbs sich im Lohnbereich abspielt. Aber ich kann das in Unternehmen mit hohem Lohnkostenanteil nicht einfach leugnen. Der Schutz, den wir brauchen, dass es nicht zu einem unanständigen Lohndumping kommt, ist der Mindestlohn.

SZ: Und was ist mit der Kritik an der Leiharbeit?

Die ist voll gerechtfertigt. Leiharbeit darf keine Billiglohnvariante zur Daueranstellung sein. Dagegen ist bei der MVG verstoßen worden, und da gehöre ich zu den Kritikern, die sagen: Das kann nicht sein. Da gibt es auch im Stadtrat große Einmütigkeit.

Ude: Gibt es eigentlich einen Anlass für die Gründung einer Tochter?

SZ: Die MVG steht wie alle öffentlichen Verkehrsunternehmen vor der dramatischen Situation, dass sie unterfinanziert ist und die Öffentlichkeit sagt, bei der Tarifschraube beim Fahrgast sei die Grenze des Zumutbaren bald erreicht. Ich halte es für völlig abwegig, die Hände in den Schoß zu legen. Die Münchner Stadtwerke hätte es als Energieunternehmen weggefegt, wenn wir Jahre vertrödelt hätten, anstatt uns auf das vorzubereiten, was kommt.

© SZ vom 21.01.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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