Chinesische Kochkunst:Der Herr der Tausend Nudeln

Im Restaurant Mangostin zeigt der chinesische Koch und Teigkünstler Xiao Lin, wie man in einer Minute Tausende Nudeln macht.

Astrid Becker

Normalerweise geht das doch ganz anders! Denkt zumindest der Europäer. Jener, ist er denn des Kochens mächtig, braucht, um Nudeln selbst herzustellen, eine Maschine. Xiao Lin hingegen genügen dafür die Hände. Aus einer Kugel Teig fertigt der junge Mann aus Guangzhou endlos lange Nudeln, die klassischerweise so fein sein müssen, dass sie durch ein Nadelöhr passen, wie der chinesische Volksmund sagt.

Es ist tatsächlich ein schier unglaubliches Schauspiel, das Xiao Lin im asiatischen Restaurant Mangostin von Stephan Kuffler und Joseph Peter vorführt. Er streut ein wenig Mehl auf seine Arbeitsplatte, nimmt den vorgefertigten Teig, knetet ihn, zieht ihn auseinander, dann faltet er ihn wieder zusammen. Irgendwann dreht er das Ganze zu einer Spirale, wirft es in die Luft, zieht wieder, faltet wieder, wirft wieder.

Auf einmal sind aus dem Batzen zwei Stränge geworden, dann vier, dann acht, dann sechzehn, dann zweiunddreißig - und an dieser Stelle spätestens gibt der Europäer das Zählen auf. Zumal die Sache mit der Nudelherstellung nicht einmal eine Minute dauert. Vielmehr werden aus einer Kugel Teig so schnell hauchdünne Nüdelchen, dass die einzelnen Arbeitsschritte kaum nachzuvollziehen sind.

Sieben Jahre lang, erzählt Xiao Lin später, habe er diese Kunst erlernt. Zu Hause von seinen Eltern, und später in einer der vielen Kochschulen, die es heute in China gibt. Denn diese Kunst war früher nur dem Hofe des Kaisers in der Verbotenen Stadt vorbehalten, die Nudelherstellung und der anschließende Verzehr davon sozusagen ein Privileg, von dem nur die Monarchenfamilie profitierte. Heute ist diese Art der Nudelherstellung zwar in ganz China verbreitet, es bedarf jedoch einer sehr besonderen Fingerfertigkeit, um sie zu beherrschen.

Das Münchner Gastspiel des Nudelmeisters

Xiao Lin schafft es, aus einer einzigen Kugel Teig 4000 Meter Nudeln zu formen - dünne, aber inzwischen auch breite, runde und eckige, jedoch immer extrem lange. Die Nudeln müssen dabei am Stück bleiben, dürfen nicht brechen. Joseph Peter, der kulinarische Kopf des Mangostin, hat Xiao Lin im Kempinksi Hotel Beijing gesehen und beschlossen, ihn nach München zu holen. Acht Monate dauerte es, bis die bürokratischen Formalitäten dafür erledigt waren.

Jetzt führt Xiao Lin also seine Kunstfertigkeit in München vor - bis zum 25. November. Für ihn bedeutet das: täglich insgesamt einen Zentner Weizenmehl mit Wasser, Salz und ein wenig Öl zu kneten. Diese Menge werde aber nicht auf einmal verarbeitet, denn der Teig, so sagt auch Peter, dürfe nicht älter als zwölf Stunden sein.

Ein kleines Küchengeheimnis verrät er auch noch: Kieselsäure werde beigemischt, damit die Stärke in den Nudeln nicht verkleistert. Ansonsten helfe noch das ständige Bestäuben des Teiges mit Mehl, damit sich die Nudeln säuberlich trennten. Eine Weisheit, die möglicherweise sogar schon 4000 Jahre alt ist. Denn so lange gibt es Nudeln schon. Die Nudelmaschine hingegen ist viel jünger: Ob sie aber schon von den Chinesen im Mittelalter oder erst von den Italienern im 20. Jahrhundert erfunden wurde, darüber streiten die Gelehrten.

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