Französisches Restaurant "Chez Philippe":Charmeur in Giesing

Das Beste an "Chez Philippe" ist der herzliche Gastgeber. Der Koch des französischen Restaurants braucht sich allerdings auch nicht zu verstecken.

Sarina Pfauth

Als hätte jemand ihn und sein Restaurant hierher gebeamt, in eine fremde Welt: Das kleine, hellblau getünchte Häuschen an den Trambahnschienen steht in einer Gegend, in der man eher keine hochklassigen, französischen Lokale vermuten würde. Gleich beim ersten McDonalds-Restaurant Deutschlands und dem Grünwalder Stadion, nahe am Mittleren Ring und direkt neben einem Gebrauchtwagenhändler.

Französisches Restaurant "Chez Philippe": Das Beste an "Chez Philippe" ist der herzliche Gastgeber. Der Koch des französischen Restaurants braucht sich allerdings auch nicht zu verstecken.

Das Beste an "Chez Philippe" ist der herzliche Gastgeber. Der Koch des französischen Restaurants braucht sich allerdings auch nicht zu verstecken.

(Foto: Foto: Pfauth)

Aber der Wirt hat sich nicht abschrecken lassen vom spröden Charme Giesings und ist fest davon überzeugt, dass dieser Stadtteil nach Glockenbach und Westend das nächste In-Viertel wird. Und Fachkenntnis darf man ihm durchaus zugestehen: 15 Jahre lang war "Chez Philippe" im Glockenbachviertel, bevor die Brasserie vor viereinhalb Jahren nach Giesing zog.

Die Kessler-Zwillinge waren schon hier, steht auf der Internet-Seite der Brasserie, genauso wie Wolfgang Fierek und Gianna Nannini. Und Chris de Burgh soll angeblich Stammgast sein.

An einem verregneten Abend gehen wir durch die weißgetünchte Holztür und einen dicken, blauen Samtvorhang ins Innere von "Chez Philippe". Dass es ein echter Franzose sein muss, der die Gäste hier erwartet, wissen wir schon: Denn auf den Schiefertafeln an der äußeren Hauswand steht die Abendkarte in geschwungenen, kleinen Buchstaben, wie sie nur Menschen schreiben, die in Frankreich die Grundschule besucht haben.

Der Wirt eilt uns entgegen. "Darf ich Ihnen den Mantel abnehmen? Und den Schal auch? Hier ist es warm!" Selten, dass man als Gast so herzlich empfangen wird. Um es gleich zu sagen: Das Beste an "Chez Philippe" ist der herzliche Gastgeber. Philippe Lelodey ist offen, locker und freundlich, aber trotzdem sehr zurückhaltend. Er hat eindeutig den richtigen Beruf gefunden.

Klein, aber fein

Wir setzen uns an einen der kleinen, weiß eingedeckten Tische. Außer uns sind nur noch drei Gäste hier. Ein paar Weitere hätten zwar noch Platz - besonders groß ist das Restaurant aber nicht. Wir zählen die Stühle, es sind insgesamt nur 24. Später entdecken wir noch einen kleinen Nebenraum, in den wohl allerhöchstens noch zehn Gäste zusätzlich passen.

Der Chef empfiehlt uns den Hauscocktail als Apperitiv: "Wie Kir Royal, nur ohne Cassis, aber dafür mit etwas anderem." Womit Philippe den Champagner aufgepeppt hat, können wir nicht genau herausschmecken, aber die Kombination passte jedenfalls sehr gut: Der Cocktail schmeckte frisch, etwas zitronig und leicht würzig.

Wir schauen in die sehr kleine Speisekarte. Drei Vorspeisen, drei Nachspeisen, der Chef nennt uns noch ein Hauptgericht und zwei weitere Vorspeisen, die er zusätzlich im Angebot hat. Außerdem steht ein Überraschungsmenü auf der Karte: Drei Gänge für 33 Euro, vier Gänge für 39 Euro.

Wir beschließen, dass einer von uns sich überraschen lässt, der andere bestellt zunächst den als "Klassiker des Hauses" angepriesenen Ziegenkäse in Knuspermantel mit Lavendelhonig und Salat. Zuerst reicht uns der Chef einen Gruß des Hauses: Gänserillette ("selbstgemacht!") mit gerösteten Baguettescheiben, die an Zwieback erinnern (ebenfalls selbst gemacht).

Die Fleischpastete wird in einem kleinen Töpfchen serviert und schmeckt kräftig und gut gewürzt. Noch besser als zu den trockenen Brotchips passt sie allerdings zu dem weichen Baguette, das eigentlich als Begleitung für die Vorspeise vorgesehen war.

Angst vor Duftseife: unbegründet

Zum Essen hat uns der Gastgeber einen Rotwein vom Weinberg der Familie Mock empfohlen, die das Gut in Frankreich in fünfter Generation führt. Der Capitoul Langedoc-La Clape (0.75 l für 30 Euro) ist ein guter Wein - fruchtig und trocken, wie gewünscht - mit einem herrlichen Bouquet.

Als ersten Gang des Überraschungsmenüs serviert Philippe Lelodey eine Quiche Lorraine mit Salat. Die Konsistenz des üppigen Stücks ist perfekt, sie ist außerdem nicht zu salzig, nicht zu lasch. Wir sind beglückt: So muss Quiche schmecken. Beim Salat merken wir, dass der Küchenchef Wert auf die Qualität seiner Zutaten legt - die Blätter sind frisch und knackig und schmecken herrlich nach Garten.

Auch am Balsamico-Dressing haben wir rein gar nichts auszusetzen. Der lauwarme Ziegenkäse erscheint eingepackt in einen knusprigen Strudelteig. Das Päckchen duftet nach Lavendel - aber sehr dezent. Die Angst, dass etwas auf dem Teller landen wird, das nach Duftseife riecht, war völlig unbegründet.

Seite 2: Wie der Hauptgang geschmeckt hat und warum die Gäste manchmal die Tische zur Seite schieben

Zwischen Vor- und Hauptspeise beobachten wir die anderen Gäste, die offenbar alle drei das Überraschungsmenü gewählt haben - und ganz anderes Essen serviert bekommen als wir. Der Koch streckt seinen Kopf immer wieder durch die Durchreiche, trinkt mit dem Wirt ein Gläschen Cidre und verschwindet dann wieder in der Küche.

Tanzen bis zum Morgen

Die beiden arbeiten schon seit 18 Jahren zusammen. Philippe fängt an, laut die französischen Popsongs vom Band mitzusingen. Ein Mann kommt zur Tür herein, bestellt ein Glas Wein und blickt verträumt ins Leere. Die kleine Brasserie ist mit Zweiertischen bestückt, die bei Bedarf zusammengeschoben werden. Gleich neben dem Eingang steht ein Klavier, dass hin und wieder für Live-Musik-Abende genutzt wird. Manchmal schieben die Gäste dann ihre Tische zur Seite und tanzen bis in die frühen Morgenstunden.

Als nächsten Gang haben wir gefüllte Wachtel nordafrikanischer Art mit Couscous (17,50 Euro) gewählt, das Überraschungsmenü wird mit einem Boeuf Bourguignon fortgesetzt, das der Wirt, der einen ganz wunderbaren französischen Akkzent spricht, mit "wie Oma kocht" kommentiert. Und so schmeckt es auch tatsächlich: Das Rindfleisch zerfällt auf der Zunge, die Soße ist dunkel und schmeckt kräftig und nach Rotwein, Schalotten und Karotten.

Es ist ein Oma-Gericht - und zwar ein sehr gut zubereitetes. Der Klecks Kartoffelbrei ist zwar ein bisschen klein ausgefallen, passt aber bestens dazu. Auch das Fleisch der Wachteln ist zart und saftig, der Couscous mit Rosinen ist locker und schmeckt fein nach Butter. Die Wachtel-Füllung besteht zu einem Teil aus süßen Trockenfrüchten, die ganz hervorragend zu dem Gericht passen. Nur der zweite Bestandteil der Füllung stört uns: Das Brät ist zu dominant und unorientalisch für dieses Gericht. Außerdem ist die Soße zu paprikalastig.

Ein nahezu perfektes Dessert

Beim Nachtisch wollen wir uns zunächst für eine Crème Brulée entscheiden. "Langweilig!" findet der Kellner. "Das können Sie überall bekommen." Wir lassen uns umstimmen und bestellen eine Tarte (7,50 Euro). Die weichgekochten, karamellisierten Äpfel sind wunderbar süß, kombiniert mit dem knusprigen Teig und dem Klacks Crème Fraîche sind sie ein nahezu perfektes Dessert. Nur ist der Teigrand ein wenig dunkel und dadurch bitter geworden, weshalb die Begeisterung am Ende ein kleines bisschen nachlässt.

Der Überraschungsnachtisch, Ananas-Salat mit Minze und einem sehr sahnigen, nicht zu süßen Kokos-Parfait ist ebenfalls ein Volltreffer.

Fazit: Wer gute, typisch französische Küche sucht und Wert auf freundlichen Service legt, ist hier gut aufgehoben. Ein Abend bei "Chez Philippe" ist teurer als einer beim Pizzabäcker um die Ecke - er bleibt aber auch länger in Erinnerung.

Einzig Leute, die auf sehr moderne Küche aus sind, werden hier wohl nicht besonders glücklich. Denn alle Gerichte schmecken ein bisschen "wie Oma kocht". Was durchaus als Kompliment gemeint ist: Wer eine solche Oma hat, kann sich sehr glücklich schätzen.

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