Carsharing:Mehr Autos - aber weniger Parkplätze

Münchner Freiheit. Oberbürgermeister Dieter Reiter präsentiert Münchens 1. Mobilitätsstation. neues zukunftsweisendes Mobilitätsangebot

Die Mobilitätsstation von Drive Now an der Münchner Freiheit.

(Foto: Florian Peljak)

Der Plan des Kreisverwaltungsreferats, wegen der Car-Sharing-Booms Abstellflächen für private Kfz zu streichen, löst ein sehr unterschiedliches Echo aus: Die CSU will keine pauschale Lösung, Grüne und Ökoverbände sind dagegen dafür

Von Marco Völklein

Für Michael Mattar geht es darum, "einen Trend aufzuhalten". 1500 Kfz-Stellplätze innerhalb der Parklizenzzonen aufzulösen, wie es das Kreisverwaltungsreferat (KVR) nun plant, das komme für die Fraktion "Freiheitsrechte, Transparenz und Bürgerbeteiligung" (FTB) nicht infrage. In ihr haben sich FDP, die Wählergruppe Hut und die Piraten zusammengetan. Vor gut einem Jahr schon hatte der FTB-Fraktionschef eine Anfrage an die Verwaltung gestellt. Mattar wollte wissen, wie viele Kfz-Stellplätze in den vergangenen Jahren innerhalb der Parkwapperlgebiete aufgelöst wurden zugunsten von Fahrradabstellanlagen und Freischankflächen oder weil Einmündungen umgebaut wurden. Die Antwort: Von 2002 bis 2014 sank die Zahl der Kfz-Stellplätze, die tagsüber zur Verfügung stehen, um 1700, nachts ging sie sogar um 1850 Stellplätze zurück. Jetzt also weitere 1500 Plätze umzuwandeln, um Stellflächen für Fahrräder oder Carsharing-Autos zu schaffen, sei "ausgesprochen problematisch", findet Mattar.

Genau das aber haben die Verkehrsplaner des Kreisverwaltungsreferats (KVR) vor. Seit 2011 können Carsharing-Anbieter wie Drive Now, Car2go, Flinkster oder Citeecar ihre Mietfahrzeuge am Straßenrand abstellen. Dafür kaufen sie eine Lizenz bei der Stadt. Eine Studie im Auftrag des KVR ergab nun: Jedes Carsharing-Auto in München ersetzt etwa drei Privatfahrzeuge. Damit wurden 1500 Kfz-Stellplätze frei. Dieser Platz soll nach dem Willen der KVR-Planer umgenutzt werden - zum Beispiel, um reine Carsharing-Stellplätze einzurichten. Oder um zusätzliche Fahrradabstellplätze zu schaffen. Denkbar wäre auch, Mobilitätsstationen in den Stadtteilzentren aufzubauen. Dort können Nutzer von Bussen und Bahnen auf Carsharing-Autos oder die neuen Mietfahrräder der Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) umsteigen. Eine erste solche Station mit sechs Carsharing-Autos, 20 Mietfahrrädern und einer Ladesäule für Mietautos mit E-Antrieb gibt es an der Münchner Freiheit.

Das Carsharing zu fördern, sei zwar grundsätzlich eine gute Idee, sagt Johann Altmann (Freie Wähler). Doch zuvor sollte man abwarten, ob sich die Station an der Münchner Freiheit bewährt. "Ich warne vor Schnellschüssen", sagt Altmann - und spricht sich gegen die Auflösung von 1500 Stellplätzen in den Parklizenzzonen aus. Denn auch wenn die Carsharing-Autos einige Privat-Pkw ersetzen - die Zahl der zugelassenen Pkw sei von 2006 bis 2014 um sieben Prozent gestiegen. "Damit nimmt auch der Parkdruck in den Wohngebieten zu", sagt Altmann. Michael Haberland nennt den KVR-Vorschlag sogar "Unsinn": "Die Bürger lieben ihr eigenes Fahrzeug und das wird auch so bleiben", glaubt der Chef des Automobilklubs "Mobil in Deutschland". Carsharing werde in München eine Nische haben, "aber irgendwann auch an Grenzen stoßen".

Ähnlich sieht es die Rathaus-CSU: Carsharing sei zwar ein "moderner Mobilitätsbaustein", sagt Stadtrat Alexander Dietrich. Deshalb sei es auch richtig, wie vom KVR vorgeschlagen, die Gebühren für die Anbieter zu senken und die bisherige Obergrenze von 500 Autos je Anbieter abzuschaffen. "Ich kann mir aber nicht vorstellen, pauschal 1500 Stellplätze umzuwidmen", sagt Dietrich. Vielmehr müsse die Stadt "mit Augenmaß" vorgehen und sich jede Zone einzeln anschauen. Schließlich sei "in den jeweiligen Parklizenzgebieten der Parkdruck punktuell unterschiedlich hoch". Von der SPD war bis Redaktionsschluss keine Stellungnahme zu erhalten.

Unterstützung für den KVR-Vorschlag signalisieren indes Grüne, ÖDP und Umweltverbände. Wer die Zahl der Privat-Pkw senken wolle, müsse "attraktive Alternativen vor der Haustür bieten", sagt Andreas Schuster von Green City. Auch ÖDP-Stadträtin Sonja Haider findet es sinnvoll, Carsharing-Nutzer gegenüber privaten Pkw-Besitzern zu privilegieren und es ihnen zu ermöglichen, dank reservierter Flächen schneller einen Parkplatz zu finden. Dazu müsste zwar nach Auskunft von Verkehrsjuristen der Bund zunächst die Gesetzeslage anpassen, Branchenkenner gehen aber davon aus, dass dies im Laufe des kommenden Jahres geschehen wird.

Grünen-Stadtrat Paul Bickelbacher glaubt, eine Umnutzung der Kfz-Stellplätze "würde der Stadt insgesamt gut tun". Seine Parteikollegin Sabine Nallinger fordert unterdessen, die Stadt solle mit "Bürgerdialogen" auf die Bewohner der Stadtviertel mit Parklizenzgebieten zugehen - und sie so auf die Carsharing-Angebote aufmerksam machen. Mit solcher Reklame könne man "noch viel mehr Leute für das Projekt gewinnen". Sebastian Hofelich, Geschäftsführer der BMW-Tochter Drive Now, würde sich sicher über niedrigere Gebühren freuen. "Noch wichtiger aus einer kommunalen Perspektive sollte jedoch die Umwidmung von Parkflächen sein", appelliert er an die Stadträte. So könne man mehr Menschen Carsharing-Autos zur Verfügung stellen und sie zum Verzicht aufs eigene Auto bewegen. "Die Entlastungswirkungen können so deutlich gesteigert werden."

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