Carsharing:Das Münchner Finanzamt bremst Stattauto aus

Carsharing: Um ihre Zukunft sorgen sich die Mitarbeiter der Werkstatt A 24. Geschäftsführerin Petra-Maria Klier will gegen die Bescheide vorgehen.

Um ihre Zukunft sorgen sich die Mitarbeiter der Werkstatt A 24. Geschäftsführerin Petra-Maria Klier will gegen die Bescheide vorgehen.

(Foto: Alessandra Schellnegger)
  • Das Finanzamt München hat Stattauto den Status der Gemeinnützigkeit aberkannt.
  • Für die Jahre 2013 und 2014 muss das Unternehmen nun eine Million Euro nachzahlen.
  • Zudem ist die Zukunft der gemeinnützigen A24-Werkstätten bedroht, die mit Stattauto in der Spectrum Mobil GmbH zusammengefasst sind.

Von Andreas Schubert

Seit 1992 gibt es den Carsharing-Anbieter Stattauto. Jetzt steckt das Unternehmen nach eigener Aussage in ernsthaften Schwierigkeiten. Der Grund: Das Finanzamt München hat Stattauto den Status der Gemeinnützigkeit aberkannt. Rückwirkend muss Stattauto für die Jahre 2013 und 2014 laut Geschäftsführerin Petra-Maria Klier eine Million Euro nachzahlen. Eine ähnlich hohe Nachzahlung drohe für die Jahre 2015 und 2016. Dann, sagt Klier, stehe auch die Zukunft der gemeinnützigen A24-Werkstätten auf der Kippe.

Die Werkstätten und Stattauto sind seit 2013 in der Spectrum Mobil GmbH zusammengefasst. In den Werkstätten sind etwa 120 Menschen beschäftigt, die auf dem normalen Arbeitsmarkt keine Chance hätten. Hier arbeiten unter anderem Menschen mit schwierigem sozialen Hintergrund, psychischen Problemen oder gesundheitlicher Beeinträchtigung. Spectrum Mobil sieht in der Ausbildung und Beschäftigung dieser Menschen einen ganz klaren sozialen Auftrag. Finanziert wird die Ausbildung laut Klier aus den Erlösen des Carsharing, unter anderem werden auch die Autos von Stattauto in den A24-Werkstätten repariert.

Stattauto selbst beschäftigt ebenfalls Auszubildende, die sonst keine Stelle finden würden, zum Beispiel im Büro. Betreut werden die Mitarbeiter von einer soziapädagogischen Fachkraft. Dieses Modell, fürchtet Klier nun, könnte scheitern, wenn Stattauto Insolvenz anmelden müsste. "Unter den Leuten herrscht eine extreme Angst, dass sie ihre Beschäftigung verlieren", sagt Klier.

12 500 Kunden sind bei Stattauto registriert, ihnen stehen etwa 450 Fahrzeuge an 115 Stationen im Stadtgebiet und Münchner Umland zur Verfügung. Am Freitag vergangener Woche teilte das Unternehmen den Nutzern nun mit, dass es mit dem Verlust der Gemeinnützigkeit künftig 19 Prozent Mehrwertsteuer berechnen müsse, statt wie bisher sieben Prozent. Das bedeutet für die Kunden, dass sie künftig mehr zahlen müssen. Aber dass so ein möglicher Wettbewerbsnachteil entsteht, ist nicht das Problem, um das sich Petra-Maria Klier Sorgen macht.

Sie sieht Stattauto nicht als direkte Konkurrenz zu anderen kommerziellen Münchner Carsharing-Anbietern wie car2go oder DriveNow, die nur in einem begrenzten Geschäftsgebiet genutzt werden können und nur Fahrzeuge aus jeweils dem Konzern zum Fahren anbieten, zu dem sie gehören. Die Autos der Firma car2Go sind ausschließlich Smart oder Mercedes, DriveNow fährt mit BMW und Mini. "Unsere Ausrichtung ist anders", sagt Klier. Man biete Autos verschiedener Hersteller und für verschiedene Nutzungsarten an. Mit den Autos könne man auch verreisen. Und das Geschäftsziel sei nicht profitorientiert.

Sozialer Aspekt war immer offensichtlich

Stattauto beschreibt sein Unternehmensprofil wie folgt: Von Beginn an sei klargewesen, dass nicht nur der Umweltgedanke zähle, sondern man auch "sinnvolle Beschäftigungs- und Qualifizierungsmöglichkeiten für die Zielgruppen der Benachteiligten in ausreichendem Umfang" schaffen wolle und Stattauto als eigenständiger Sozialer Betrieb geführt werden sollte. Dieses Vorhaben ist aufgegangen - und das unterstützen die Stattauto-Kunden mit ihrer Mitgliedschaft bewusst. Heute sind die A24-Werkstätten sind nach eigener Aussage die " größte gemeinnützige und markenungebundene Kfz- und Zweiradreparatur-Werkstatt im Raum München".

Petra-Maria Klier versteht nicht, dass dieser soziale Aspekt für die Prüfer des Finanzamtes nicht die geringste Rolle spielte. Die Förderung "der Erziehung, der Volks- und Berufsbildung" sind eindeutig als gemeinnützige Zwecke anerkannt. Die Münchner Finanzbehörde stütze sich aber auf ein Urteil des Bundesgerichtshofes aus dem Jahr 2008, das Carsharing nicht als gemeinnützig anerkennt. Nach Meinung von Klier ist das allerdings zu einseitig betrachtet. "Es ärgert mich, dass nicht der Gesamtzusammenhang gesehen wird", sagt sie.

Der Großteil der Aufträge kommt von Stattauto

Die Werkstätten selbst sind ohne die Querfinanzierung nicht rentabel. "Ohne Stattauto wären die schon 2012 insolvent gewesen", sagt Klier. Denn 70 Prozent der Aufträge kommen von Stattauto selbst, die restlichen Kunden müssten längere Wartezeiten hinnehmen, was viele nicht wollten. Sie kündigt an, gegen die Aberkennung der Gemeinnützigkeit vorzugehen und Einspruch zu erheben. Außerdem werde man Einsicht in die Akte beantragen.

Schlimm sei in diesem Fall auch, dass Stattauto eine Stellungnahme zum Prüfbericht verwehrt worden sei. "Als wir nachgefragt haben, meinte der Sachbearbeiter, das sei jetzt aber sehr unglücklich gelaufen", berichtet Klier. Leider habe man die Bescheide aber nicht mehr aufhalten können. Im vergangenen November habe Stattauto das Finanzamt darauf hingewiesen, welche Folgen die Aberkennung der Gemeinnützigkeit habe - ohne Reaktion.

Das Finanzamt äußert sich zu dem Fall nicht und verweist auf das Steuergeheimnis. Klier hofft nun, dass ihr Einspruch Erfolg hat. Denn klagen sei schwierig. "So viel Liquidität haben wir nicht, dass wir uns durch die Instanzen kämpfen können", sagt sie.

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