Candelilla im Atomic Café:Rock ohne Rock

Bei der Münchner All-Girl-Band Candelilla darf jede ans Mikro, die Lieder haben Nummern statt Namen - und im CD-Booklet sind die vier sogar nackt zu sehen. Warum?

L. Sonnabend

Die vier Mitglieder der Münchner Indie-Band Candelilla, alle Anfang 20, haben derzeit ganz schön die Hosen an: Ihr erstes Album "reasonreasonreasonreason" wird hoch gelobt und an diesem Freitag spielen sie mit Ja, Panik! im Atomic Café. Vor ihrem Auftritt hat sueddeutsche.de mit Lina Seybold (Gesang, Gitarre), Rita Argauer (Gesang, Klavier), Mira Mann (Gesang, Bass) und Sandra Hipold (Schlagzeug) gesprochen.

Candelilla im Atomic Café: Mit Fotos wie diesem werden die Käufer der CD "reasonreasonreasonreason" von Candelilla überrascht.

Mit Fotos wie diesem werden die Käufer der CD "reasonreasonreasonreason" von Candelilla überrascht.

(Foto: Foto: Niko Kammerer/oh)

sueddeutsche.de: Wenn man Euer Album "reasonreasonreasonreason" kauft und das Booklet aufklappt, wird man mit Nacktfotos von Euch überrascht. Warum habt ihr das gemacht?

Rita: Während der Aufnahmen für das Album sind wir auf das Gemälde "Der bedrohte Mörder" des belgischen Malers Magritte gestoßen. Am Anfang hat uns die Konstellation der auf dem Bild dargestellten Menschen fasziniert. Dass eine nackte Figur darauf war, stand nicht im Vordergrund.

Sandra: Erst wollten wir uns in Plastiksäcke einwickeln oder Bänder um den Körper binden, aber es wurde uns schnell klar, dass dann die Parallele zu dem Bild von Magritte nicht mehr gegeben ist.

sueddeutsche.de: War es unangenehm sich nackt vor der Kamera zu zeigen?

Lina: Wir wussten, wenn wir davor zurückschrecken, hat es nicht die Wirkung, die es braucht.

sueddeutsche.de: Wie haben die Leute reagiert?

Sandra: Komischerweise haben es viele einfach ignoriert. Wir wurden bislang kaum darauf angesprochen.

Mira: Auf einem Konzert in Nürnberg hat einmal eine Gruppe von 17-jährigen Jungs die CD gekauft. Sie haben das Booklet aufgeklappt und gekichert. Ich bin auf sie zugegangen. Das Gespräch, das sich ergab, war besonders, vielleicht auch wegen der Bilder.

sueddeutsche.de: Stört es Euch, wenn Euch jemand als Girlgroup bezeichnet?

Mira: Wir hatten auch mal Männer in der Band. Das ist eher Zufall und war gar nicht geplant, dass wir jetzt vier Frauen sind. Es regt mich nicht auf, als All-Girl-Formation bezeichnet zu werden, denn das ist ja die Wahrheit. Allerdings hat das nichts mit Musik zu tun. Einmal wurde unsere Musik als Frauenpower beschrieben - so etwas ärgert mich.

sueddeutsche.de: Statt Songtitel gebt ihr den Lieder Nummern. Warum?

Mira: Lina, Rita und ich wir singen alle drei und schreiben die jeweiligen Textpassagen, die wir singen, jeder selbst. Manchmal singen in einem Song auch mehrere von uns - und dann geht es eben in diesem Song um ganz unterschiedliche Standpunkte und Ansichten. Deswegen wollen wir das Lied dann nicht auf ein Schlagwort reduzieren; Zahlen geben da mehr Freiheit.

Rita: Das erste Lied, das wir geschrieben haben, heißt "1", das zweite "2". Auf dem Album sind die Lieder passend arrangiert, deswegen folgt auf die "17" zum Beispiel die "4". Der Song namens "2" ist dagegen gar nicht drauf.

sueddeutsche.de: Auffallend ist auch, dass ihr manchmal auf Deutsch, manchmal auf Englisch sind...

"Wir wollen einmal so richtig auf Tournee zu gehen"

Lina: Ja, das hat auch wieder mit persönlichen Präferenzen zu tun. Mira textet lieber auf Deutsch, Rita und ich aber lieber auf Englisch. Ich mag den Klang der englischen Sprache, sie lässt sich gut singen.

Mira: Das merkt man derzeit in der Popmusik, dass Sprachgrenzen immer mehr verschwimmen. Die Sprache steht gar nicht mehr im Vordergrund. Englisch erscheint doch schon lang als Dialekt des Deutschen.

sueddeutsche.de: Und Euer Name Candelilla ist ein spanisches Wort..

Lina: Bei der Namensfindung vor zehn Jahren waren wir 14. Rita hatte damals einen Labello dabei...

Rita: ... den habe ich heute auch dabei...

Lina: ... und da ist einer der Inhaltsstoffe Candelilla. Candelilla ist eine Pflanze, aus der Wachs gewonnen wird. Früher dachte man übrigens auch, dass diese Pflanze ein Heilmittel gegen Syphilis sei.

sueddeutsche.de: Ist München eine gute Stadt zum Musikmachen?

Sandra: Wenn man einen Proberaum hat, dann ja. Es gibt aber viele Bands, die wieder aufhören, weil sie keinen haben. Oder sich keinen Raum leisten können.

Rita: Mir gefällt das uncoole Image der Stadt. Das gibt einem sehr viele Freiheiten.

Mira: Toll ist hier auch, dass die Musikstile sich immer mehr mischen. Electro- und HipHop-Gruppen machen etwas gemeinsam mit Rockbands. Wir werden zum Beispiel beim Album-Release- Konzert der Hip-Hopper Creme Fresh auftreten.

sueddeutsche.de: Gestern habt ihr in Ostfildern gespielt, heute in München. Was ist besser?

Rita: In München kennen dich die Zuschauer und deswegen vergleichen sie dich bei einem Auftritt eher mit früheren Konzerten. Da fühle ich mich dagegen freier.

Mira: Wenn man vor einem Publikum steht, das man nicht kennt, will man es auf seine Seite ziehen. Und darin sind wir, glaube ich, ganz gut.

sueddeutsche.de: Was wollt ihr noch erreichen mit Candelilla?

Rita: Wir wollen einmal so richtig auf Tournee zu gehen. Bislang spielen wir leider nur an Wochenenden außerhalb von München.

Lina: Wir sind da sehr realistisch, vielleicht auch pessimistisch. Deswegen studieren wir alle, da es heute kaum mehr möglich ist, von Musik zu leben. Aber im Hinterkopf haben wir immer: Vielleicht, irgendwann, könnte da richtig was gehen mit Candelilla.

Am Freitag, den 22. Januar spielen Candelilla mit der österreichischen Band Ja, Panik! Im Atomic Café, ab 21 Uhr.

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