Cambridge gegen Oxford:Mit hoher Schlagzahl durchs Leben

Zwölfmal Training die Woche: Eva Maria Hempe aus Dachau quält sich für das Ruderrennen Cambridge gegen Oxford.

Annika Willer, SZ-Jugendseite

Der Text ist erschienen auf der Jugendseite der Süddeutschen Zeitung. Die Autorin Annika Willer ist 22 Jahre alt. Weitere Texte der Jugendseite finden Sie unter www.sz-jugendseite.de.

Cambridge gegen Oxford: Beim Training geht Eva immer an die Schmerzgrenze, angetrieben vom Ehrgeiz, das Rennen gegen das Team aus Oxford zu gewinnen.

Beim Training geht Eva immer an die Schmerzgrenze, angetrieben vom Ehrgeiz, das Rennen gegen das Team aus Oxford zu gewinnen.

(Foto: Foto: privat)

Eva will gewinnen. Stark sein. Stärker als die anderen. "Immer, wenn das Training ganz ätzend ist, nach eineinhalb Stunden an so einer Rudermaschine, wenn ich kurz vorm Aufgeben bin, denke ich daran, dass es einem Mädel da drüben jetzt ganz genauso geht", sagt sie. "Die anderen, die da drüben" - das sind die Ruderinnen der Uni Oxford. Eva Maria Hempe (23) aus Dachau rudert für Cambridge, im Schwergewicht-Reserveboot "Blondie".

Das Rennen der beiden britischen Eliteunis ist eines der traditionsreichsten der Welt. Eva hat sich die uralte Rivalität zwischen Cambridge und Gegner Oxford gründlich verinnerlicht. "Es ist einfach so drin", sagt die junge Frau mit den braunen, langen Haaren. Im Rudern, sagt sie, gewinne meistens die stärkere Mannschaft. Das soll dieses Jahr Cambridge sein. Eva will, so sagt sie, "auf jeden Fall" gewinnen.

Die Ruderin lacht viel beim Reden, aber das meint sie erst. "Es ist das Varsity-Rudermatch", sagt sie. Englische Sprachbrösel wie dieses - "Varsity" steht für Uni - schleichen sich ganz unauffällig in ihre Sätze und zeigen, wie sehr Eva in Cambridge angekommen ist. Ihr durchtrainierter Körper steckt in einem Trainingsanzug mit dem Aufdruck "Cambridge-Ruderteam", dunkelblau mit mintgrünen Streifen und Emblem.

Ihr Outfit steht in einem eigenartigen Kontrast zu dem förmlichen Ambiente ihrer Umgebung: St. Johns, das College, zu dem Eva gehört, besteht aus Prachtbauten mit Harry Potter-Flair. Es gibt einen zauberhaften Speisesaal mit Dresscode und penibel gepflegte Rasenflächen. Die Colleges in Cambridge pflegen ihre Traditionen, und das Rudern gehört dazu. Eva in ihrem Trainingsanzug ist ein Ausdruck davon.

Früh aufstehen

Seit 155 Jahren treten die Ruderteams der britischen Eliteunis in zwei Achterbooten gegeneinander an. Bei den Herren ist das eine große Sache: Fernsehübertragung, Millionen Zuschauer und Sponsorenverträge. Die Reserveteams, die Leichgewicht-Boote und die Damen fahren an einem anderen Tag eine andere Strecke: das "Henley"-Race, auch auf der Themse, aber eben nahe Henley und nicht in London. Dieses Rennen gibt es noch nicht ganz so lang. Bei den Damen, im zweiten Boot (quasi der Reservemannschaft der Ruderinnen) geht es eigentlich um nichts. "Nur um die Ehre", sagt Eva. Trotzdem, sagt sie, "lohnen tut es sich auf jeden Fall".

Wer im ersten Boot für Cambridge rudert, bekommt ein "Blue", das heißt: Die höchste Auszeichnung für sportliche Leistungen an der Uni, und darf sich einen blauen Blazer für formelle Gelegenheiten schneidern lassen. Das zweite Boot bekommt immerhin "Goldie-Colours", kein Blue, aber trotzdem eine Auszeichnung. Genug für die Motivation - Eva sprüht geradezu vor Enthusiasmus. Das hört man, wenn sie spricht: schnell und voller Fachbegriffe, mit ausholenden Gesten und Anekdoten vom Training.

Wer gewinnen will, muss hart trainieren. Zwölfmal die Woche, oft zwischen fünf und sechs Uhr morgens. Anders erlaubt es das Studium nicht: Eva schreibt in Cambridge ihre Doktorarbeit im Bereich Engineering. Zusätzlich ist die Ruderin noch eine Art Studentenbeauftragte. Sie organisiert Veranstaltungen und repräsentiert andere "Postgraduates", das heißt Doktoranden und Masterstudenten, in verschiedenen Komitees. "Das ist ein enormer Zeitaufwand", erklärt Eva.

Dazu kommt noch die finanzielle Belastung: Die Zugfahrt in die Nachbarstadt, wo das Morgentraining stattfindet, kostet Eva jedes Mal fünf Pfund, dazu noch Ausrüstung und Trainingslager, da kommen gute 1000 Pfund in der Vorbereitungsphase zusammen. Für die Rennkosten von etwa 500 Pfund ist Eva auf der Suche nach Sponsoren. Sie steckt ohnehin viel Engagement in den Sport: An viel Freizeit, Ausschlafen oder Feiern ist nicht zu denken. "Man ist schließlich in einer Mannschaft, da kann man nicht morgens verkatert auftauchen", sagt Eva. Sie fügt an: "Ich finde das früh Aufstehen nicht so wild, eigentlich taugt mir das Trainingskonzept."

Eva nennt sich selbst eine Langschläferin, aber mit dem Morgentraining schafft sie es, um neun an ihrer Doktorarbeit zu sitzen. Sie lächelt und sagt mit einem winzigen Hauch Ironie in der Stimme: "Drei Stunden mehr Zeit morgens!"

Eva ist ohnehin kein Typ fürs Rumhängen. Auf ihrer Website präsentiert sie ihren Highspeed-Lebenslauf: Abi nach elf Schuljahren, Physik-Elitestudiengang und Diplom in sieben Semestern. Dazu eine umfangreiche Liste von wochenlangen Fernreisen und sportlichen Aktivitäten: Jahrelang hat sie Fußball gespielt, teilweise sogar in der Regionalliga - das ist die dritthöchste Spielklasse im deutschen Frauenfußball. Zudem fährt sie gerne Ski. "Nichtstun ist schwierig", gibt sie zu.

Schnellste im Test

Rudern entdeckt die Doktorandin neu für sich, als sie im Oktober 2007 nach Cambridge kommt. Zuerst ist sie in der Uni-Fußballmannschaft gewesen und hat Modernen Fünfkampf ausprobiert. "Rudern habe ich da noch so reingequetscht", sagt sie und lacht ein wenig, als könnte sie es selbst nicht so recht glauben, wie weit sie damit schon gekommen ist. "Am Anfang ist es nicht so toll gelaufen", erzählt sie. Schwer sei es gewesen, sie von der Rudermaschine auf das Wasser zu bekommen, das mehr Technik erfordert. A

ber dann kamen die Geschwindigkeitstest an der Maschine: "2K-Test", zwei Kilometer, so schnell es geht. Eva grinst und sagt: "Da war ich dann ziemlich gut, besser als alle anderen." Eva erzählt von der Unterstützung, dem Ansporn der Teamleiter. "Hör' bloß nicht mit dem Rudern auf", habe sie zu hören bekommen. Und dass sie es schaffen könnte, für Cambridge zu rudern. Dass sie Potential hat. "Im Rudern könnte ich vielleicht auch mal richtig gut sein", sagt Eva und klingt begeistert.

Sie hat dunkle, akkurate Augenbrauen zwischen einer hohen Stirn und dunklen Augen - das gibt ihrem Gesicht einen starken Ausdruck. Eva mag die Herausforderung, und das Rennen gegen Oxford ist eine. Am 22. März ist es so weit: "Blondie" geht an den Start, und Eva sitzt für Cambridge mit im Boot. Um zu gewinnen, natürlich.

Der Text ist erschienen auf der Jugendseite der Süddeutschen Zeitung. Die Autorin Annika Willer ist 22 Jahre alt. Weitere Texte der Jugendseite finden Sie unter www.sz-jugendseite.de.

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