Cafés für Mütter mit Kind:Mami Cool

Cafés für Mütter mit Kind: Kindercafé Tibatong in Neuhausen.

Kindercafé Tibatong in Neuhausen.

In München breiten sich Müttercafés aus - als Heimat für alle, für die ein Kind noch lange kein Grund ist, den Lebensstil zu ändern. Hier zeigt sich aber auch, wie anstrengend es sein kann, eine urbane, lässige Mutter zu sein.

Von Anne Goebel

Ein Müttercafé in Schwabing, früher Nachmittag. Aus der Spiellandschaft im Untergeschoss dringt Kindergeschrei, oben faucht laufend die Kaffeemaschine Milchschaum in schlanke Gläser. Und gerade als eine Besucherin ihr Glas und ihr Baby zur Treppe balanciert, ohne auf den hohen Absätzen ihrer whiskybraunen Overkneestiefel auch nur ansatzweise ins Schlingern zu geraten, fällt Katharina Mayer das Ding mit der Segmentierung ein. "Früher habe ich mich so was nie gefragt", sagt sie. "Zu welchem Müttersegment ich wohl gehöre oder zu welchem Frauensegment." Vor ihr steht ein niedriger Tisch aus Naturholz, am Tresen gibt es Marmorkuchen, ein Ort zum Entspannen. Deshalb ist Katharina Mayer ja auch hier, aber seltsamerweise könnte es etwas mit diesem Ort zu tun haben, dass sich manche ihrer Sätze nicht richtig locker und entspannt anhören. Segmentierung? Gruppenzugehörigkeit?

Die 30-Jährige ist vor einem Jahr Mutter geworden, in ein paar Wochen kommt ihre zweite Tochter auf die Welt. Die Unternehmensberaterin will bald in ihren Job zurück und möchte trotz der Kinder weiter ausgehen, in Espressobars, Lokale. Auch Müttercafés bieten diese Möglichkeit, es gibt immer mehr davon in München. "Eroberung des öffentlichen Raums" nennen Soziologen diese neue Freizeitgestaltung. Aber wer sich in die Öffentlichkeit begibt, fragt sich meist auch nach der Rolle, die er darin spielt - erst recht, wenn die Rolle neu ist: Frau mit kleinem Kind. Daher sollte es unbedingt das richtige Müttercafé sein.

In Katharina Mayers Fall unter keinen Umständen ein Öko-Laden. Aber auch nichts Kitschiges, mit Bärchen und Glitzerbambis. Die junge Frau in Neon-Laufschuhen zum schlichten Wollsweater ist in der Marktstraße fündig geworden, im Café de Bambini. An dem hellgrün gestrichenen Gastraum mit dem Motto "Shoppen, snacken, spielen" gefallen ihr "der Stil, die Lockerheit, die Coolness". Entspannung fängt also erst an, wenn Selbstbild und Umgebung zusammenpassen, vom richtigen Ort für ein aufgeschäumtes Milchgetränk bis zur Wahl der Kinderwagenmarke. Das legt die Vermutung nahe: Es muss manchmal anstrengend sein, eine erfolgreiche, urbane, lässige Münchner Mutter zu sein, selbst wenn die Absätze flach sind.

Natürlich gibt es heutzutage eine hohe Erwartungshaltung, sagt Katharina Mayer über das Muttersein - und meint damit mehr als ihre Suche nach dem perfekten Café, die ja im Grunde auch ein Ausdruck der verlockenden Illusion ist, dass alles genau so selbstbestimmt bleibt wie früher, vor dem Kind. Die Ansprüche kommen von allen Seiten: Da sind die Blicke der Kolleginnen (Figur wieder schlank?), die Medienhysterie über ultraflache Bäuche kurz nach der Promi-Entbindung (Herzogin Kate beim Volleyball), der strikte Vorsatz, sich selbst diesem Irrsinn natürlich zu verweigern (aber gut sah sie schon aus). Mittlerweile reichlich abgenutzte Begriffe wie Latte-Macchiato-Mütter oder CappuMums wurden als Bezeichnung für solche Frauen erfunden, "die das Leben mit Kind bewusst weiterführen wie zuvor", sagt die Münchner Trendforscherin Anja Kirig.

Tabaluga und Bambini

Sie forderten ihren Platz in der Öffentlichkeit, statt sich zurückzuziehen, "sie wollen ihre Lebensqualität halten, gehen arbeiten, shoppen, in Cafés, zum Sport" - nur eben alles mit dem Nachwuchs. Kirig betont, dass diese Begriffe und die dazugehörige Lebensform "mittlerweile im Mainstream angekommen" und nicht mehr Trendbezirken vorbehalten seien wie Prenzlauer Berg oder Glockenbachviertel. Daher ließen sich überall Zeichen dieser Entwicklung entdecken - zum Beispiel die schicken Müttercafés, wo Frauen mit Baby willkommen sind, sich aber die kinderlose Freundin nicht vorkommt wie in einer Stillgruppe. Vor der Tür parkt die Armada der großstadtpflastertauglichen Kinderwagen.

Pastellfarbene Wände, Muffins an der Theke und zischende Espressodüsen, das ist das gängige Erscheinungsbild der Münchner Oase für Jungfamilien zwischen Schwabing und Untergiesing. Sie heißen Tabaluga, Zuckertag oder Bambini und sind nicht zu vergleichen mit den Mutter-Kind-Kreisen im friedensbewegten Haidhausen der Achtzigerjahre. Kein Wunder, dass die Cafés mit Chai Tea auf der Karte und voll ausstaffierter Wickelstation gut ankommen. "Das sind Schnittstellen zwischen dem neuen Alltag und dem Lebensgefühl vor der Entbindung", sagt Kirig - und eine "Erleichterung für Mütter, die ihren Lifestyle weiter pflegen wollen".

Cafés für Mütter mit Kind: Gelöste Atmosphäre im Kindercafe de Bambini in Schwabing.

Gelöste Atmosphäre im Kindercafe de Bambini in Schwabing.

Genau das aber scheinen in den Großstädten nicht alle gern zu sehen. In Berlin hat vor ein paar Wochen das zigmal durchgekaute Klischee von der hysterisch dominanten Prenzlauer-Berg-Mummy wieder großes Blätterrauschen verursacht. Und in München gibt es nicht wenige Cafés, die mit Bio-Kuchen und adrettem RetroDesign junge Mütter geradezu anziehen müssen, die sogar mit eigenen Kinderbereichen werben und sich trotzdem ihrer Sache nicht sicher sind, weshalb sie zum Beispiel in einem Zeitungsartikel lieber nicht genannt werden wollen. Dahinter wird wohl die Skepsis gegenüber einer Klientel stecken, die angeblich stundenlang vor einem Becher Kaffee sitzt und die süßen Kleinen mit mitgebrachten Brezen füttert.

Schnorrer-Teller für die Kleinen

Silja Schrank-Steinberg teilt solche Bedenken nicht. Die Wirtin des Hofbräukellers am Wiener Platz hat mit einem großen Kinderbereich, wechselnden Speisekarten zum Ausmalen und dem Schnorrer-Teller (nur Besteck, zum Mitessen bei den Erwachsenen) schon um die jüngsten Gäste geworben, als in anderen Wirtshäusern der Stadt noch jede Kinderportion unter nicht immer stummem Protest aufgetragen wurde. "Das Konzept hat unser Haus verjüngt und bringt in der schwierigen Zeit am Nachmittag eine ganz andere Kundschaft, von der wir profitieren", sagt Schrank-Steinberg. Sie habe in den USA und Österreich viel über die äußerst werbewirksame Kinderfreundlichkeit gelernt und sieht in der Münchner Szene Nachholbedarf.

Cafés für Mütter mit Kind: Essen mit den Kleinen: Cafe Glückskind in Haidhausen.

Essen mit den Kleinen: Cafe Glückskind in Haidhausen.

Dass nicht viel mehr Gastronomen das Potenzial der genuss- und konsumfreudigen Münchnerin mit Kinderwagen und Kreditkarte ausschöpfen, wundert auch Alexandra Witzke-Ng. Die Betriebswirtin und Mutter einer kleinen Tochter hat mit einer Freundin die Website Stadtmutti.de ins Leben gerufen. Die Illustration mit langbeinigen Mädels bei der Shopping-Pause, im Wagen ein sanft schlummerndes Baby, ist natürlich das reinste Bildermärchen, aber als Fundus für kinderkompatible Münchner Lokale und Ausflugstipps hat die Seite viele Fans.

Alexandra Witzke-Ng sagt, dass die Idee nach schlechten Erfahrungen als junge Mutter entstand, als sie in Restaurants abgewiesen oder beim Wickeln schief angeschaut wurde. "Ich wollte weiter entspannt meine Freundinnen treffen, aber es gibt nur wenige Möglichkeiten." Gerade in München sei der Bedarf nach weiteren Müttercafés oder einfallsreichen Nachmittagsangeboten in konventionellen Lokalen enorm groß. Wobei die 36-Jährige Treffen von Stillzirkeln oder Gruppen zur frühkindlichen Förderung nicht einrechnet, "uns geht es um Orte, an denen man nicht nur über das Muttersein redet". Immerhin gebe es schon Bewegung bei kreativeren Kinderspeisekarten, die über Schnitzel und Pommes hinausgingen, im "Brenner Grill" an der Maximilianstraße etwa.

Brenner, Reitschule, das feine Theresa im Museumsquartier - das sind auch die Orte, an denen die hochschwangere Katharina Mayer mit Ehemann und Tochter gern Freunde zum Brunch trifft. Sie mochte die Lokale schon, bevor sie Mutter wurde, und will weiter dazugehören. Und dann gibt es Tage, erzählt sie, da macht sie einfach mal alles anders. Eine Freundin ruft an, man verabredet sich - und zwar, kaum zu glauben: zu Hause. Sie holt Kuchen in einer Bäckerei, macht Tee, und Schwabing bleibt draußen. Die Zukunftsforscherin Kirig glaubt, dass sich da ein Trend abzeichnen könnte.

Ihr fallen in München immer häufiger große, altmodische Retro-Kinderwagen auf, die nicht für ein mobiles, hippes Lebensgefühl stehen, sondern Ruhe, Verlässlichkeit ausstrahlen. "Vielleicht hat das Bild von der schicken Mutter, die immer in Bewegung ist, seinen Peak erreicht. Und es kommt eine Gegenbewegung auf uns zu."

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