Bußgeld für Nazigegner:Zu viel Courage

Münchner demonstrieren gegen Neonaziaufmarsch, 2012.

Der Protest gegen einen Naziaufmarsch vor zwei Jahren kommt einige Münchner teuer zu stehen.

(Foto: Robert Haas)

Sie haben sich einem Naziaufmarsch entgegengestellt, nun wird es teuer für die Demonstranten: Die Stadt München hat Bußgeldbescheide an Nazigegner verschickt - unter ihnen auch ein Politiker. Der wundert sich nun, mit welch "unglaublicher Akribie" die Polizei ermittelt.

Von Bernd Kastner

Das politische München hat sich irgendwie gut gefühlt nach jenem Wochenende. Da hatten Nazis demonstriert, und es gab eine Menge Münchner, die dagegen protestiert hatten. Und noch mehr: Sie haben den Marsch der Rechtsextremen um Norman Bordin blockiert. Dann mussten die Neonazis heimgehen. So was tut dem Image Münchens gut.

Jetzt aber wird es teuer für die, die sich den Braunen entgegengestellt haben. 20 Nazigegner haben einen Bußgeldbescheid von der Stadt erhalten und sollen 200 Euro zahlen. Weil sie deren Demo am 21. Januar 2012 am Sendlinger Tor nicht passieren ließen - jene Demo, auf der die Rechten gleich zu Beginn das Paulchen-Panther-Lied gespielt hatten.

Es war wenige Wochen nach Aufdecken des NSU, die Melodie von Paulchen Panther war auf dem Bekennervideo der Terroristen zu hören gewesen. Fast zwei Jahre später begründet das Kreisverwaltungsreferat (KVR) das Bußgeld so: Die Nazigegner hätten der Weisung der Polizei, die Straße zu räumen, nicht Folge geleistet und damit gegen Auflagen verstoßen.

Das KVR hat dieser Tage aber noch mehr Bußgeldbescheide an weitere Anti-Nazi-Aktivisten verschickt: 18 Beschuldigte müssen zahlen, weil sie im September 2012 im Westend einen Kleinbus von Rechtsextremen der Bürgerinitiative Ausländerstopp (BIA) blockiert hatten. Drei Aktivisten müssen doppelt zahlen: Sie waren bei beiden Aktionen dabei.

Unter ihnen Siegfried Benker, damals noch Fraktionschef der Grünen im Rathaus, heute Geschäftsführer des städtischen Altenheimträgers Münchenstift. Er findet das Agieren von Polizei und KVR "empörend". Es sei schon "sehr verwunderlich", mit welch "unglaublicher Akribie" die Polizei da ermittelt habe gegen Nazigegner. Und das, obwohl die Polizei allen Grund gehabt hätte, nach dem Abspielen des Panther-Liedes den Nazimarsch aufzulösen. Das hätten dann eben de facto die Gegendemonstranten gemacht.

Eine Art Mengenrabatt

Benker findet auch, dass das KVR von seinem Ermessensspielraum hätte Gebrauch machen müssen: Wo sei denn das öffentliche Interesse daran, dass die Blockade eines solchen Marsches geahndet werde? Er werde die Buße von 400 Euro Gebühren jedenfalls nicht akzeptieren, Einspruch ist schon eingelegt.

Im KVR weiß man, dass die Bußgelder, selbst wenn sie sich als juristisch korrekt herausstellen, vielen sauer aufstoßen. Sprecherin Daniela Schlegel beeilt sich denn auch zu versichern, dass die Stadt natürlich Initiativen gegen Rechtsextreme begrüße und fördere, aber was solle man machen: Die Bußgeldstelle sei nun mal zu politischer Neutralität verpflichtet, man könne "nicht nach Gesinnung" Bußgelder verhängen - oder auf sie verzichten.

Manchmal gewährt das Kreisverwaltungsreferat aber eine Art Mengenrabatt: Siegfried Benker etwa muss die Bearbeitungsgebühr nur einmal zahlen. Die Polizei hat ihm bei der Blockade im Westend genau zugehört. Als Zeichen seiner "Uneinsichtigkeit" hat man notiert, was Benker sagte, als die Polizei ihn und die Seinen mit dem Hinweis auf eine "Owi" zu verscheuchen suchte: "Ordnungswidrigkeit klingt ja nicht so teuer, da können wir hierbleiben." Korrekt zitiert, sagt Benker. Immerhin.

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