Bundestagswahl:Wiesn oder Wahllokal?

Riesenrad auf dem Oktoberfest in München, 2017

Riesenrad auf dem Oktoberfest in München, 2017.

(Foto: Robert Haas)

Die Münchner wählen gerne per Brief. Selbst Politiker rufen dazu auf, am Sonntag lieber aufs Oktoberfest zu gehen. Bleibt die Frage, wer am Montag den größeren Kater hat.

Kolumne von Andreas Schubert

Wie oft hat man schon Abgesänge auf den Brief lesen müssen. Kein Mensch schreibt mehr welche, weshalb er längst auf der Roten Liste vom Aussterben bedrohter Kommunikationsformen steht. Es soll schon Postboten geben, die sich heimlich selber Briefe schreiben, damit sie ihren Job nicht verlieren. Deshalb freuen sie sich immer ganz besonders, wenn sie endlich wieder was zu tun bekommen, weil eine Wahl ansteht: Solange sich über den Bundestag noch nicht via Whatsapp und Instagram abstimmen lässt, ist der Brief nach wie vor gefragt.

Mehr als ein Drittel der Münchner Wähler hat sich für die Briefwahl entschieden. Und wer sich nun wundert, warum die Zahl der Briefwähler ausgerechnet hier immer besonders hoch ist, hat eines vergessen: Es liegt am Zeitpunkt. Wie immer findet die Bundestagswahl während des Oktoberfests statt.

Anhängern des gepflegten Rausches, und derer gibt es dieser Tage viele, dürfte die Wahl zwischen Wahllokal oder Wiesn nicht schwer gefallen sein. Auf sie trifft der oft gehörte Vorwurf, sie wählten aus purer Faulheit von zu Hause aus, nicht zu. Nein, so ein Biertischmarathon ist durchaus anstrengender als ein nüchterner Urnengang.

Briefwähler gelten als die entschlosseneren Typen, die nicht bis zum Wahlsonntag und dann auch noch in der Wahlkabine herumgrübeln, wo sie eigentlich ihr Kreuzerl machen sollen. Zudem muss man den Briefwähler als sozialen Typen achten, der sich aktiv für die Gesellschaft einsetzt - endlich mal jemand, der Wiesnwirte und Postboten gleichermaßen unterstützt, nach dem Motto: Geh saufen und tue Gutes.

Da überrascht es eigentlich nicht, dass auch Politiker dafür werben. Zum Beispiel die Münchner SPD-Bundestagsabgeordnete Claudia Tausend. Die rät auf ihrer Homepage: "Nutzen Sie die Briefwahl und genießen Sie einen freien (Wiesn)-Sonntag!" Gut, wenn sie meint! Tausend Dank für den Tipp, möchte man ihr da zurufen und: Warten wir mal ab, wer am Montag den schlimmeren Kater hat.

Aber Spaß beiseite: Ihre Wahlparty schmeißen die Genossen nicht im Bierzelt. Woher also soll da ein Kater kommen? Vielmehr begehen sie den Wahlabend gepflegt im Wirtshaus im Schlachthof, das weitläufig als Spielstätte für Kabarettisten bekannt ist, also als ein Ort, an dem viel gelacht wird. Vielleicht wird es dort ja lustiger als vor vier Jahren im Oberangertheater.

Freilich wird es am Sonntagabend auch Leute geben, die nichts zu lachen haben. Denen sei die Wiesn als tröstendes Pflaster empfohlen. Brief und Siegel darauf, dass es da in jedem Fall lustiger zugeht als auf jeder Wahlparty. Und die Musik in den Zelten taugt sowohl für Gewinner als auch Verlierer. Das Repertoire der Kapellen reicht von "Über den Wolken" bis "Highway to hell".

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