Bundestagswahl 2017:Sebastian Roloff möchte im Wahlkampf nicht missionieren

Bundestagswahl 2017: "In fünf Wochen kann viel passieren." Wie sein Kanzlerkandidat Martin Schulz mag sich Sebastian Roloff von den aktuell zweifelhaften Siegchancen nicht entmutigen lassen.

"In fünf Wochen kann viel passieren." Wie sein Kanzlerkandidat Martin Schulz mag sich Sebastian Roloff von den aktuell zweifelhaften Siegchancen nicht entmutigen lassen.

Vielmehr möchte sich der SPD-Kandidat im Münchner Süden den Menschen als Ansprechpartner bei Problemen anbieten. Seine Chancen sind allerdings gering.

Von Heiner Effern

Bei den Haaren, da ist sich der Fachmann sicher, wäre definitiv mehr drin. Am besten gleich eine neue Frisur, deutet er an, wobei nicht ganz klar ist, ob er das aktuelle Arrangement der Haare auf Sebastian Roloffs Kopf überhaupt als Frisur anerkennt. Ansonsten, das lässt R. Mohammad, wie der Experte schlicht genannt werden will, erkennen, hält er den Bundestagskandidaten der SPD für einen durchaus passablen Typen. Und sein Kumpel Rikan Ali, mit dem Herr Mohammad auf einer Zeitungskiste vor dessen Kiosk auf der Tegernseer Landstraße hockt, blättert Roloffs Flyer anerkennend durch. Die Themen seien die richtigen, sagt er, fairer Lohn für Arbeit, Hilfe für Familien.

Ein erfreuliches Wahlkampf-Gespräch für Roloff insgesamt, wenngleich er bezweifelt, ob für ihn privat angesichts der doch eher spärlich vorhandenen Haare tatsächlich viel mehr möglich sei. Politisch gibt sich der 34 Jahre alte SPD-Kandidat kämpferischer, wohl wissend, dass die Ausgangsbasis ähnlich dünn ist. Sein Wahlkreis München Süd gehört seit 1976 der CSU, nur Christoph Moosbauer holte 1998 zwischendrin einmal das Direktmandat für die SPD. "Das wird ein spannendes Rennen", sagt Roloff trotzdem. Wie sein Kanzlerkandidat Martin Schulz mag er sich von den aktuell zweifelhaften Siegchancen nicht entmutigen lassen. "In fünf Wochen kann viel passieren." Auch bei einer Hitze wie an diesem Nachmittag, bei der die Fußgänger fast mit dem Asphalt verschmelzen, ist Roloff deshalb unterwegs. Eine Tour durch die Geschäfte in Giesing steht auf dem Wahlkampfprogramm.

Mit seinem Flyer, einer kleinen Tüte Gummibärchen in der Hand und einem Standardspruch betritt Roloff die Läden: "Hallo, ich bin ihr Bundestagskandidat der SPD, wollte mich mal kurz vorstellen, wenn Sie ein Problem haben, wenden Sie sich gerne an mich." Dann erhalten Mitarbeiter oder Chefs den Wahlprospekt und die Gummibärchen-Tüte, auf der ein Aufkleber pappt: "Roloff in den Bundestag. Der kümmert sich" steht drauf, und das soll Programm sein.

"Ich will nicht missionieren im Wahlkampf. Ich will zeigen, dass ich ein Ansprechpartner bei Problemen bin." Die Leute danken es freundlich ("Kommen Sie gerne wieder, ich habe viele Themen, muss aber grad Umsatz machen") bis wurschtig ("Da hinten hinlegen zu den anderen Flyern"). So geht es von der Käse-Alm über den Tela-Bäcker, zu Munich Fashion, am Salon Odessa vorbei bis ins Hörgerätegeschäft. Und natürlich zum Kiosk, vor dem Rikan Ali und Herr Mohammad in der Sonne sitzen.

Roloff will bei ihnen und den Wählern aber nicht nur mit fairer Arbeit und Förderung von Familien punkten. Der SPD-Kandidat will sich für eine Rente einsetzen, von der die Menschen im Alter gut leben können. Angehen will er zudem die teuren Mieten, die fehlenden Plätze in der Kinderbetreuung und eine bessere Integration. "Gerade in Giesing sehen wir jeden Tag, wie gut es klappen kann." Bundesweit würde sich Roloff am liebsten in der Innen- und Rechtspolitik engagieren sowie bei den Themen Arbeit und Soziales. Offensichtlich kommen hier Interessen zusammen, die auch bei der Berufswahl entscheidend waren: Roloff arbeitet als Jurist bei der IG Metall, zudem ist er auch selbständig als Anwalt tätig.

Durch den Job ist Roloff auch zur Kandidatur im Münchner Süden gekommen. Er wuchs im Landkreis Cham auf, später studierte er in Regensburg Jura. Im Jahr 1999 trat er in die SPD ein, brachte es bis zu einem Sitz im Bezirksvorstand in der Oberpfalz. Im Jahr 2010 erhielt er dann ein Angebot der IG Metall aus München und sagte sich: "Das guckst du dir mal an." Aus dem Gucken wurde ein fester Wohnortwechsel, die Partei blieb die gleiche. Im Herbst 2016 bestimmten ihn die SPD-Mitglieder im Süden zu ihrem Bundestagskandidaten, seitdem läuft Roloff im Wahlkampf-Modus. In der heißen Phase nun ist er praktisch jeden Tag unterwegs: nach der Arbeit noch ein oder zwei Termine, am Wochenende drei bis vier pro Tag. Dazu kommen die Touren auf der Straße, in den Wohnvierteln, Gummibärchen und Flyer zur Hand. Wie in seinem Heimatviertel, wo er bei der Wohnungssuche nur durch Zufall gelandet ist. "Nun höre ich die Löwen brüllen", sagt er, und findet das gut, obwohl er kein Sechziger ist, wie er sagt. Ein überzeugter Giesinger sei er aber schon.

Vor seiner Tour durch die Geschäfte sitzt Roloff in einem seiner Lieblingscafés, einer Mischung aus kleiner Pizzeria und Lieferservice. "Coming soon," heißt der Italiener hier am Tegernseer Platz. Drinnen ist es dunkel, Einrichtung und Komfort laufen maximal unter spartanisch. Auch deswegen mag er Giesing. "Besser hätte ich es nicht treffen können", sagt Roloff. Vor dem SPD-Mann, dem einzigen Gast am späten Nachmittag, türmt sich ein Berg von Gummibärchen-Tüten. Jede versieht er mit seinem persönlichen Aufkleber, der Name soll übers Gespräch hinaus haften bleiben.

Die Tour durchs Viertel führt ihn an diesem Tag auch über den Edelweißplatz, auf dem schön zu sehen ist, warum Roloff einen außerordentlichen Schuss Optimismus benötigt. Fünf Kandidaten werben dort auf Plakaten mit ihrem Konterfei: Michael Kuffer will seinem Vorgänger Peter Gauweiler in jeder Hinsicht nacheifern und nutzt dafür seine Position als CSU-Fraktionsvize im Stadtrat ausgiebig. "Westentaschen-Gauweiler" nennen die Genossen ihn deshalb spöttisch. Ein leichter Gegner ist er trotzdem nicht. Daneben präsentieren sich mit dem früheren Dax-Vorstand Thomas Sattelberger (FDP) und der Linken-Bundestagskandidatin Nicole Gohlke zwei relativ prominente Kandidaten kleinerer Parteien. Für die Grünen tritt Peter Heilrath an. Da braucht es schon sehr strategische Rechenkünste, um auf Sieg für die SPD zu setzen. Der Grüne Heilrath sei der am wenigsten Bekannte von den vier Grünen, sagt Roloff. Sattelberger und Gohlke hätten einen sicheren Listenplatz und würden ohnehin in den Bundestag einziehen. Da könnte sich doch eine breite Anti-CSU-Allianz bei der Wahl des Direktkanidaten ergeben. Zu seinen Gunsten. Doch verlassen darauf werde und könne er sich nicht, sagt er. Deshalb will er bis zur Wahl ackern. Und wenn es nicht klappt? "Dann gibt es ein Rückspiel in vier Jahren."

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