Bundestagswahl in München:Rotes Jammertal

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München ist tiefschwarz eingefärbt, die politische Signalwirkung für die SPD ist verheerend. Auch Oberbürgermeister Ude hat daran Mitschuld.

Michael Ruhland

Nun ist München also tiefschwarz eingefärbt. Auch die letzte Bastion im Norden haben die Sozialdemokraten verloren, und wenngleich Axel Berg das Direktmandat nur knapp verfehlte, so ist die politische Signalwirkung für die SPD verheerend. Ihr mit 19,3 Prozent schlechtestes Gesamtergebnis bei einer Bundestagswahl ist es erst recht. Sie ist im Jammertal angelangt.

Und das ausgerechnet in der Stadt, in der die Wahl eines SPD-Oberbürgermeisters fast so sicher ist wie der Einzug der Wiesnwirte auf dem Oktoberfest. Es sei im Grunde schon demütigend, dass eine Partei, die mal eine große Volkspartei in Bayern war, nur noch ein einziges Direktmandat habe, sagte OB Ude im Interview mit sueddeutsche.de drei Tage vor der Wahl.

Ude hatte das Desaster kommen sehen. Dass er selbst mit Schuld daran trägt, will ihm aber nicht recht in den Sinn. Dabei gleicht die Stadt aus sozialdemokratischer Sicht seit längerem einer Insel in der Südsee, der durch das Abschmelzen des Polareises allmählich das Wasser in die Keller läuft. Bislang fungierte Ude wie ein großer Schwimmkörper, der das rote München im schwarzen Meer oben hielt.

Nur: 2014 wird er nicht mehr antreten, und schon vor der Kommunalwahl 2008 zeigte sich das Dilemma der SPD. Sie hatte keinen Kandidaten von Format, was auch daran lag, dass Ude es versäumt hatte, einen Nachfolger rechtzeitig aufzubauen. Halb zogen sie ihn, halb sank er hin, Ude trat noch mal an. Und siegte mit 66,7 Prozent, die SPD schaffte 39,8. Es waren Ude-Festspiele.

Seither hat die Partei in München nur noch Grund zum Heulen: Bei der Landtagswahl erreichte sie nur 28,2 Prozent, ebenfalls das schlechteste Resultat seit 1949, das für die Sozis nur deshalb erträglich war, weil die Wähler gleichzeitig die CSU vom hohen Ross gestoßen hatten. Dass die Christsozialen auch dieses Mal abgestraft wurden und viele Wähler zu FDP, Grünen und Linken wechselten, ist ein Indiz mehr für das baldige Ende der Volksparteien. Schon die Europawahl im Juni glich einem Offenbarungseid.

Nur noch 16,9 Prozent wählten die SPD, die Grünen erzielten 4,5 Prozent mehr. Spätestens an diesem Tiefpunkt hätte Ude sich auf die Hinterbeine stellen müssen. Er blieb aber wie schon in der Vergangenheit bei Land- und Bundestagswahlen passiv, ja er kultivierte diese Haltung auf geradezu arrogante Weise. Motto: Was interessiert mich, wie ihr euch anderswo abrackert?

Dass er diesmal der eigenen Partei unterstellte, im Wahlkampf am Anfang "unglaublich farblos und unsicher in der Themenwahl" gewesen zu sein, ist unverschämt. Im Städtetag streitet er mit Verve für den Erhalt der Gewerbesteuer. Warum nicht als Politiker für eine starke SPD im Bund?

Wahlforscher bescheinigen den Münchnern hohe Volatilität. Der Stift fliegt förmlich auf dem Wahlzettel in eine andere politische Ecke, je nachdem, ob es sich um Stadt, Land, Bund oder EU handelt. Wenn es Ude nicht gelingt, in München SPD-Persönlichkeiten aufzubauen, dann könnte sich das Phänomen bald erledigen. Rot wählen dann konstant wenige.

© SZ vom 28.09.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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