Bundestagswahl im Landkreis München:Ein Abend, der die Gewichte verschiebt

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Die Liberalen überrunden die SPD, deren Kandidatin Bela Bach wohl erneut scheitert. Florian Hahn und die CSU verlieren massiv, die AfD kommt auf 9,4 Prozent. Vier Abgeordnete vertreten künftig den Landkreis in Berlin

Von Stefan Galler, Iris Hilberth, Rainer Rutz, Annette Jäger und Martin Mühlfenzl

Die politischen Gewichte im Landkreis München haben sich verschoben, und das politische Gewicht des Kreises in Berlin nimmt zu: Nach der Wahl vom Sonntag wird der einwohnerstärkste Kreis Bayerns künftig mit vier statt zwei Abgeordneten im Bundestag vertreten sein. Neben Florian Hahn (CSU), der sein Direktmandat wie erwartet verteidigt hat, und Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter kehrt Jimmy Schulz (FDP) ins Parlament zurück. Neu in Berlin ist der AfD-Kreischef Gerald Otten. Auch im zweiten Anlauf aller Voraussicht nach nicht geschafft hat den Sprung SPD-Kandidatin Bela Bach. Ihre Partei stürzte im Kreis auf 14 Prozent, die FDP hat sie mit 15,3 Prozent als zweitstärkste Kraft abgelöst.

Als um Punkt 18 Uhr die Prognose auf dem großen Bildschirm erschien, gab es weitgehend lange Gesichter im vierten Stock des Landratsamts am Mariahilfplatz. Die SPD-Kreisvorsitzende und Direktkandidatin im Wahlkreis München-Land, Bela Bach, nahm das niederschmetternde Ergebnis für ihre Partei mit einem bittersüßen Lächeln auf, CSU-Kandidat Florian Hahn entglitten beim Blick auf die zweistelligen Verluste der CSU in Bayern die Gesichtszüge. Dagegen kurzer Jubel bei den wenigen Liberalen. Einzig die beiden anwesenden Repräsentanten der AfD freuten sich sichtlich über den Wahlausgang: Kandidat Gerald Otten und die stellvertretende AfD-Kreisvorsitzende Christina Specht, klatschten einander ab.

Von guter Laune konnte bei Hahn keine Rede sein. Zwar verteidigte er mit 43,5 Prozent das Direktmandat, büßte gegenüber 2013 im Kreis jedoch neun Prozent ein. Auch seine Partei, die CSU, verlor im Landkreis fast zehn Prozent. Sie kommt nur noch auf 37,3 Prozent. Angesichts der Zahlen suchte Hahn sofort das Gespräch mit zwei mächtigen Parteifreunden: dem Landtagsabgeordneten Ernst Weidenbusch und Landrat Christoph Göbel. "25 Prozent, also ein Viertel der Abgeordneten im nächsten Bundestag werden Extremisten sein", fasste er hinterher vor Journalisten das Ergebnis von AfD und Linke zusammen. "Das ist ein echter Paradigmenwechsel in der Geschichte der Bundesrepublik."

Die SPD-Kreisvorsitzende Bela Bach rang sichtlich um Fassung. "Das ist eine Katastrophe", sagte die 26-Jährige, "da darf man überhaupt nichts schönreden". Nicht nur für ihre Partei, sondern auch für sie selbst. Mit 16,3 Prozent der Erststimmen schnitt sie schlechter ab als bei ihrer ersten Kandidatur 2013. Und weil die SPD auch im übrigen Bayern und im Bund Stimmen verlor, wird sie wohl wieder nicht über die Liste in den Bundestag einziehen. Trotz aller Enttäuschung stand für Bach bereits am Wahlabend fest, dass sie weiter für die SPD kämpfen wird. Die SPD brauche jetzt jedenfalls Leute, die die Partei zusammenhalten.

Aus dem Hohenbrunner Rathaus eilte FDP-Wahlgewinner Jimmy Schulz sichtlich gut gelaunt ins Landratsamt. "Ich freue mich unglaublich über die Rückkehr der FDP, die Rückbesinnung auf das, was Liberalität ausmacht, hat sich ausgezahlt", sagte Schulz. Jetzt müssten sich alle demokratischen Kräfte zusammensetzen, um zu besprechen, was mit dem Wahlergebnis geschehen werde. Christoph Nadler, Fraktionschef der Grünen im Kreistag, fand deutliche Worte für den bundesweiten Erfolg der AfD: "Erstmals ziehen jetzt wieder Rechtsradikale in den Bundestag ein. Das hat auch die CSU in Bayern mit zu verantworten, die rechts fischen wollte und Ängste geschürt hat." Dass die Grünen womöglich in einer Jamaika-Koalition an der Regierung beteiligt sein werden, sieht Nadler nicht unkritisch: "Das ist ganz sicher nicht vergnügungssteuerpflichtig."

AfD-Kandidat Gerold Otten, der wegen des Ergebnisses seiner Partei über die Liste in den Bundestag einziehen wird, sprach von einem "rundherum schönen Abend, auch für mich ganz persönlich". Der künftige Bundestagsabgeordnete wehrte sich gegen Vorwürfe, mit seiner Partei würden Rechtsradikale in den Bundestag einziehen: "Das ist eine vollkommen falsche Behauptung. Wir im Landkreis München sind in der AfD sehr bürgerlich-konservativ, aber sicher keine Radikalen."

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(Foto: Claus Schunk)

Glückwunsch: Florian Hahn (CSU) hat wie erwartet das Direktmandat im Landkreis geholt, Bela Bach (SPD) geht vermutlich wie vor vier Jahren leer aus.

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(Foto: Claus Schunk)

Zurück im Parlament: Jimmy Schulz profitiert vom FDP-Zuwachs.

Am Abend ausgegrenzt: Gerald Otten von der AfD.

Ganz im Gegensatz zum politischen Berlin und zu München fand der Wahlabend im Würmtal kaum statt. Im Planegger Rathaus, das traditionsgemäß seine Türen für die Bürger geöffnet hielt, fand sich knapp ein Dutzend Menschen ein: Das mag allerdings weniger am fehlenden politischen Interesse, als vielmehr am heftigen Gewitter gelegen haben, das über dem Würmtal tobte. Das politische Unwetter, das nicht zuletzt für die SPD und Bela Bach über die Bildschirme flimmerte, nahm der Planegger Bürgermeister und Sozialdemokrat Heinrich Hofmann (SPD) gelassen auf: " Das mit der AfD tut weh, aber damit muss man jetzt umgehen können."

Im Gräfelfinger Rathaus war es ebenso still. Nur ein paar Mitarbeiter der Verwaltung warteten mit Bürgermeisterin Uta Wüst (Interessengemeinschaft Gartenstadt Gräfelfing) im Melde- und Passamt bei Gummibärchen, Cola und Kaffee auf die Anrufe aus den Wahllokalen. In der Neurieder Wahlzentrale im Sitzungssaal waren die Wahlhelfer schließlich ebenfalls unter sich. Wer fertig gezählt hatte, verabschiedete sich gleich nach Hause. Die Bundestagswahl fand im Würmtal vor dem heimischen Fernseher statt.

Der Zuschnitt des Bundeswahlkreises München-Land hat sich seit der vergangenen Wahl geändert. Während er diesmal dem Landkreis München entspricht, gehörte 2013 zusätzlich die Starnberger Gemeinde Gauting dazu. In der Berichterstattung und den Tabellen werden deshalb als Vergleichswert nicht die Wahlkreisergebnisse von 2013 angegeben, sondern die Landkreis-Ergebnisse.

© SZ vom 25.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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