Bundestagswahl:Die SPD begehrt auf

Bundestagswahl - Grüne

Lachende Zweite: Katharina Schulze und Margarete Bause (von links) bei der Wahlparty der Grünen.

(Foto: Tobias Hase/dpa)
  • Mit 17,2 Prozent wurden die Grünen in München zweitstärkste Kraft.
  • SPD-Chefin Claudia Tausend kritisiert, die Wahl und ihr Ausgang seien nicht von der Münchner, sondern allein von der Berliner Politik bestimmt worden.
  • Die CSU hat zwar alle vier Münchner Direktmandate problemlos gewonnen, verlor jedoch knapp acht Prozent bei den Zweitstimmen.

Von Heiner Effern und Dominik Hutter

In den Fraktionsräumen der Grünen gab es am Montag Sekt. Feierlaune im Münchner Rathaus. Zwar ging es zunächst um die Geburtstage der Stadträte Paul Bickelbacher und Hep Monatzeder. Das gute Abschneiden bei der Bundestagswahl dürfte die Laune der Partygemeinde aber noch erheblich verbessert haben: 17,2 Prozent für die Grünen in München, zweitstärkste Kraft der Stadt. Noch vor der SPD. So macht Politik Spaß. Zumal ein grüner Absturz zuvor ja nicht als ausgeschlossen galt.

Auf ein bisschen eisigen Wind aber sollten sich die Grünen schon einmal einrichten. Denn die Sozialdemokraten nehmen dem einstigen Bündnispartner seinen Triumph durchaus übel. Der Bundestagsabgeordnete Florian Post forderte am Montag von seiner Partei eine klarere Abgrenzung zu den Grünen, die "nicht unsere kleinen Schwestern und Brüder" seien. Viele auch weniger ausgegorene Forderungen aus der Öko-Ecke, etwa zum Kohleausstieg oder beim Thema erneuerbare Energien, hätten auch unter Sozialdemokraten immer wieder Fans. Die SPD dürfe aber nicht "über jedes Stöckchen springen, das sie uns hinhalten", sagte Post.

"Wir müssen unseren Leuten klar machen, wer der politische Gegner ist." Auch seine Kollegin Claudia Tausend kritisierte einen "Stimmungswahlkampf". Vor allem in der Schlussphase sei es nur noch um die Frage gegangen, wer dritte Kraft im Bundestag wird. Dieser Mitleidseffekt habe die Grünen nach oben bugsiert, die Themen der SPD aber in den Hintergrund gedrängt. Es dürfe bei einer Wahl nicht nur darum gehen, die AfD zu verhindern. Tausend wie Post sind überzeugt, dass die Wahl und ihr Ausgang nicht von Münchner Themen und Kandidaten, sondern einzig und allein von der Berliner Politik bestimmt wurden.

Diese Einschätzung wird in der Münchner SPD nicht von jedem geteilt. "Ein Weiter so kann und darf es auf keinen Fall geben", findet der Landtagsabgeordnete Florian von Brunn, der alsbald darüber reden will, "wie wir uns als Partei in München aufstellen". Die große Sorge des Bald-Wahlkämpfers: Berlin als Schablone für München. Das rot-schwarze Rathausbündnis tue der SPD nicht gut. "Wir laufen Gefahr, in die gleiche Falle zu gehen wie die Bundespartei als Juniorpartner in Berlin."

Deutliche Worte zum Wahlausgang kommen auch von Oberbürgermeister Dieter Reiter, der dringend davor warnt, das Abschneiden der SPD allein auf einen Bundestrend zu schieben. "Da gibt es nichts schönzureden", sagt Reiter der Süddeutschen Zeitung. Es werde einen eigenen Parteitag geben, bei dem alle Fragen auf den Tisch kämen. Es gelte, inhaltlich einiges abzuklären, die SPD habe offenkundig in Teilen den Kontakt zu den Bürgern und ihren Sorgen und Nöten verloren, bemängelt der OB.

Noch pessimistischer beurteilt Rathaus-Fraktionschef Alexander Reissl die Situation seiner Partei. Letztlich sei München wie so oft nur der Vorreiter einer gesamtgesellschaftlichen Entwicklung - und die laufe klar zu Ungunsten der Sozialdemokratie. "Es gibt schon Jahrzehnte lang Rückgänge bei den Wahlergebnissen der SPD", warnt der SPD-Politiker. "Da muss man sich schon Gedanken machen, woran das liegt." Reissls These: Den Sozialdemokraten mangelt es an einer klaren politischen Kontur. "Bei der SPD gibt es seit Jahrzehnten bei wichtigen Fragen zwei Antworten", viele Bürger wüssten gar nicht, für welche Haltung die Sozialdemokraten stünden.

Wunden lecken heißt es auch bei der CSU, die zwar alle vier Münchner Direktmandate problemlos gewonnen hat, mit einem Minus von knapp acht Prozentpunkten bei den Zweitstimmen aber auch nicht zufrieden sein kann. "Das ist eine historische Zäsur", sagt der Münchner CSU-Bezirkschef Ludwig Spaenle. "Wir haben diese Niederlage auch in der Stadt mitzuverantworten. Die Verluste sind bitter." Nach diesem "Erdbeben" sei die CSU nun die einzige Volkspartei in München. "Das gibt mir zu denken." Bürgermeister Josef Schmid (CSU) ist überzeugt, dass die Konsequenzen aus diesem Ergebnis die CSU als ganzes beschäftigen müssen. Das Thema AfD sei "eine Frage, die den Lebensnerv der CSU trifft. Wir müssen klar sein im Kurs". Die CSU müsse der Mitte der Gesellschaft ebenso eine politische Heimat geben wie dem konservativ-bürgerlichen Milieu.

Manuel Pretzl, der Vorsitzende der CSU-Fraktion im Rathaus, hat schon seit Längerem an Infoständen den Eindruck gewonnen, dass sich die gesellschaftlichen Eliten nicht mehr am Mehrheitswillen der Bürger orientieren. Politik wie auch Medien dürften sich nicht "darauf versteifen, den Leuten zu erklären, was gut und was schlecht für die ist". Pretzl sieht vor allem die CDU in der Verantwortung für das Wahlergebnis. Die Schwesterpartei habe "ohne Not den rechten Rand preisgegeben". Bundeskanzlerin Angela Merkel habe einfach gemacht, was sie wollte.

Der wiedergewählte Bundestagsabgeordnete Wolfgang Stefinger setzt hingegen eher auf einen liberalen Großstadtkurs. Die CSU dürfe nicht den Fehler machen, "irgendjemand nachlaufen zu wollen". Für viele sei es eine reine Protestwahl gewesen.

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