Bundespolizei auf dem Oktoberfest:Weiß-blauer Partybus

Bundespolizei auf dem Oktoberfest: Vom Lautsprecher-Kraftwagen aus sorgen Kollegen mit Musik für Entspannung.

Vom Lautsprecher-Kraftwagen aus sorgen Kollegen mit Musik für Entspannung.

(Foto: Stephan Rumpf)

Die Bundespolizei steuert die Wiesngänger auf dem Heimweg über einen Lautsprecher-Kraftwagen. Mit Durchsagen - und einem DJ-Pult. Die Polizisten wissen: "Helene Fischer geht immer."

Von Susi Wimmer

"Könnt's ihr bitte was Romantisches auflegen?", fragte der junge Mann etwas aufgeregt. Dann stellte er sich mitten auf die Hackerbrücke, ging in die Knie und machte seiner Angebeteten einen Heiratsantrag. Klaus Macicek muss heute noch lächeln, wenn er die Story erzählt. Denn er saß am DJ-Pult: Macicek, der Polizeihauptmeister.

Die Szene spielte sich nämlich vor dem Lautsprecher-Kraftwagen (Laukw) der Bundespolizei ab, Macicek und sein Kollege hatten quasi einen Logenplatz. Aber eigentlich sind sie es, die immer von außen bestaunt werden, wenn die Wiesngäste an ihnen vorbeiziehen, die sie mit Musik bei Laune halten - und per Lautsprecherdurchsagen sicher nach Hause geleiten.

"Coole Mucke, die die Polizei da spielt", schreit die Münchnerin Annabell Ribeiro, während aus den sechs Lautsprechern des Laukw Britney Spears "Scream & Shout" schallt. Die Hackerbrücke vibriert ein bisschen unter den Füßen, obwohl jetzt am Abend Autos ausgesperrt sind und die Brücke allein den Fußgängern gehört. Die 23-jährige Münchnerin, die gerade von der Wiesn kommt, kennt natürlich den weiß-blauen Bus der Bundespolizei. "Vor zwei Jahren ging da richtig die Party ab. Wir haben getanzt, die Polizisten geklatscht und mitgesungen, wir haben gemeinsam gefeiert." Dann taucht sie wieder in der Menge ab, während Helene Fischer "Viel zu schön, um wahr zu sein" über die Brücke säuselt.

Die Schiebetür rollt zurück, im Inneren des Laukw erinnert höchstens ein bunter Strauß Schießbuden-Rosen an "Party". Polizeihauptmeister Klaus Macicek und Polizeioberkommissar Uwe Ludwig sitzen an ihren Laptops, im Heckbereich gleicht der Partybus einer Kommandozentrale. Blinkende Lämpchen, Knöpfe, leuchtende Displays. Partybus, das ist nur der Spitzname, den die Wiesngäste dem Polizeiwagen gegeben haben. Normalerweise ist der Laukw eher sachlich im ganzen Bundesgebiet unterwegs, um etwa bei Demonstrationen oder Fußballspielen Menschen zu leiten oder zu instruieren. "Es ist schon unglaublich, wie man Menschenmassen beeinflussen kann", sagt Uwe Ludwig, der Einsatzführer. Das Team ist immer im Fünferpack auf Achse, sie alle sind geschult in taktischer Kommunikation, waren auf Sprecherlehrgängen und verfügen über eine technische Ausbildung.

Wenn es zu Wiesnschluss heftig wird, dann schwingen sich zwei Polizisten mit Westen und Käppi auf die Leitplanken an der Brücke und geben per Mikro Anweisungen wie: "Die Abgänge zur S-Bahn befinden sich rechts und links, bitte achten Sie auf den Vordermann, die Treppenstufen sind nass".

Richtig brenzlig kann es auf der Hackerbrücke werden. Macicek und Ludwig erinnern sich, als einmal eine Taube in die Oberleitung der S-Bahn flog, einen Kurzschluss verursachte und für eineinhalb Stunden den Zugverkehr lahm legte. Die Menschen drängten sich unten auf den überfüllten Bahnsteigen, oben drohte die Brücke vollzulaufen. Da hatten die Bundespolizisten alle Münder voll zu tun, um die Massen "wegzusprechen", wie sie es nennen, und gleichzeitig mit Musik so bei Laune halten, dass keine Panik - oder Raufereien - ausbrachen. Sie schafften es dann, die Leute dazu zu bewegen, zum Hauptbahnhof zu laufen. "Einem Kollegen ist es mal gelungen, die Leute zu einer Polonaise zu animieren - bis runter zum Hauptbahnhof." An dem kritischen Abend mit der Überfüllung war das wohl nicht.

Bundespolizei auf dem Oktoberfest: Auf der Hackerbrücke versucht das Team, die Besucher mit Durchsagen zu steuern.

Auf der Hackerbrücke versucht das Team, die Besucher mit Durchsagen zu steuern.

(Foto: Stephan Rumpf)

Wie es genau kam, das weiß Uwe Ludwig auch nicht mehr so genau, "es hat sich irgendwie aus der Situation heraus ergeben". Jedenfalls tönten aus dem Laukw irgendwann nicht mehr nur die Ansagen, sondern auch Musik. "Viele Chefs haben das hinterfragt", sagt er.

"Wer tanzt, schlägt nicht"

Aber schnell war klar, dass die Musik die angeheiterten Wiesngäste positiv beeinflusste. "Wer tanzt, schlägt nicht", sagt Ludwig. Bundespolizei-Sprecher Wolfgang Hauner ergänzt noch, dass die psychologische Komponente nicht zu unterschätzen sei: Zuerst feiern die Leute auf der Wiesn bei lauter Musik im hellen Zelt. Dann beginnt der Heimweg. Richtung Hackerbrücke lassen die Lichtquellen immer mehr nach, es wird dunkler, die Stimmung sinkt - und dann hören die Leute die Musik auf der hell erleuchteten Hackerbrücke. Seit es Musik gibt, sagt Hauner, gibt es weniger Körperverletzungsdelikte auf der Brücke.

"Helene Fischer geht immer", sagt Klaus Macicek, während er durch das große Busfenster auf die Frauentürme blickt. Die Beamten haben die Playlist aus ihren privaten Beständen erstellt. Heavy Metal geht gar nicht, weil es die Leute aggressiv mache, "und irgendwelche diskriminierenden Texte wollen wir auch nicht", sagt Macicek. "Abba ist als Deeskalationsmusik gut", haben sie festgestellt, und zuweilen erfüllen sie auch Musikwünsche. Tanzen die Leute vor dem Bus, wird was Flottes aufgelegt, wird es langsam zu voll, kommt "irgendein Song mit Say Goodbye", grinst Macicek. Die Gema freut sich über die Abgaben, die der Laukw zu entrichten hat.

Während die Beamten in ihrem Bus wie in einem Aquarium hocken, schwimmen draußen die Leute vorbei. Acht bis zehn Stunden geht der Dienstabend, und die Polizisten sehen die Gäste meist nüchtern kommen, und dann "in allen möglichen Gangarten" zur S-Bahn zurückgehen, "bei manchen reicht da die Straße nicht mehr aus". Da gibt es welche, die im Übermut über die Leitplanke springen wollen. Einmal balancierte ein Betrunkener ganz oben über die Stahlträger der Brücke, "den haben wir heil runtergesprochen", erinnert sich Ludwig.

Und es gibt Menschen, die Kuscheltiere auf dem Busdach hinterlassen, auch die Plastikrosen waren ein Geschenk. "Andere klopfen und bieten uns gebrannte Mandeln an", erzählen die Beamten. Ja, und natürlich winken ganz viele Menschen, wenn sie am Bus vorbeigehen, die Beamten winken zurück. Und die Leute machen Tausende Handyfotos und Videos, die dann in die ganze Welt hinausgehen. Aber den Heiratsantrag, den hat bislang nur einer gemacht. "Allerdings", sagt Ludwig, sei der junge Mann auch nicht mehr ganz nüchtern gewesen. "Ob der sich am nächsten Tag noch erinnert hat?"

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