Energieversorgung:Kraftwerk Nord: Bürgervotum könnte wirkungslos verpuffen

Energieversorgung: Im Block 2 des Kraftwerks München-Nord wird Steinkohle verfeuert, die nicht besonders klimafreundlich ist.

Im Block 2 des Kraftwerks München-Nord wird Steinkohle verfeuert, die nicht besonders klimafreundlich ist.

(Foto: Stephan Rumpf)
  • Die Münchner dürfen über den Kohleblock im Münchner Kraftwerk Nord entscheiden.
  • Nach dem Energiewirtschaftsgesetz dürften systemrelevante Kraftwerke allerdings nicht einfach stillgelegt werden.
  • Es muss noch entschieden werden, ob die Anlage systemrelevant ist.

Von Dominik Hutter

Der anstehende Bürgerentscheid "Raus aus der Steinkohle" ist zulässig - er könnte aber ohne jede Folge verpuffen. Zu diesem Schluss kommt die Rechtsabteilung des städtischen Direktoriums. Denn nach dem Energiewirtschaftsgesetz dürften systemrelevante Kraftwerke nicht einfach stillgelegt werden, schreibt es in der Beschlussvorlage für den Feriensenat des Stadtrats am Mittwoch. Das bedeutet: Selbst ein überwältigendes Ja der Münchner könnte von den Bundesbehörden einfach kassiert werden. Der Kohleblock des Heizkraftwerks München-Nord bliebe dann trotzdem am Netz.

Ob er als systemrelevant eingestuft wird, ist bislang nicht entschieden. Die Bundesnetzagentur befinde darüber erst ein bis zwei Jahre vor dem geplanten Abschaltdatum, erläutert das Direktorium. Wegen des Ausstiegs aus der Atomenergie würden derzeit Kraftwerksstilllegungen in Süddeutschland jedoch meist untersagt. Hintergrund sei die angespannte Stromversorgung an kalten Wintertagen. Dies werde sich erst bessern, wenn die neuen Nord-Süd-Stromtrassen zwischen 2025 und 2028 in Betrieb genommen werden. Fazit der städtischen Juristen: München könne nicht im Alleingang über die Zukunft des Meilers im Norden entscheiden - das gilt damit auch für einen Bürgerentscheid.

Diesen haben die ÖDP sowie mehr als 50 Bürgerinitiativen organisiert. In der vergangenen Woche überschritt ihr Bürgerbegehren die Schwelle von knapp 34 000 gültigen Unterschriften, die notwendig sind, damit es zu einem Bürgerentscheid kommt. Laut Kreisverwaltungsreferat wurden 48 000 Signaturen überprüft, die ÖDP sprach sogar von "unglaublichen 52 000".

Mit der Initiative will sie den mit Steinkohle betriebenen Block 2 des Heizkraftwerks München-Nord spätestens zum Jahresende 2022 stilllegen. Hintergrund sind die Schadstoffemissionen der Anlage, in der jährlich rund 800 000 Tonnen Kohle verfeuert werden, um Strom und Fernwärme zu erzeugen. Über die Zulässigkeit des Begehrens entscheidet der Feriensenat des Stadtrats am Mittwoch. Stimmt er den Ausführungen des Direktoriums zu, dürfen die Münchner am 5. November - und damit am letzten Tag der Herbstferien - abstimmen.

Der Vorstoß der Anti-Kohle-Aktivisten wird von den städtischen Rechtsexperten prinzipiell als zulässig eingestuft: Gegen die Fragestellung wie auch die Stadt als Adressatin der Forderung gebe es keine juristischen Einwände. Betreiber des Kraftwerks sind die Stadtwerke München, die zu 100 Prozent der Stadt gehören. Das Direktorium, das direkt Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) untersteht, lässt jedoch kein gutes Haar an der Argumentation der Kohlegegner. Sie sei in vielen Punkten "verzerrend, einseitig und teilweise auch unzutreffend". Dies führe aber nicht zu einer Unzulässigkeit des Bürgerbegehrens.

Stadtwerke warnen vor einer Stilllegung 2022

Bei einer Abschaltung des Meilers, die Zustimmung der Bundesnetzagentur vorausgesetzt, müssten anders als von den Initiativen behauptet "weitere Kraftwerkskapazitäten geschaffen werden". Das Rathaus macht sich damit die Argumente der Stadtwerke zu eigen, die vor einer Stilllegung im Jahr 2022 warnen. Nach den aktuellen Plänen der Stadt soll die Anlage noch bis 2027 oder längstens bis 2029 weiterlaufen. Auf längere Sicht sieht die Ausbauoffensive Erneuerbare Energien ohnehin vor, die Fernwärme auf erneuerbare Energien umzustellen.

Die Stadtratsmehrheit, das zeichnet sich schon vor der Sitzung deutlich ab, empfiehlt die Ablehnung der Initiative. Der Kohleblock sei noch für eine Übergangszeit notwendig, um die Strom- und Wärmeversorgung Münchens abzudecken und im Falle eines deutschlandweiten Blackouts zu sichern. Ihn kurzfristig abzuschalten, verursache Kosten in dreistelliger Millionenhöhe und bringe nahezu keine Minderung an Kohlendioxid-Emissionen - weil der Strom dann eben in anderen, teilweise älteren und weniger effektiven Kraftwerken erzeugt werden müsste.

Die Anti-Kohle-Initiativen verweisen hingegen darauf, dass der Block 2 die Luft intensiver verschmutze als der gesamte Münchner Straßenverkehr. Zudem, sagt Münchens ÖDP-Chef Thomas Prudlo, gebe es ja immer noch das Kraftwerk Süd. Dieses wird mit Gas betrieben und verursacht damit wesentlich weniger klimafeindliche Emissionen.

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