Ausbau des Münchner Flughafens:Was Sie zum Bürgerentscheid wissen müssen

Über den Ausbau des Münchner Flughafens wird seit langem erbittert gestritten. Am heutigen Sonntag dürfen die Bürger der Stadt über die geplante dritte Start-und-Landebahn abstimmen. Doch welche Fallstricke gibt es? Und wird ein Nein das Projekt wirklich stoppen?

Tobias Dorfer

Soll der Münchner Flughafen um eine dritte Start-und-Landebahn erweitert werden? Darüber wird seit Monaten erbittert gestritten. Die Gegner des Projekts haben ein Bürgerbegehren durchgesetzt. Der Stadtrat ist mehrheitlich für den Ausbau und hält mit einem Ratsbegehren dagegen. Über beide wird am 17. Juni abgestimmt. Aber um was geht es dabei genau? Welche Gründe sprechen für und gegen den Ausbau? Antworten auf die wichtigsten Fragen zur Abstimmung am 17. Juni.

Bayerns FDP-Fraktionsvorsitzender wirbt fuer dritte Startbahn

Die geplante dritte Startbahn für den Münchner Flughafen ist umstritten.

(Foto: dapd)

Worum geht es bei der Abstimmung konkret?

Letztlich um die Frage, wie sich die Stadt München bei der Abstimmung über die dritte Start-und-Landebahn in der Gesellschafterversammlung verhält. Dort muss die Entscheidung für den Startbahn-Bau einstimmig fallen. Stimmt die Stadt München mit "Nein", ist das Projekt gestoppt, auch wenn die beiden anderen Anteilseigner - der Freistaat Bayern und der Bund - sich für das Projekt aussprechen. Die Mehrheit im Münchner Stadtrat ist allerdings für den Ausbau und will das Feld nicht den Gegnern überlassen. Deshalb haben sie ein Ratsbegehren initiiert.

Was genau ist ein Ratsbegehren?

Ein Ratsbegehren gibt einer Kommune die Möglichkeit, Entscheidungen, für die sie selbst verantwortlich sind, den Bürgern zu übertragen. In München haben sich die Stadtratsfraktionen von SPD, CSU und FDP darauf verständigt, sich die Zustimmung der Bürger zu dem Großprojekt bestätigen zu lassen.

Was hat das Ratsbegehren mit dem Bürgerbegehren der Startbahn-Gegner zu tun?

Zunächst einmal gar nichts. Das Bürgerbegehren erlaubt den Bürgern, direkt Einfluss auf Entscheidungen ihrer Stadt zu nehmen. Das Ratsbegehren erlaubt der Stadt, Bürger in die Verantwortung zu nehmen. Beide können völlig getrennt voneinander erfolgen. Bei der Abstimmung zur dritten Start- und Landebahn könnten beide Abstimmungen aber gegensätzliche Ergebnisse hervorbringen, weshalb es eine Stichfrage geben wird.

Wie kann das Bürgerbegehren Erfolg haben?

In Bayern müssen sich bei Kommunen mit mehr als 500.000 Einwohnern mindestens drei Prozent der Bürger für die Ziele der Initiatoren aussprechen. Dies geschieht mittels Unterschriftenlisten. In München waren somit 30.000 Unterschriften notwendig, um einen Bürgerentscheid über den Flughafenausbau zu erlangen. Dies haben die Startbahn-Gegner im Februar 2012 erreicht.

Beim Bürgerentscheid reicht dann eine einfache Mehrheit. Er hat die Wirkung eines Stadtrats-Beschlusses. Allerdings ist der Entscheid nur dann gültig, wenn die Mehrheit mindestens zehn Prozent der Stimmberechtigten beträgt - insgesamt also knapp 104.000 Wähler. Die Startbahn-Gegner bräuchten also nicht nur eine Mehrheit, sondern müssten auch dieses Quorum erfüllen.

Wann wird abgestimmt?

Am 17. Juni 2012 sind 1,038 Millionen Münchnerinnen und Münchnerinnen aufgerufen, ihre Stimme abzugeben. Auf diesen Termin haben sich CSU und SPD mit den Startbahn-Gegnern geeinigt. An diesem Tag wird nicht nur deren Bürgerentscheid zur Abstimmung gestellt werden, sondern auch das im Stadtrat beschlossene Ratsbegehren für die Flughafenerweiterung.

Worüber wird dann konkret abgestimmt?

Weil Ratsbegehren und Bürgerentscheid an einem Tag stattfinden sollen, müssen drei Fragen beantwortet werden:

[] die Frage der Ausbau-Befürworter ("Sind Sie dafür, dass die Stadt München in den zuständigen Gremien der Flughafen München GmbH - ohne sich an den Kosten zu beteiligen - dem Projekt einer dritten Start- und Landebahn am Flughafen München zustimmt?")

[] die Frage der Ausbau-Gegner ("Stimmen Sie dafür, dass die Landeshauptstadt München alle ihre Möglichkeiten als Gesellschafterin der Flughafen München GmbH nutzt, um den Bau einer 3. Start- und Landebahn des Verkehrsflughafens München zu verhindern und dass die Landeshauptstadt München insbesondere in der Gesellschafterversammlung der Flughafen München GmbH keinem Beschluss zum Bau einer 3. Start- und Landebahn zustimmt?")

sowie

[] eine Stichfrage für den Fall, dass beide Fragen eine Mehrheit erhalten - was durchaus passieren kann. Wie genau diese formuliert wird, steht noch nicht fest.

Warum werden nur die Münchner gefragt?

Heißt ein "Nein" zum Flughafen-Ausbau automatisch, dass die Startbahn nicht gebaut wird?

Nicht zwingend. Denn wenn die Flughafen-Gegner das notwendige Quorum von zehn Prozent der Stimmberechtigten verfehlen, dann hilft ihnen auch die Mehrheit nichts. In diesem Fall ist die Stadt München nicht an den Beschluss gebunden. Dann wird voraussichtlich der Stadtrat eine Empfehlung an Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) abgeben, wie er bei der Gesellschafterversammlung des Flughafens stimmen soll. Im Stadtrat sitzen jedoch mehrheitlich die Befürworter des Ausbaus. Ude, der als bayerischer SPD-Spitzenkandidat in einer Zwickmühle ist (Details ...), würde sich einem erfolgreichen Bürgerentscheid gegen das Projekt beugen, obwohl er eigentlich ein Befürworter ist.

Wie argumentieren Befürworter und Gegner?

[] Die Befürworter verweisen auf das erhöhte Luftverkehrsaufkommen, das sie erwarten. Für das Jahr 2025 rechnen sie mit etwa 590.000 Flugbewegungen. Ohne die dritte Startbahn, so das Argument, könnten am Münchner Airport im Jahr 2025 höchstens 480.000 Flugbewegungen abgewickelt werden. Ein Ausbau würde zudem weitere Arbeitsplätze mit sich bringen. 40.700 Menschen sollen 2025 am Flughafen arbeiten - ohne die dritte Start- und Landebahn wären es den Befürwortern zufolge 32.500 Beschäftigte. Derzeit arbeiten etwas mehr als 30.000 Menschen am Airport.

[] Die Gegner sehen hingegen keinen Bedarf für eine dritte Start- und Landebahn. Nach dem bisherigen Maximum an Flugbewegungen (432.000 in den Jahren 2007 und 2008) seien die Zahlen um fast zehn Prozent auf 390.000 eingebrochen. Wegen des hohen Ölpreises setzten die Airlines eher auf größere Jets als auf eine größere Flotte. Deshalb seien die Berechnungen der Befürworter zu hoch gegriffen. Außerdem stören sie sich an einer erhöhten Belastung der Umlandkommunen durch Lärm und Abgase und fürchten um das Vogelschutzgebiet im "Nördlichen Erdinger Moos".

Wer darf an der Abstimmung im Juni teilnehmen?

Jeder wahlberechtigte Bürger aus München, der am Tag der Einreichung des Bürgerbegehrens mindestens 18 Jahre alt ist und seit mindestens drei Monaten den Wohnsitz in München hat.

Warum werden nur die Münchner gefragt?

Weil nur die Stadt München (mit 26 Prozent) neben dem Bund (23 Prozent) und dem Freistaat Bayern (51 Prozent) zu den Anteilseigner des Flughafens zählt. Die umliegenden Kommunen, etwa Freising und Berglern, sind zwar vom Fluglärm stärker betroffen als die Landeshauptstadt, sie besitzen jedoch keine Anteile an der Flughafengesellschaft und damit auch keine Möglichkeit die Abstimmung in der Gesellschafterversammlung zu beeinflussen.

Kann die Startbahn nur durch das Bürgerbegehren verhindert werden?

Nein. Die Erweiterung des Flughafens hängt auch vom Urteil der Gerichte ab. Aktuell liegen beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (VGH) 20 Klagen gegen das Projekt vor - unter anderem von der Stadt Freising, dem Bund Naturschutz und verschiedenen Privatleuten. Wenn eine oder mehrere Klagen Erfolg haben, könnten sie das gesamte Bauvorhaben verhindern.

Die bayerische Staatsregierung hat auf Empfehlung des VGH deshalb beschlossen, erst mit dem Bau der vier Kilometer langen Betonpiste zu beginnen, wenn die Richter über diese Klagen entschieden haben. Rein rechtlich hätte der Flughafen bereits im vergangenen Sommer nach der Zustimmung der Regierung von Oberbayern mit den Arbeiten beginnen können.

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