Bürgerbüro:Warum die Schlange im KVR so lang ist

Bürgerbüro: Im Bürgerbüro des Kreisverwaltungsreferats werden Aufgaben wie die Passausstellung erledigt, die der Staat den Kommunen übertragen hat.

Im Bürgerbüro des Kreisverwaltungsreferats werden Aufgaben wie die Passausstellung erledigt, die der Staat den Kommunen übertragen hat.

(Foto: Stephan Rumpf)
  • Stundenlanges Warten ist im Bürgerbüro des Kreisverwaltungsreferats mittlerweile vollkommen normal.
  • Im Vergleich zum Bevölkerungswachstum in München wurde in den vergangenen Jahren viel zu wenig Personal eingestellt.
  • Doch auch von den 70 neu geschaffenen Stellen sind noch immer nicht alle besetzt.

Von Dominik Hutter

Die Wohnungsgeberbestätigung zum Beispiel. Einst war es völlig ausreichend, die neue Adresse schriftlich einzureichen. Nun muss jeder persönlich im Bürgerbüro vorsprechen, wenn er sich an- oder ummelden will. "Am Anfang war es ein bisschen kritisch", berichtet die Sachgebietsleiterin Birgit Lüttich. Viele hatten von dem neuen Formular noch nie etwas gehört und waren entsprechend schlecht gelaunt, als sie unverrichteter Dinge wieder abziehen mussten.

Inzwischen hat es sich herumgesprochen, dass der Vermieter schriftlich beurkunden muss, wer bei ihm wohnt. Dennoch bedeutet die neue Regelung einen zusätzlichen, früher nicht erforderlichen Schritt. Wieder einmal. Für die Münchner, aber auch für die Mitarbeiter des Kreisverwaltungsreferats (KVR). Der Zusatzaufwand wird wohl bleiben. Anton Hanfstengl, der Chef des Bürgerbüros, sieht angesichts der politischen Lage keinen Weg zurück zu einer laxeren Bürokratie.

So muss auch die junge blonde Frau persönlich in der Ruppertstraße vorsprechen. Wartezettel ziehen, herumsitzen - bis Lüttich an dem kleinen Apparat auf ihrem Schreibtisch die Taste "Nächster, bitte" drückt. Dann springt die Aufrufanlage um eine Nummer weiter, die Slowenin kann den Raum betreten. Sie hat ihren Mietvertrag dabei, das reicht als Nachweis für eine Ummeldung. "Das machen viele", berichtet Lüttich, die das Papier scannt und die neue Anschrift in den Rechner eingibt.

Ob es Probleme geben kann, wenn der Hauptwohnsitz weiterhin in Slowenien ist, will die Frau wissen. Lüttich verneint. Es reicht, überhaupt in München gemeldet zu sein. Allerdings wird nichts in den slowenischen Personalausweis eingetragen. "Ich kann kein ausländisches Dokument verändern", sagt die KVR-Mitarbeiterin.

320 Mitarbeiter hat das Bürgerbüro im Kreisverwaltungsreferat, die fünf Außenstellen inklusive. Nominell. Denn es ist schwierig, in einer Stadt mit Vollbeschäftigung neue Mitarbeiter für die Verwaltung zu rekrutieren. Einige von 70 neu geschaffenen Stellen sind daher noch nicht besetzt. Für die meisten wurden trotzdem Interessenten gefunden, die allerdings noch nicht komplett einsatzbereit sind. "Neues Personal muss erst eingearbeitet werden", erklärt Kreisverwaltungsreferent Thomas Böhle. Ein halbes bis ein Jahr dauere es, die neuen Kollegen zu schulen. "Die Effekte treten deshalb mit Verzögerung ein."

Zu schulen gibt es einiges. Denn das Bürgerbüro ist so ausgelegt, dass möglichst viele Behördengänge in einem Aufwasch erledigt werden können. Lüttich und ihre Kollegen müssen darauf vorbereitet sein, Personaldokumente oder Führungszeugnisse zu bestellen, An- und Ummeldungen zu erledigen, Fahrzeuge zuzulassen, Beglaubigungen vorzunehmen oder Auskünfte aus dem Gewerberegister zu erteilen. Und Antworten auf die vielen Fragen zu geben, die die Münchner so haben.

Die KVR-Leute wissen nie, was sie erwartet, wenn sich die Tür zu den Großraumbüros öffnet und ein "Kunde" hereinkommt, wie die Besucher ganz serviceorientiert genannt werden. Ständige Schulungen sollen gewährleisten, dass wirklich jeder alle Rechtsgebiete im Griff hat. "Das Problem dabei ist: Der Gesetzgeber verändert viel mehr als früher", so Hanfstengl. Jede Neuerung hat wiederum Fortbildungen für die Mitarbeiter des Bürgerbüros zur Folge.

Zu den technischen Neuerungen der vergangenen Monate zählen die Tablets auf den Sachbearbeiter-Schreibtischen, auf denen Formulare unterschrieben werden können. Aus der Perspektive der KVR-Mitarbeiter sieht das lustig aus - auf ihrem Bildschirm lässt sich live mitverfolgen, wie sich der (trockene) Plastikstift über das Tablet bewegt. Plötzlich stutzt Lüttich: Neben der Unterschrift des jungen Mannes, der gerade Personalausweis und Reisepass beantragt, prangt ein Punkt, der dort nicht hingehört. Er stammt aus dem Scanner, Lüttich wischt die Glasfläche sauber. Damit nicht für den Rest des Tages Dokumente mit Punkt bestellt werden.

Den Wartenden ist oft gar nicht bewusst, mit welchen Probleme die Behörde kämpft

Anders als An- oder Ummeldungen sind Ausweise eigentlich keine kommunale Angelegenheit. Die Ordnungsbehörden der Städte und Gemeinden erledigen diese Aufgabe aber im Auftrag des Bundes mit. In München gestellte Anträge gelangen auf elektronischem Weg in die Bundesdruckerei. Für die fertigen Dokumente werden weiterhin ganz konventionelle Pakete benötigt, die täglich frisch aus Berlin in der Ruppertstraße eintrudeln.

3000 Münchner

kommen jeden Tag ins Bürgerbüro des Kreisverwaltungsreferats, um Ausweise zu verlängern, ein Auto zuzulassen oder andere Behördengänge zu erledigen. Das ist der Durchschnitt. Tatsächlich ist der Andrang tageweise sehr unterschiedlich. Während es mittwochs und freitags auch einmal etwas ruhiger zugeht, kann die Zahl der KVR- Besucher an einem Dienstag schon mal die 5000er-Marke überschreiten - da ist auch am Nachmittag geöffnet. Etwa die Hälfte der Leute kommt in die Zentrale an der Ruppertstraße, zusätzlich gibt es fünf Außenstellen.

Dort prüfen KVR-Mitarbeiter, ob die Ausweise die nötige Qualität aufweisen. Was sie, wie Hanfstengl versichert, in den allermeisten Fällen tun. Für ganz Eilige können die Sachbearbeiter noch am gleichen Tag einen vorläufigen Pass oder Ausweis ausstellen. Die dafür erforderlichen Vordrucke lagern in einem Tresor, neben amtlichen Stempeln und Siegeln. Lüttich ist in ihrer Abteilung dafür verantwortlich, dass keine Blanko-Pässe das Haus verlassen.

Den Münchnern, die oft stundenlang auf den Plastiksesseln der Wartezonen ausharren müssen, ist oft gar nicht bewusst, mit welchen Problemen Münchens Ordnungsbehörde so zu kämpfen hat. In den vergangenen Monaten ist immer wieder einmal das Computersystem ausgefallen, was die Behörde komplett arbeitsunfähig macht. An solchen Tagen müssen die Wartenden nach Hause geschickt werden. Die Folge ist eine Art Bugwelle - die Leute kommen in den nächsten Tagen erneut vorbei und verlängern die ohnehin schon imposanten Schlangen weiter.

Seit einiger Zeit warnen Aushänge in den Raumfluchten vor stundenlangen Wartezeiten. Vor allem an Brückentagen und in den Ferien drängeln sich die Leute in den Hallen. Dann fertigt Lüttich im Akkord Anträge ab - oft bis weit nach 15 Uhr, obwohl die Wartenummernausgabe eigentlich um 12 Uhr schließt. Für die KVR-Mitarbeiter sind solche Tage fatal, da stets ein Berg von unerledigter Arbeit liegen bleibt.

Denn die Nachmittage ohne Publikumsverkehr sind eigentlich fürs Erledigen des umfangreichen Schriftverkehrs gedacht. Wenn etwa die Polizei meldet, dass bei einer Kontrolle in einem Arbeiterheim aufgefallen ist, dass ein Gutteil der dort gemeldeten Männer schon seit langem nicht mehr an dieser Adresse wohnt. Dann müssen die KVR-Daten korrigiert werden. Manchmal gilt es auch sogenannte "Konflikte" zu lösen: Wenn jemand gleichzeitig in München und in Hamburg seinen Hauptwohnsitz hat, ist irgendwo in den Daten der Wurm drin.

Der Hauptgrund, dass es oft so lang dauert im KVR, ist aber schlicht und einfach die Demografie. München ist seit 2005 um rund 20 Prozent gewachsen. Diese Neubewohner tauchen sehr schnell auch im Kreisverwaltungsreferat auf. "Eigentlich hätten wir also fast 20 Prozent mehr Personal gebraucht", berichtet Behördenchef Böhle. Die aber gab es nicht, noch bis vor drei Jahren regierte der Rotstift. Haushaltskonsolidierung.

Inzwischen darf das KVR wieder wachsen, das Bürgerbüro soll bald mehr Platz bekommen. Zudem will das KVR im kommenden Jahr sein Online-Angebot erweitern. Ummeldungen und Führungszeugnisse können dann über das elektronische München-Portal abgewickelt werden. Das verkürzt die Schlangen in den Bürgerbüros. Die Arbeit der KVR-Mitarbeiter bleibt trotzdem die gleiche.

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