Bürgerbeteiligung bei Bauprojekten:Münchner gestalten ihre Plätze

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Ob der Bau der Glockenbachsuiten oder die Tiefgarage am Josephsplatz: Viele Münchner fühlen sich bei Bauprojekten überrumpelt. Nun durften sie mitreden. Am Siegestor können Fußgänger deshalb bald wieder flanieren. Und auch bei anderen Plätzen durften die Bürger entscheiden.

Von Melanie Staudinger

Den Marienhof müssen die Münchner nicht mit Autos teilen. Andere Plätze in der Stadt dagegen schon. (Foto: Stephan Rumpf)

Gerade bei Bauprojekten reißt die Kritik der Bürger an der Stadt nicht ab. Ob es um die neue Dreifachturnhalle am Theodolinden-Gymnasium in Harlaching geht, den Bau der Glockenbachsuiten oder die Tiefgarage am Josephsplatz: Viele Münchner fühlen sich von der Verwaltung schlecht bis gar nicht informiert und damit überrumpelt. Sie protestieren, sammeln Unterschriften oder beschreiten den Klageweg. Damit sich das Stadtleben künftig friedlicher gestaltet, sollen die Menschen besser in Entscheidungen eingebunden werden.

In einem Modellprojekt für mehr Bürgerbeteiligung, das der Stadtrat im Frühjahr vergangenen Jahres beschlossen hat, konnten die Anwohner von fünf Plätzen mitreden, wie ihre Nachbarschaft künftig aussehen soll. Das Baureferat bot daraufhin fünf Bürgerbeteiligungsverfahren für das Siegestor, den St.-Pauls-Platz in der Nähe der Theresienwiese, den Bereich am Fuße des Gasteigs, den Willibaldplatz in Laim sowie den Platz an der Ubo- und Altostraße in Aubing an. Experten erarbeiteten ein Konzept, die künftigen Nutzer konnten es verfeinern. Die Ergebnisse legte das Baureferat am Dienstag dem Bauausschuss vor, der die Vorschläge einstimmig übernahm.

St.-Pauls-Platz

Umgestaltung ja, aber nicht auf Kosten von Parkplätzen - so entschieden sich die Anwohner des St.-Pauls-Platzes in der Nähe der Theresienwiese Mitte November. Die Studie des Büros Irene Burkhardt Landschaftsarchitekten beleuchtete die unterschiedlichen Situationen auf dem innerstädtischen Areal. Sie kam zu dem Schluss, dass es zu viele Stellplätze gebe, die die Aufenthaltsqualität vor der Kirche als Wahrzeichen des Viertels stark einschränkten. Zudem monierten die Planer, dass die Bepflanzung zu dicht sei und willkürlich erscheine. Dadurch seien die Kirche und ihre Zugänge kaum erkennbar. Auch lade der Platz kaum zum gemütlichen Verweilen ein. Die 75 Bürger sahen zumindest letzteres genauso. Sie regten aber an, eine Einbahnregelung zu prüfen und ihnen genügend Stellplätze für ihre Autos zu lassen. An der Ostseite könnte eine Fläche für Märkte oder einen Quartierstreff entstehen, die Nordseite soll verkehrsberuhig werden. Im Süden des Areals ist geplant, die Bäume auszuasten und zu entbuschen, was zu mehr Transparenz und Übersicht führt. Die Anregungen der Anwohner will das Baureferat nun in der weitergehenden Studie aufnehmen und so weit wie möglich auch berücksichtigen.

Flanieren fast wie zu König Ludwigs Zeiten: So ähnlich stellen sich die Planer vom städtischen Baureferat künftig die Umgebung des Siegestors vor, die sich das Areal um das Bauwerk, vor allem aber auch die Aufspreizung der Leopold- und Ludwigstraße genauer angesehen haben. Momentan wird die Gegend noch dominiert von viel zu großen Verkehrsflächen. Damit meinen die Experten nicht nur die breite Straße, sondern auch den direkt angrenzenden Parkplatz und den Taxistandplatz. Die Gehwege seien zu schmal, die Radwege ungünstig geführt, obwohl sie stark genutzt würden. "Die Potenziale für eine angemessene Gestaltung der Umgebung des Siegestors als eines der Wahrzeichen Münchens erscheinen ungenutzt", schreibt das Baureferat in seiner Vorlage an den Stadtrat.

Nun schlägt es vor, die bestehende Pappelallee der Ludwigstraße nach historischem Vorbild bis zur Ludwig-Maximilians-Universität fortzuführen. Dafür allerdings müssen die Parkplätze weichen. Die 15 Anwohner, die zum Workshop im Dezember in die Seidlvilla kamen, stimmten überwiegend zu - die geringe Anzahl der Teilnehmer erklärt sich laut Baureferat damit, dass es dort schlicht sehr wenige direkte Nachbarn gibt. Wenn der Stadtrat die nun anstehende Detailplanung billigt, kann der Umbau beginnen. Eine Straßenbahn wie bis in die Siebzigerjahre hinein wird es aber nicht geben.

Ubo- und Altostraße

Nicht ganz so harmonisch wie andernorts verlief die Bürgerbeteiligung in Aubing. Hier zumindest müssen die Experten noch einmal deutlich nacharbeiten. Die Pläne des Büros Dragomir Stadtplanung umfassten anfangs die öffentlichen Verkehrsflächen in folgenden Bereichen: den Giglweg von der S-Bahnhaltestelle bis zur Ubostraße, die Ubostraße zwischen Germeringer Weg und Einmündung in die Altostraße sowie die Altostraße zwischen Fabrikstraße und Feuerhausstraße.

Dieses Areal beschrieben die Planer durchaus nicht negativ. Insbesondere das geschützte Dorfensemble mit der Kirche St. Quirin gefiel ihnen als "identitätsstiftendes Bauwerk". Auch die Baumgruppen, Einzelbäume und Kastanien am Giglweg seien qualitativ wertvoll und deshalb zu erhalten. Allerdings störten sich die Architekten an den viel zu großen Fahrbahnen und generell an der Gestaltung der Straßen. Für das Areal vor der St.-Quirin-Kirche empfahlen sie eine deutliche Aufwertung - die 48 Bürger sahen diese Notwendigkeit im Workshop im November aber nicht. Sie könnten sich an dieser Stelle lediglich eine zusätzliche Querung zum bereits existierenden Zebrastreifen vorstellen, die den historischen Ortskern mit dem S-Bahnhof baulich verbindet. Jedoch soll der Eingriff, wenn überhaupt, nur ein kleiner sein. Auch lehnten sie geringere Fahrbahnbreiten ab. Die Straßen werden, so ihre Argumentation, auch von großen landwirtschaftlichen Fahrzeugen genutzt, die auch dann noch durchkommen sollen, wenn sich etwa zwei Mähdrescher begegnen.

Auf positive Resonanz stieß bei den Teilnehmern hingegen die vorgeschlagene Umgestaltung der Ubo- in die Altostraße. Dieses Gelände soll fußgängerfreundlicher werden. Das Baureferat schlug nun vor, den Planungsumgriff zu verringern. Die weiteren Plänen beziehen sich nur noch auf die Verbesserung der Situation an der Gabelung Ubo-/ Altostraße sowie auf die Querung über die Ubostraße vor der Kirche St. Quirin. Dem Stadtrat werden diese Unterlagen vorgelegt, sobald sie fertig sind.

Weniger Parkplätze, dafür eine bessere Aufenthaltsqualität: Die Anwohner rund um den Willibaldplatz in Laim waren durchweg zufrieden mit den Plänen, die das Landschaftsarchitektenbüro Otto A. Bertram ihnen im November vergangenen Jahres vorgestellt hatte. Momentan zeichnet sich der Platz vor allem im Süden eher durch seine verkehrliche Nutzung aus: Trambahnwendeschleife, Busspur, Taxistand und Stellplätze für Autos. Für Fußgänger oder gar Flaneure bietet er kaum Angebote. Die Experten schätzten die Aufenthaltsqualität daher auch eher als gering ein. Würde der ruhende Verkehr aber umorganisiert, sprich Parkplätze wegfallen, könnte am südlichen Fahrbahnast eine Fußgängerzone entstehen.

Der Wegfall der Stellplätze wurde zwar kontrovers diskutiert. Schließlich aber nahm die Mehrheit der zirka 45 Teilnehmer den Vorschlag als unvermeidbar hin. Die grundsätzliche Aufwertung des Umfelds erschien den Anwohnern wichtiger. Wegen dieser großen Zustimmung sollen die Planungen für die Umgestaltung jetzt konkreter ausgearbeitet werden. Danach wird der Stadtrat endgültig über das Projekt abstimmt.

Rosenheimer Straße

Als einziger der fünf Bürgerworkshops brachte das Projekt für den Bereich der Rosenheimer Straße, Lilienstraße und Zeppelinstraße am Fuß des Gasteigs kein konkretes Ergebnis, das es in den kommenden Monaten umzusetzen gilt. Den Anwohnern ging die vorgelegte Untersuchung nicht weit genug. Außerdem müssen wichtige Fragen erst noch geklärt werden. Die Studie des Münchner Büros Kübert Landschaftsarchitektur schlug in Abstimmung mit dem Kreisverwaltungsreferat vor, die Wendemöglichkeit zwischen der Lilien- und Zeppelinstraße zu schließen und gleichzeitig zwei der vier Abbiegespuren zu reduzieren. Dadurch biete sich die Chance, den Gehweg vor der historischen Häuserzeile aufzuweiten.

Die etwa 25 Teilnehmer an der Bürgerversammlung sahen diesen Plan allerdings kritisch. Sie monierten zum einen, dass der Umgriff erweitert werden solle: Der neuralgische Punkt auf dem Geh- und Radweg zwischen Zeppelinstraße und Isar müsse einbezogen werden. Zum anderen fürchteten sie, dass der Eingriff den Verkehrsfluss stark behindern werde. Ohne die Spurenreduzierung aber gibt es laut Baureferat kaum Möglichkeiten für eine wirkungsvolle Umgestaltung. Eine vertiefendere Untersuchung soll nun Klarheit bringen.

© SZ vom 05.02.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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