Bürgerbeschwerden:Schlummernde Züge rauben den Schlaf

Bürgerbeschwerden: Abgestellte S-Bahnen rauben nicht wenigen Menschen den Schlaf - denn auch Züge, die nicht fahren, verursachen mitunter kräftigen Lärm.

Abgestellte S-Bahnen rauben nicht wenigen Menschen den Schlaf - denn auch Züge, die nicht fahren, verursachen mitunter kräftigen Lärm.

(Foto: Alessandra Schellnegger)
  • Abgestellte Züge machen Krach und rauben zahlreichen Anwohnern den Schlaf.
  • Viele Fahrzeuge werden nachgerüstet, um leiser zu sein.
  • Die Züge müssten nach Expertenmeinung anders konstruiert werden, damit sie von Anfang an weniger Lärm machen.

Von Marco Völklein

Ratternde Güterzüge, vorbeisurrende S-Bahnen - an vielen Bahnstrecken klagen Anwohner über zu viel Lärm. Was aber viele nicht wissen: Auch wenn Züge abgestellt sind, machen sie Krach. Trafo-Gebläse laufen, Druckluftsysteme lassen Dampf ab. Viele Anwohner fühlen sich dadurch massiv gestört. Im Großraum München nutzt allein die S-Bahn etwa ein Dutzend solcher Abstellanlagen - unter anderem in Deisenhofen, Aying, Höhenkirchen-Siegertsbrunn, Weßling, Gilching und Wolfratshausen. Auch in Aubing und Pasing beschweren sich die Anwohner. Seit 2008 kümmert sich die "Interkommunale Lärmschutz-Initiative" (ILI), ein Zusammenschluss betroffener Bürger und einiger Kommunen, um die Belange der Anwohner. Und hat schon vieles erreicht.

So hat die S-Bahn nach Gesprächen mit ILI-Vertretern unter anderem die Software der Züge neu programmieren, zusätzliche Schalldämpfer einbauen, die Abläufe beim Abstellen der Züge neu organisieren und ein Meldesystem einrichten lassen, an dem sich die Anwohner beteiligen. "Darauf können wir stolz sein", sagt ILI-Vorsitzender Werner Litza. Und räumt dennoch ein, dass die Lärmschützer immer wieder "unangenehme Überraschungen" erleben.

Auch neue Fahrzeuge machen Probleme

So hat die Deutsche Bahn im vergangenen Jahr die Strecke von Dachau nach Altomünster elektrifiziert; nun werden unter anderem aufgemöbelte S-Bahnen vom alten Typ "ET 420" in Altomünster über Nacht abgestellt, um am nächsten Morgen die Pendler wieder nach München zu bringen. Seither aber gibt es Beschwerden über lärmende Züge. Viel schlimmer aber noch: Nicht nur alte Züge beschäftigen die ILI-Leute; auch ganz neue Fahrzeuge machen immer wieder Probleme. So hatte erst im Dezember 2013 der Bahn-Konkurrent Veolia die Strecken von München nach Rosenheim in Betrieb genommen und 35 nagelneue Züge vom Typ "Flirt" gekauft.

Seither allerdings klagen Anwohner am Bahnhof in Holzkirchen über den Lärm. Dort stünden die Flirt-Züge "dicht gepackt" auf den Abstellgleisen, berichtet Litza. Und die Nachbarn hätten mit "massiven Lärmemissionen" zu kämpfen. Ähnlich sei es auf dem Werdenfels-Netz, das die Deutsche Bahn ebenfalls seit Dezember 2013 mit neu gekauften Regionalzügen vom Typ "Talent 2" befährt. Auch die seien für die lärmgeplagten Anrainer eine Zumutung.

Und anders als bei der S-Bahn stehen die Lärmschutzaktivisten um Litza bei den Flirt- und den Talent 2-Zügen noch am Anfang. Fachleute der TU Berlin mussten die Lärmquellen erst aufspüren. Zudem hätten die Veolia-Chefs zugesagt, Lärmmessungen in Auftrag zu geben, sagt Litza. Bei den Zügen im Werdenfels-Netz sei zwar eine neue Software-Version bereits programmiert. Doch noch traue sich die Bahn nicht, diese aufzuspielen - weil das möglicherweise schwerwiegendere Probleme mit anderen Bauteilen nach sich ziehen könnte.

Züge müssten anders konstruiert werden

Dabei ließe sich das Problem eigentlich relativ einfach lösen, sagt Stefan Lutzenberger von der auf Lärmfragen spezialisierten Beratungsgesellschaft Müller-BBM aus Planegg. Statt die Züge nach der Inbetriebnahme aufwendig nachzurüsten oder Meldesysteme einzuführen, wäre es - "auch aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten" - besser, die Züge samt deren Klimaanlagen, Lüfter und Bremsluftkompressoren auf dem Dach von vorneherein möglichst lärmarm zu konstruieren. "Dazu müsste bereits bei der Ausschreibung auf diese Punkte geachtet werden", sagt Lutzenberger. In der Schweiz gebe es Regelungen, die den Bahnbetreibern einen lärmarmen "Schlummerbetrieb" vorschrieben.

Litza und seine Mitstreiter wollen genau das nun erreichen. Und die Gelegenheit ist günstig: Denn voraussichtlich noch in diesem Jahr wird die Bayerische Eisenbahngesellschaft (BEG), die im Auftrag des Freistaats den Schienenverkehr in Bayern bestellt und bezahlt, das S-Bahn-Netz neu ausschreiben. Der Vertrag mit der Deutschen Bahn läuft 2017 aus. Die ILI-Leute wollen, dass die BEG in ihrer Ausschreibung nicht nur vorschreibt, wie viele Züge der künftige Betreiber auf welchen Linien mit wie vielen Sitzplätzen fahren lässt, wie viele Fahrkartenautomaten er aufstellen muss und wie oft die Putztrupps durch die Waggons wischen sollen. Vielmehr sollen die BEG-Verantwortlichen auch festschreiben, dass der Betreiber möglichst lärmarme Fahrzeuge zu beschaffen hat. Eine Handreichung, eine "Guideline", wollen Litza und seine Mitstreiter nun erarbeiten.

Ob die BEG diese dann auch anwenden wird, ist allerdings offen. Man fordere jetzt bereits eine "lärmarme Abstellung" der Fahrzeuge, sagt BEG-Chef Johann Niggl und versichert zumindest eines: Bei künftigen S-Bahn-Generationen "soll die heutige Lärmbelastung keinesfalls überschritten werden". Dennoch könne "ein geringes Maß an Restemissionen gerade im Bereich von Bahnhofs-, Werkstatt- und Abstellanlagen nicht vermieden werden".

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