Bühnen- und Kostümbildner:Lebendige Fülle, erlesene Leere

Wenige haben Theater und Oper in München so geprägt wie der Bühnen- und Kostümbildner Jürgen Rose. Eine Doppelausstellung feiert nun sein Werk

Von Egbert Tholl

Erst einmal gibt es Wagner. Betritt man das Theatermuseum in den Hofgarten-Arkaden, umfängt einen das Ende der "Götterdämmerung". Die Götter stehen Spalier, in Form lebensgroßer Puppen, die mit den Originalkostümen der Aufführung behängt sind. An der Wand die Projektion des Endes, Akrobaten fallen vom Bühnenhimmel herab, fallen und fallen ins Nichts, die Musik erhellt sich zu einem verheißungsvollen Frühling.

Im Mai 2014 kam die "Götterdämmerung" in Genf heraus, seine jüngste Arbeit, Abschluss des "Rings", aber noch längst nicht Abschluss eines Lebenswerks, das sich nun in seiner überbordenden Fülle bestaunen lässt. Im übernächsten Jahr wird Jürgen Rose 80, kein Jubiläum liegt aktuell vor. Der Anlass ist allein eine Feier des Theaters, zu bestaunen im Theatermuseum und in der Akademie der Schönen Künste am Max-Joseph-Platz. Ein Ort allein wäre zu klein gewesen für die vielen Exponate, für die 180 Originalkostüme, zusammengesucht in den Theatern der Welt und Puppen angezogen. Dazu kommen 28 Bühnenbildmodelle und eine schier unzählbare Menge an Fotos. Auch die Modelle sind alt, so alt wie die Kostüme, stammen aus der Zeit der Inszenierungen - die erste, die Rose ausstattete, kam 1959 in Ulm heraus, Leo Falls "Die Rose von Stambul". Kein Scherz mit Namen jetzt, dafür aber ein anderer, den Jürgen Rose selbst erzählt. Um einen der Bühnenbildentwürfe für die Ausstellung nach München schaffen zu dürfen, musste er einen siebenseitigen Vertrag über die Haftung unterzeichnen. "Aber das sind doch meine Pappmodelle. Die dürfen ruhig kaputtgehen."

Für Münchner Theatergänger ist Roses Kunst natürlich vor allem mit Dieter Dorn und dessen Inszenierungen an den Kammerspielen und, von 2001 an, am Bayerischen Staatsschauspiel verbunden. Rose erfand die grellgelben Räume des "Faust", erfand den riesigen Schiffsleib für "König Lear", erfand das Schlachtfeld für "Troilus und Cressida". Aber auch die erlesene Leere, vor allem in der Zeit am Residenztheater. Da wurden die Räume weit und offen, darin standen ein paar sorgsam ausgewählte Dinge. Wie zuletzt beim Beginn von Dorns "Käthchen"-Inszenierung.

Aber Jürgen Rose machte auch Oper, inszenierte die oft auch gleich selbst. Natürlich, auch hier wieder Dorn, die Meister-Mozarts "Figaro" und "Così" - da spielte die Erfahrung des dramatisch gesetzten Nichts des Raums auch schon eine entscheidende Rolle. An der Bayerischen Staatsoper stattete Rose den "Freischütz" aus und klebte tausend Geweihe ans Portal. "Das schlaue Füchslein" inszenierte er gleich selbst, entwarf dafür eine überbordende Menge reizender Tierkostüme. Und dann war dann natürlich noch Verdis "Don Carlo", eine der beliebtesten Inszenierungen an der Staatsoper überhaupt. Bis heute verblüfft das Autodafé.

So ist die Ausstellung auch ein Wiedersehen mit verschwundenen Aufführungen, mit Schauspielern, denen man auf riesigen Bildschirmen und Fotos wiederbegegnen kann, die großen alten Wundertiere der Dornschen Kammerspiele etwa. Da wird der Besuch der Ausstellung eine Reise ins eigene Gedächtnis. Dazu kommen viele Sachen, die man nie sah, weil Rose weltweit arbeitete, mit vielen verschiedenen Regisseuren. Hier entsteht nicht nur ein Abriss von den 55 Jahren seines Schaffens als Bühnen- und Kostümbildner, es wird auch Theatergeschichte lebendig.

Wie jeder Künstler hatte Rose Phasen. Eine war gelb, eine andere wüst, dann wieder orientierte er sich an der bildenden Kunst, da schaut es mal nach Caspar David Friedrich, mal nach Degas aus. Oder man blickt in eines dieser fabelhaften Bühnenbildmodelle, die aussehen wie kleine Puppentheater, in denen dann die Phantasie spazieren gehen, in denen man sich selbst Geschichten und Handlungen erdenken kann. Eines davon baute er 1970 fürs Stuttgarter Ballett, und es schaut aus wie ein begehbares Gemälde von Klimt.

Rose inszenierte die Schau selbst, würfelte alles durcheinander. Die chronologischen, thematischen oder künstlerischen Stränge kann sich jeder selbst zusammenbasteln. So weit möglich, entwarf Rose seine Kostüme immer am Schauspieler selbst. Er war viel auf den Proben und passte an, was er entwarf. Bei aller, in Theaterkreisen fast schon sprichwörtlich gewordenen Lust am Material, an erlesenen Stoffen, an jahrhundertealten Originalen, die er einbaute oder kopierte - seine Kostüme sollten die Schauspieler und Sänger nicht bei der Arbeit stören, so der Eindruck.

Dann steht Rose vor dem Kostüm der Hekabe, das einst Gisela Stein trug: "Jetzt schaut es aus wie ein Fetzen. Das Leben kommt durch die Schauspieler hinein."

"Jürgen Rose: Nichts ist so lebensfüllend wie das Theater". Theatermuseum und Akademie der Schönen Künste, bis 18. Oktober 2015.

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