Bühne:Mit Dirndl, Charme und Mutterwitz

Liselotte Bothe und ihre Familie betreiben seit 30 Jahren die Kasperlbühne im Kleinen Theater im Pförtnerhaus des Bürgerparks Oberföhring. Mit 16 Stücken in Mundart und reichlich Sinn für Erziehungsfragen unterhalten sie gleichermaßen Kinder und Eltern

Von Andrea Schlaier, Oberföhring

Akkurat so würde Sie einem entgegentreten, müsste man sie herzaubern, die Personifizierung der Gretl im munteren Unruhestand: Mit Dirndl, natürlich, auf dem sommergetönten weichen Dekolleté ruht eine lustige Kette, die dichten blonden Haare sind zu einem dicken, langen Zopf nach hinten gebunden und aus den strahlend blauen Augen sprüht der pure Mutterwitz. Unablässig würde diese Gretl plaudern, vom Leben, seinen Abenteuern, sie mittendrin und immer eine originelle Idee parat, wie die Geschichte eine überraschende und letztlich erfreuliche Wendung nehmen könnte. Diese personifizierte Gretl wäre, ach was, ist Liselotte Bothe. Die Münchnerin feiert dieses Jahr vier sich rundende Ereignisse: Erst den 70. Geburtstag, dann den 50. Hochzeitstag, seit 40 Jahren betreibt sie eine Kasperl- und Puppenbühne und seit 30 Jahren wohnt sie mit dieser im Kleinen Theater im Pförtnerhaus des Bürgerparks Oberföhring. Hut ab!

Wäre das Leben dieser Frau eine Kinderaufführung, müsste jetzt das ganze Publikum ein entschiedenes "Halt!" Richtung Vorhang brüllen. Denn wir müssen's ganz genau nehmen: Die Kunst von Liselotte Bothe gäbe es in der Form überhaupt nicht ohne ihren Mann Lutz, einen gebürtigen Berliner, und den gemeinsamen Sohn Patrik. Für den inzwischen 46 Jahre alten Buben hat seine Mutter früh eigene Stücke geschrieben, weil ihr das, was in den 70er Jahren im Repertoire für Kinder hinterm Vorhang herauslugte, nicht zusagte. "Da gab's so viele Werke, die die Kinder aufmüpfig gemacht haben, nach dem Motto, zeigt's dem Hausmeister oder wem auch immer, anstatt sie zu ermuntern, mit dem Hausmeister zu reden und damit zu versuchen, gemeinsam mit ihm eine friedliche Lösung zu finden."

Liselotte Bothe wollte die Kinder weder klein halten, noch blind rebellisch machen. Spielerisch eine Haltung zu entwickeln, darum geht es der gelernten Erzieherin und Vorschulpädagogin von Anfang an. Wie ernst es ihr damit ist, hat sie schon vor Jahrzehnten in ihrer Zulassungsarbeit gezeigt. "Puppenarbeit in der pädagogischen Praxis" hieß die. Die Mutter und inzwischen Großmutter sitzt im Café des Pförtnerhäuschen und erzählt auch davon in munterem Fluss. Lutz Bothe, 74 Jahre, Janosch-Schnauzer, setzt sich mit an die weiß gedeckte mit Sonnenblumen geschmückte Tafel, an der am Vortrag noch Kindergeburtstag gefeiert wurde. An den Wänden baumeln kunstvolle, historische Puppen aus Sizilien. Im Vorraum mit Küchenzeile zischt die Kaffeemaschine; Patrik, der Sohn, serviert ihn später in weißem Porzellan. Diese Familie versteht es, ihre Kunst zu leben.

Bühne: Beste Stimmung zum Jubiläum: Lutz, Patrik (Bild) und Liselotte Bothe leben für ihre Kasperlbühne. Vor 30 Jahren haben sie das Pförtnerhaus im Bürgerpark Oberföhring zu ihrem künstlerischen Stammsitz ausgebaut.

Beste Stimmung zum Jubiläum: Lutz, Patrik (Bild) und Liselotte Bothe leben für ihre Kasperlbühne. Vor 30 Jahren haben sie das Pförtnerhaus im Bürgerpark Oberföhring zu ihrem künstlerischen Stammsitz ausgebaut.

(Foto: Robert Haas)

Als Liselotte anfing, nicht nur für den Sohn, sondern in Kindergärten, auf Geburtstagen und in der Volkshochschule Theater mit selbst gestalteten Puppen und selbst verfassten Stücken zu spielen, wurde die kreative junge Frau schnell entdeckt, von Jugendeinrichtungen, der Stadt und Lehrerverbänden, die sie allesamt engagierten. Ihr Mann studierte zu der Zeit noch, fuhr nebenbei Taxi und Schulbus, um etwas dazu zu verdienen. Spielte eben in jeder Hinsicht mit: Mit seiner Berliner Schnauze verkörpert er bis heute autoritäre Bühnen-Figuren. Alle andern sprechen bairisch. "Mundart", sagt Liselotte Bothe, "ist für die Kasperlbühne wichtig, weil sie emotionale Nähe gibt".

Wesentliche dramaturgische Grundsätze gelten für das Paar bis heute. "Handpuppen sind uns deshalb so wichtig, weil sie damit mit den Kindern interagieren können", sagt Lutz Bothe. Und den Kasperl-Kosmos wählen sie, weil man Figuren wie Großmutter und Gretl nicht lange erklären muss. Das ist entscheidend, bei Stücken, die immer eine Stunde dauern und die jüngsten Gäste drei Jahre alt sind. "Wenn man jeden Charakter noch einführen muss, wird's zu lang", sagt der Künstler. Sonst gelte nach wie vor: "Keine Gewalt, keine derben Ausdrücke."

16 Stücke hat Liselotte Bothe in den vergangen 40 Jahren geschrieben. Mal begibt sich Kasperl nach Afrika, mal in die Drachenstadt, die Küche oder zum Christbaumschlagen in den Wald. Und immer irgendwie auch in die Patsche. "Für die Erwachsenen bauen wir grundsätzlich kleine Passagen ein, schließlich sollen die sich auch gut unterhalten." Frau Bothe lacht zufrieden, wie eine Gastronomin, die auch für den anspruchsvollsten Gast noch ein ungekanntes Amuse-Gueule aus der Küche gezaubert hat. Apropos Essen. Eine Zeitlang präsentierten die Bothes im Pförtnerhaus zusammen mit Gerhard Weiß auch Puppentheater für Erwachsene, unter anderem Karl Kraus' "Die letzten Tage der Menschheit". Anschließend wurden im Café Wiener Spezialitäten aufgetischt. Aber letztlich war das zweigleisige Programm für Alt und Jung zu aufwendig. "Schweren Herzens haben wir das Erwachsenentheater aufgegeben", sagt die Kasperl-Intendantin.

Bühne: Den besonderen Geburtstag feiert die kreative und tatkräftige Familie (hier Liselotte Bothe) ein Wochenende lang mit einem eigens ins Leben gerufenen Papiertheater Festival.

Den besonderen Geburtstag feiert die kreative und tatkräftige Familie (hier Liselotte Bothe) ein Wochenende lang mit einem eigens ins Leben gerufenen Papiertheater Festival.

(Foto: Robert Haas)

Doch Erziehungsarbeit leisten die beiden nach wie vor - am volljährigen Publikum. Oft müssten sie vor allem Mütter ermutigen, Tochter oder Sohn doch allein sitzen zu lassen. Die Chefin ist überzeugt: "Kinder müssen die Spannung selbst aushalten und das können sie oft." Deshalb haben die Bothes den 60 Quadratmeter großen Bühnenraum mit Bierbänken bestuhlen lassen. "Wenn die Kinder nah beieinandersitzen und sich spüren, gibt ihnen das Zutrauen. Sie machen außerdem ohne Eltern an der Seite besser mit." Bothe grinst: "Es ist dann auch leiser, weil die Mütter den Kindern nicht dauernd was erklären."

Das Paar ist mit seiner Kunst schon weit herumgekommen: Es spielte während des Jugoslawien-Krieges in Flüchtlingslagern, später für geflüchtete Kinder in Brüssel, Genf, Amsterdam und feierte in Sizilien Erfolge. Und gleichzeitig ist es 1987 gelandet: im Pförtnerhaus im Bürgerpark Oberföhring. Das kleine Domizil liegt am Eingang zu den Baracken des ehemaligen Krankenhauses. Die Familie hat sich den Platz zum Kleinod ausgebaut und präsentiert hier mehrmals wöchentlich Aufführungen (Karten unter www.kasperlbuehne.de oder Telefon 95 31 25), auch exklusiv für Kindergärten oder Geburtstagsfeiern. Alle machen sie mit Lutz, Patrik, dessen Frau Moni und natürlich Liselotte. Sie steht im Türrahmen mit ihrem Dirndl, der lustigen Kette um den Hals und strahlt wie ein mit dem Leben sehr zufriedener Mensch: "Andere machen eine Party. Wir wollen nach 30 Jahren dem Bürgerpark was zurückgeben". Deshalb organisiert diese tatkräftige Gretl von einer Frau zum Jubiläum das 1. Münchner Papier-Festival auf dem gesamten Gelände.

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