Brigitte Hobmeier als "Franziska":"Ich will spüren, begehren, Wollust"

Brigitte Hobmeier Franziska

Franziska ist allein in einer Welt voller "monströser, Ich-gieriger Menschen": Brigitte Hobmeier.

(Foto: Judith Buss/Kammerspiele)

Brigitte Hobmeier spielt an den Münchner Kammerspielen Frank Wedekinds "Franziska" - mit monsterartigen Menschen in Fett-Suits. Im Interview erklärt sie, wie es zu Münchens wildesten Zeiten zuging, und warum sie ihren Busen mag.

Von Egbert Tholl

Es ist ein wüstes Kaleidoskop, ein "modernes Mysterium", ein Art von "Faust", gewürzt mit zahlreichen autobiografischen Anspielungen des Autors selbst. Frank Wedekinds "Franziska" war eines der ersten Stücke, die 1912 an den damals gerade eröffneten Münchner Kammerspielen herauskamen. Wedekind inszenierte es selbst, mit sich und seiner Frau Tilly in den Hauptrollen. Da die Kammerspiele in dieser Saison Geburtstag feiern, nimmt sich nun der Regisseur Andreas Kriegenburg des Brockens an - die Titelrolle spielt Brigitte Hobmeier.

SZ: Warum dieses Zeug?

Brigitte Hobmeier: (versinkt hinter den Händen vor ihrem Gesicht) Das haben wir uns am Anfang auch gefragt.

Und dann?

Dann haben wir zu spinnen begonnen. Wir haben ja 100 Jahre Kammerspiele, und deshalb haben die Kammerspiele sich überlegt, die "Franziska" wieder auferstehen zu lassen.

Ein schöner Gedanke, aber inhaltlich ist der noch nicht zielführend.

Nein. Das Problem wurde erst einmal von einem Schreibtisch auf den anderen verlagert.

Und da fragt man Andreas Kriegenburg, weil man weiß, irgendwas Schönes wird dann schon herauskommen.

Genau. Natürlich hat man mit dem Stück zunächst nur Probleme, weil es so ein Wust ist, so überbordend, nicht nur vom Inhalt her, auch in der Form. Es fängt ja noch ganz überschaubar mit einem Kammerspiel zwischen Mutter und Tochter an, dann kriegt die Tochter eine Sehnsucht nach der Welt, bricht aus - und das ganze Stück bricht auseinander und wird zu einem riesengroßen wollüstigen Etwas. Das war 1912, eine der wildesten Zeiten in München, die ganze Stadt hat gebebt vor Kunst, politisches Gebräu hat gebrodelt - und dann kommt ein wilder Hund wie der Wedekind, zwölf Jahre nach seiner "Lulu", und es kommt einem vor wie eine Vorstudie zur "Lulu", als habe er noch gesucht.

"Eine Welt voller monsterartiger Menschen"

Hat nicht der falsche Emanzipationsgedanke auch etwas sehr Abgeklärtes?

Meiner Meinung nach ist ihm seine Frau aufs Dach gestiegen und wollte, dass er endlich mal eine gescheite Rolle für sie schreibt, er sich aber dachte, ich würde gern mal so eine Art Mephisto spielen. Also schreib' ich ihr so eine Art "Faust" - ich hab' auch meinen Spaß dabei. Literaturgeschichtlich ist meine These aber leider nicht belegt. Doch ich finde, sie klingt plausibel bei einem Theaterehepaar.

Und was macht man damit jetzt?

Andreas Kriegenburg hat versucht, eine Welt zu erschaffen voller monsterartiger Menschen, voller dickleibiger Wesen - ich bin die einzige, die keinen Fett-Suit trägt und komme wie bei einem Mammutbaum mit meinen Armen nicht einmal bis zur Körpermitte der Kollegen. Franziska kommt in diese Welt der Ich-gierigen Menschen und sagt: Ich will leben, ich will erleben, ich will spüren, begehren, Wollust. Da ist der Bezug zur Lulu, zu den Wedekindschen Frauenfiguren, den wollüstigen, knabenhaften Dingern.

Wie viel Text ist denn übrig?

Es wurde ein bisschen was gestrichen, aber nicht zu wild. Und Andreas Kriegenburg hat beschlossen, den fünften Akt wegzulassen.

Was wäre in dem passiert?

Franziska geht ja mit Veit Kunz in die Welt, er verspricht ihr, aus ihr einen Mann zu machen, treibt aber nur Schabernack mit ihr, zieht ihr einfach einen Anzug an und denkt es ist genug, verheiratet sie mit einer Frau, die bald stirbt, weil hier immer am Ende eines Aktes jemand stirbt, wie bei "Lulu". Dann gehen sie nach Rotenburg zu einem Herzog, wo dann der größte Firlefanz beginnt, weil der Herzog ein Theaterstück aufführen will, was ihm vom Polizeipräsidenten verboten wird, womit Wedekind darauf anspielt, dass er mit seiner "Franziska" durch 15 Zensurinstanzen gehen musste, um einen Teil davon aufführen zu dürfen. Nach Rotenburg besuchen sie in Berlin das Theater der 5000; schließlich, nach dem ganzen großen Haubau, verlässt sie Veit Kunz. Im fünften Akt wäre sie allein mit ihrem Kind, die ehemaligen Liebhaber kommen wieder vorbei, wollen mit ihr leben, doch sie schlägt alles aus und sagt: Ich kann alleine in der Welt stehen. Das war 1912 natürlich eine Sensation, heute ist es das nicht, würde eher wie das Gegenteil wirken, und deshalb lassen wir's weg.

"Ich habe einen schönen Busen"

Wie viele von den Anspielungen, die man 1912 selbstverständlich fand, versteht man denn heute noch?

Der Abend ist schon ein großer Schabernack. Die Zuschauer werden geladen zu Spektakel und Firlefanz. Ich hoffe, es wird so schnell und flott, dass es auch für die Zuschauer ein großer Spaß wird. Wenn man Spaß am Skurrilen hat.

Was interessiert Sie denn selber an der Rolle? Endlich mal wieder eine gescheite Rolle zu haben?

Endlich mal wieder eine gescheite Rolle - und dann so etwas. Nein, so ist es nicht. Diese Frau, die ihre Freiheit will, die wie die Reventlow sagen könnte "Jede Fessel drückt mich unerträglich", die ist eine Herausforderung, die zum Spielen einlädt. Das ist ja etwas Schönes.

Passt auch zu Ihnen.

Ich kann mich damit schon verbinden, mit dem "lasst mich in Ruhe mit euren Vorstellungen, wie jemand zu sein hat". Statt dessen: "Lasst mich das Leben fressen!"

Und es ist auch ein Stück über Theater.

Ganz viel. Es kommt sogar ein Kritiker darin vor. Der wäre gern Schauspielerin. Nicht Schauspieler, aber eine Schauspielerin: "Die Unmengen von Einladungen, die Diners am Abend; und hin und wieder ein kleines Treffen mit einem Kritiker."

Das stimmt heute nicht mehr so.

Aber es macht Spaß, sich ein bisschen in diese Welt hineinzugegeben.

So wie in Salzburg, wo Sie im kommenden Jahr nach der Händl-Klaus-Uraufführung in diesem die Buhlschaft im "Jedermann" spielen werden.

Ich habe einen schönen Busen.

Das kann man ahnen. Und sonst?

Natürlich freue ich mich. Das ist ja wie ein Preis, für den man noch nichts getan hat. Ich habe es ja schon oft gesehen, mit der Ferres, mit Sophie von Kessel, mit Birgit Minichmayr. Und ich weiß, dass es nur ein Auftritt ist. Ich habe noch mit meinem Mann darüber geredet, ob wir uns das Spektakel zutrauen. Aber wenn man das Angebot zur Buhlschaft kriegt, dann sagt man ja. Nur Christian Stückl macht's nicht mehr. Ich bin gespannt, wann sich unsere Wege mal wieder kreuzen.

"Franziska", Premiere Freitag, 7. 12. 19 Uhr, Münchner Kammerspiele, Maximilianstraße 28

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: