Brauchtum:Münchens Christbaum - ein Opfer der Sommerhitze

Brauchtum: Von Ruhpolding auf den Marienplatz: 3000 Elektrokerzen sollen diese Fichte zum Münchner Christbaum machen.

Von Ruhpolding auf den Marienplatz: 3000 Elektrokerzen sollen diese Fichte zum Münchner Christbaum machen.

(Foto: Robert Haas)

Sie nadelt stark und lässt schon jetzt die Äste hängen: Eine Fichte aus Ruhpolding soll im Advent den Marienplatz schmücken. Selbst der Bürgermeister ist skeptisch.

Von Thomas Anlauf

Wer sich mit einem 37 Meter langen Prügel von einem Baum von den bayerischen Alpen auf den Weg in die Landeshauptstadt macht, darf gern ein wenig kernig daherkommen. Claus Pichler, Bürgermeister von Ruhpolding, ist so ein kerniger Typ: Mit braunem Filzhut, Trachtenjanker, kariertem Hemd und Haferlschuhen steht er am Donnerstag breit grinsend im Schatten der riesigen Fichte, die er und seine Burschen in 1100 Metern Höhe am Kanonenpass geschlagen und auf einem Transporter zum Marienplatz gefahren haben.

Bürgermeister und Fichte - gleichermaßen zerzaust

"Wir sind unglaublich stolz drauf, dass wir nach 13 Jahren Wartezeit nun zum Zuge kommen", sagt der SPD-Mann mit dem Fünftagebart. Neben ihm steht, mit Fünftagebart, CSU-Politiker Josef Schmid, der als Münchner Bürgermeister den diesjährigen geschenkten Christbaum aus dem Chiemgau "dankbar" entgegennimmt. Schmid hat sich seine Bartstoppeln allerdings nicht aus Solidarität mit seinem Amtskollegen aus Ruhpolding zugelegt, er hatte bei seinem jüngsten Herbsturlaub schlicht den Rasierer daheim vergessen.

Doch mit ihren Bartstoppeln passen nicht nur die Bürgermeister ganz gut zusammen beim traditionellen Christbaumaufstellen auf dem Marienplatz. Auch die alte Fichte aus dem Forstbetrieb Brand sieht ein wenig zerzaust aus. Der etwa 150 Jahre alte Baum nadelt gewaltig und lässt die Äste, die beim Transport teilweise abgebrochen sind, lamettaartig hängen. An der Borke haben es sich Flechten gemütlich gemacht. "Durch die Hitzewelle im Sommer hat jeder Baum in Bayern Federn lassen müssen", entschuldigt sich der Ruhpoldinger Claus Pichler. Und diese Fichte, die schon ein stattlicher Baum war, als sich anno 1870 Deutsche und Franzosen im Siebzigerkrieg beharkten, sei schließlich "keine Nordmanntanne: Des is Natur!"

Bürgermeister Schmid nimmt das vom Transport leicht gerupfte Geschenk, das nun mit bis zu 3000 Elektrokerzen geschmückt wird und bis zum 8. Januar auf dem Marienplatz den Münchner Christbaum gibt, mit diplomatischem Gestus entgegen. Eine Haltungsnote werde er dem Baum, der vor dem Aufstellen auf genormte 26 Meter zurechtgestutzt wurde, wohlweislich nicht geben. Angesichts der milden Witterung sagt Schmid nur: "Wir haben heuer eine völlige Innovation: Wir stellen den Christbaum im Sommer vor." Und murmelt mit Blick auf den nadelnden Baum in seinen Fünftagebart: "So schaut er auch aus."

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